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Kodálys frühe Meisterwerke mit unaufgeregter Überzeugung

Naxos 8.551443; EAN: 7 3009914443 8

Der junge Cellist Gabriel Schwabe widmet sich zusammen mit seiner Gattin Hellen Weiß dem selten gespielten Duo für Violine & Violoncello von Zoltán Kodály. Dazu gibt es auf der neuen Naxos-CD noch dessen umfängliche Sonate für Cello solo aus der gleichen Zeit. Ebenfalls folkloristisch angehaucht ist der knappe, zweisätzige Solobeitrag des damals jungen György Ligeti. Ein äußerst anspruchsvolles Programm, mit dem sich die beiden Künstler einer starken Konkurrenz stellen.

Gabriel Schwabe hat auf Naxos in den letzten Jahren zu Recht Furore gemacht: etwa mit den Saint-Saëns-Cellokonzerten sowie einer unglaublich frischen und entschlackten Lesart des Brahms-Doppelkonzerts (siehe die Kritik hier). Nun wagt er sich auf der ersten gemeinsamen CD mit seiner Frau, der Geigerin Hellen Weiß, an zwei in jeder Hinsicht außergewöhnliche Werke von Zoltán Kodály (1882-1967), die zu Beginn des ersten Weltkriegs entstanden sind, als der Komponist zusammen mit Béla Bartók in der Musikabteilung des k.u.k. Kriegsministeriums in Budapest arbeitete. Mit ihm hatte der fast gleichaltrige Kodály bereits zehn Jahre zuvor umfangreiche Feldforschung über das ungarische Volkslied betrieben und 1907 darüber promoviert. Wesentlich introvertierter veranlagt als sein Kollege, kam der kompositorische Erfolg für Kodály deshalb deutlich später. So sind auch das Duo für Violine & Cello op. 7 und die gewaltige Sonate für Cello solo op. 8 eher selten im Konzert zu hören – aber ebenso wegen der enormen Herausforderungen an die Ausführenden wie den Hörer. Schade – denn die Literatur für Violine & Cello ohne Begleitung bewegte sich noch im 19. Jhdt. vorwiegend im pädagogischen Bereich; Kodálys Duo ist einer der ersten eindeutig für den Konzertsaal bestimmten Gattungsbeiträge – und bis heute ein musikalischer Gipfel.

Weiß/Schwabe müssen sich hier mit der unlängst erschienenen, grandiosen Einspielung von Jonian Ilias Kadesha und Vashti Hunter (Avi-music 8553017, 2019) messen. Kodály greift natürlich auf seine ungeheure Kenntnis der ungarischen Folklore zurück – trotzdem ist das Duo stimmungsmäßig vielschichtig und formal elaboriert. Kadesha/Hunter spielen schon in den ersten Anfangsgesten des Kopfsatzes die divergierenden Charaktere einzelner Elemente entschiedener aus als Weiß/Schwabe und benutzen dabei deutlich breiter unterschiedlichste klanglich-technische Möglichkeiten im Zusammenspiel der Instrumente. Das extreme Dynamikspektrum, das Kodály ausdrücklich notiert, wird wörtlich genommen, viele Details wirken eindringlicher – das liegt dann nur zum kleineren Teil an einer ebenfalls besseren Aufnahmetechnik, die zudem mehr Klangfülle an Stellen bietet, wo beide Streicher Doppelgriffe spielen. Die Intonation ist bei beiden Duos toll – lediglich die hohe Geigenstelle im 2. Satz (vor Ziffer [2]) klingt bei Kadesha abgeklärter, zugleich dramatischer. Insgesamt vertrauen Weiß/Schwabe weniger dem quasi rhapsodischen Diskurs als ihre Konkurrenz, führen uns etwas unaufgeregter durch den heiklen Parcours – aber auch sie schaffen es, keine Sekunde zu langweilen, gerade im Finale. Eloquenter und letztlich beeindruckender ist jedoch klar das Duo Kadesha/Hunter.

Bei den beiden Sonaten für Solocello habe ich als Vergleich zu Matt Haimovitz (DG 00289 477 5506, 1990-93) gegriffen – da erscheinen die Verhältnisse eher umgekehrt. Haimovitz ist vielleicht technisch ein wenig überlegen, betreibt aber bei Kodály fast zu viel musikalischen Exhibitionismus, was dann – so manches Vibrato im langsamen Satz wie auch etliche andere klangliche Effekte werden demonstrativ übertrieben – teilweise doch sehr aufgesetzt wirkt. Hier folgt Schwabe ganz der immanenten kompositorischen Logik des Komponisten; alles ist organisch, der große Ausdruck authentisch ohne zusätzlich erhobenen Zeigefinger. Probleme bereitet ihm allerdings der lange, mäandernde Schluss des ersten Satzes; hier geht die musikalische Spannung in der Tat etwas verloren. Dafür kann er bei den folkloristischen Momenten des Finales klar punkten, spielt schnörkellos musikantischer. Ligetis früher Beitrag – die zwei Sätze seiner knappen, völlig tonalen Solosonate entstanden mit einigem Abstand 1948 bzw. 1953 – gelingt beiden Cellisten überragend. Doch auch hier liegt Schwabe für mich ein wenig vorn. Das Capriccio nimmt er nicht so extrem flott wie Haimowitz, fördert aber mehr Details zu Tage. Im ersten Satz will dieser die wenigen imitatorischen Stellen so deutlich herausstellen, dass sie – da zu kurz – fast ins Leere laufen. Schwabe geht einen goldenen Mittelweg; elegische Innigkeit ist ihm wichtiger als zu aufgeladene Emotion oder überbetonte Struktur. Schon allein wegen der Solosonaten ist die Naxos-CD allemal eine Empfehlung wert – das unterrepräsentierte Kodály-Duo kann man eh‘ nicht oft genug hören.

