Wolfgang Amadeus Mozart – Streichquintette Vol. 2
Streichquintette D-Dur, KV 593; Es-Dur, KV614; Fragment a-Moll, KV515c, alternatives Finale zu KV593
Chilingirian Quartet mit Yuko Inoue (zweite Bratsche)
Label: crd; Art.-Nr.: crd3523 / EAN: 708093352326
Das listenreiche Chilingirian Quartet hat beim britischen Traditionslabel crd eine Reihe mit Mozarts Streichquintetten begonnen und legt nun den zweiten Teil aus dieser Edition vor. Die Einspielung überzeugt mit berührender Emotionalität und einer faszinierenden musikalischen Leistung sowie mit einem makellosen Aufnahmeklang.
Mozarts Streichquintette hat wahrscheinlich jeder, der sich ernsthaft mit klassischer Musik befasst, schon früh auch auf Tonträger erworben, wahrscheinlich in einer der vielen gelungenen Einspielungen aus der Vergangenheit. Es kursieren ja gerade für dieses Repertoire einige „Referenzen“, wobei allerdings auch manche häufiger genannt werden, die objektiv musikalisch betrachtet wohl eher wegen des „großen Namens“ eines berühmten Ensembles auf der Referenzliste gelandet zu sein scheinen, und weniger wegen dessen musikalischer Leistung.
Hier soll es aber um eine Neuerscheinung gehen, die musikalisch sehr überzeugt, bei der jedoch der Name des ausführenden Streichquartetts (samt Gast an der zweiten Bratsche) vielleicht nicht jedem gleich geläufig ist. Daher zunächst einige Worte zu den Musikern: Das Chilingirian Quartet wurde bereits 1971 von Levon Chilingirian und Cellist Philip de Groote gegründet. Es zählt somit zu den „Veteranen-Ensembles“ im bunten Reigen der Streichquartette, und daher wundert es nicht, dass sich seit Gründungstagen die Besetzung einige Male änderte. Unveränderlicher Bestandteil des einzigartigen Sounds dieses Quartetts ist jedoch Gründer Levon Chilingirian an der Ersten Violine. Mit Susie Mészáros, die Erste Bratschistin unter Sándor Végh bei dessen Ensemble Camerata Salzburg war, Ronald Birks, der bis 2005 zweiter Violinist des berühmten Quartetts „The Lindsays“ war, und Steve Orton, der bis heute als Erster Cellist der Academy of St Martin-in-the-Fields wirkt, hat Levon Chilingirian eine wirklich aufsehenerregende Truppe um sich versammelt, die mir anhand dieses neuen Mozart-Albums eines der wunderbarsten Streichquintett-Erlebnisse des bisherigen Jahres beschert hat. Dass man hier nicht mit vermeintlich „historisch informierter“ Aufführungspraxis gegängelt wird, liegt bei diesen Musikern eh auf der Hand.
Ich bin wirklich begeistert: Hier wird Mozart mit Leib und Seele, mit Überzeugung und Zuneigung musiziert. Es gibt Momente im Vortrag des Chilingirian Quartets, die so berührend sind wegen ihrer Innigkeit, ihrer Verletzlichkeit, ihrer anscheinenden emotionalen Nähe zum Geist von Mozarts Musik, dass es schwer fällt, dies adäquat in Worten auszudrücken. Technisch ist diese Gruppe sowieso mit allen Wassern gewaschen, und so will ich hier nicht schon wieder von irgendeiner „Referenz“ faseln, auch wenn man sich bei diesem Album wohl nicht dafür schämen müsste, sondern möchte vielmehr eine warme Empfehlung aussprechen, diese außergewöhnlich gute Gruppe anhand dieses Albums kennenzulernen.
Bei crd erscheint der Mozart der Chilingirians auf einem traditionsreichen Label. Es ist das Label, das mit der Vivaldi-Einspielung des English Concert unter Trevor Pinnock (die später als Lizenzaufnahme beim Alte Musik-Ableger der Deutschen Grammophon (Archiv) veröffentlicht wurde) schon früh einen All-Time-Hit der klassischen Musik landen konnte, das aber trotzdem bis heute zumindest in Deutschland kaum bekannt ist. Das mag womöglich auch an der seit vier Jahrzehnten beständig gruseligen bis Übelkeit erregenden Covergestaltung dieser Firma liegen, von der man sich jedoch nicht über die hier enthaltene, außergewöhnliche musikalische Qualität hinwegtäuschen lassen sollte.
Das Chilingirian Quartet hat vormals schon für EMI, Sony/BMG, Chandos, Harmonia Mundi, Nimbus, Virgin Classics, Hyperion und viele andere namhafte Firmen aufgenommen. Ihr Mozart erscheint nun eben bei crd. Klanglich ist das Album ebenso auf der Höhe wie die gebotene musikalische Leistung. Dieses fantastische Album sollte man unbedingt gehört haben, meiner Meinung nach sollte man es sich auch kaufen, denn es ist dies ein seltenes Beispiel für eine Mozart-Einspielung, die das Zeug dazu hat, einen ein Leben lang zu begleiten und immer wieder aufs Neue zu erfreuen. Es ist auf alle Fälle die schönste Mozart-Kammermusikaufnahme, die ich im bisherigen Jahr gehört habe.
[Grete Catus, August 2016]
Bei der berühmten DG-Archiv Produktion von Vivaldis „Le quattro stagioni“ (©1982) mit Trevor Pinnock handelt es sich keineswegs um eine Lizenzaufnahme von CRD, sondern um eine digitale Neuaufnahme von 1981 (Studio, Henry Wood Hall). Die Aufnahme von CRD ist noch analog, ein paar Jahre älter (©1978) und wurde in der Rosslyn Hill Chapel, Hampstead, London eingespielt.
Ich bitte um Entschuldigung für diesen Fehler. Ihre Information, Herr Blaumeiser, ist korrekt. Ich habe mir nun beide Einspielungen angehört: Die Aufnahme von CRD hat einen weitaus schöneren Klang und Trevor Pinnock pflegt noch langsamere Tempi. Die Aufnahme von Archiv/Deutsche Grammophon ist mit verdächtig viel Bandrauschen unterwegs (was nicht gerade für eine Digitalaufnahme spricht, aber in der Tat steht DDD im Booklet). Pinnock hat die Tempi nun tüchtig angezogen. Der größte Unterschied zeigt sich bei Solist Simon Standage: 1978 noch mit klassisch-romantischem Vibrato im „Frühling“, hat Standage in der 1981er-Aufnahme sein Vibrato plötzlich auf ein Minimum reduziert, was an die Aufführungspraxis eines Roger Norrington gemahnt. Mir gefällt also die etwas ältere crd-Analogaufnahme in allen Punkten besser, aber das ist hier nicht das Thema. Fakt ist: Ja, es sind zwei verschiedene Aufnahmen, und ich entschuldige mich für die versehentliche Fehlinformation.