[Martin Blaumeiser, September 2020]

Leider verzichtbar

Zoltán Kodály: Tänze aus Galanta, Konzert für Orchester, „Pfau“-Variationen, Tänze aus Marroszék / Buffalo Philharmonic Orchestra – Joann Falletta

Label: Naxos; Katalog-Nr.: 8.573838 / EAN: 747313383870

Man weiß gar nicht so genau warum eigentlich, aber das Buffalo Philharmonic Orchestra hat sich in den letzten Jahren häufig gerade um große sinfonische Werke des osteuropäischen Repertoires verdient gemacht. Wir verdanken dem Orchester und seiner Leiterin JoAnn Falletta wirklich hervorragende Einspielungen von u.a. Reinhold Glières monumentaler dritter Sinfonie „Il‘ya Muromets“, von Béla Bartóks Kossuth, von Vitězslav Novaks großartiger sinfonischer Dichtung „In der hohen Tatra“ und weiterer Werke, vor allem des tschechischen und ungarischen Repertoires.

Die künstlerischen Erfolge, die das Orchester dabei erzielte, fielen durchaus wechselhaft aus. Während man sich von Novak und Glière kaum bessere Aufnahmen vorstellen kann, als Falletta und ihr Orchester aus Buffalo vorgelegt haben, waren beim Bartók, aber auch bei Einspielungen der Musik von Dohnányi eher Abstriche zu machen. Zu keiner Zeit kam das Buffalo PO in diesen Fällen an die einschlägigen Referenzen der Vergangenheit heran.

Leider muss dies auch von vorliegender CD mit fast allen bekannten Orchesterwerken von Zoltán Kodály konstatiert werden, die nicht nur unter dem offensichtlichen Manko leidet, dass für die Tänze aus Galánta und den Tänzen aus Marosszék eine Partiturversion ohne Cimbalom verwendet wurde. Dadurch geht ein wesentlicher klanglicher Bestandteil von Kodálys Kompositionen verloren, der absolut prägend für die genannten Stücke ist. Aber das findet man auch bei anderen Labels häufig.

Das größere Problem der Aufnahme ist ihre emotionale Oberflächlichkeit. Die Musik wird vom technisch hervorragenden Orchester aus Buffalo zwar äußerst virtuos und auf Hochglanz poliert dargeboten, doch der emotionale Gehalt der Stücke bleibt dabei fast völlig auf der Strecke. Und das ist schon ein Unterschied z.B. zu den Interpretationen des ungarischen Staats-Symphonieorchesters unter Adam Fischer (Nimbus), die ich sehr empfehlen möchte, oder selbst zu den ganz ausgezeichneten Einspielungen dieser Stücke durch das Radio-Symphonieorchester aus Bratislava unter Leitung Adrian Leapers, die bei Naxos Anfang der 1990er-Jahre erschienen waren.

Vorteil dieser neuen NAXOS-Aufnahme ist natürlich, dass man hier einmal eine moderne Einspielung von Kodálys „Konzert für Orchester“ in die Hände bekommt, aber auch in diesem Punkt haben ältere Aufnahmen einfach meilenweit die Nase vorn. So z.B. die DECCA-Einspielung der Philharmonia Hungarica unter Antal Doráti (obwohl deren überschäumender „Zigeuner-Pepp“ heute zugegebenermaßen vielleicht nicht mehr so ganz zeitgemäß wirkt und außerdem klangliche Abstriche einkalkuliert werden müssen). Aber auch Aufnahmen aus jüngerer Zeit (wie beispielsweise die gute 2014er Hungaroton-Aufnahme des „Konzerts für Orchester“ durch das Miskolc Symphony Orchestra) sind emotional (wenn auch nicht technisch) der Einspielung aus Buffalo überlegen. Da letztlich sogar die sonst vorzügliche Klangtechnik von Naxos-Tonmeister Tim Handley bei diesem Album etwas schwächelt, kann man diese CD-Neuheit leider als verzichtbar einstufen. Wenn, dann lohnt es sich höchstens wegen der Neu-Aufnahme des „Konzerts für Orchester“, das ich selten virtuoser dargeboten gehört habe.

[Grete Catus, Dezember 2017]