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Folklore für den Konzertsaal

Simax, PPC9080; EAN: 7033662090808

Anlässlich des 150. Geburtstags von Komitas nimmt die aus Armenien stammende und in Norwegen lebende Pianistin Mariam Kharatyan Lieder und Tänze von Komitas auf. Für Klavier solo erklingen sieben Tänze aus Yot Par und Msho Shoror, dazu nimmt sie einige Lieder auf. An den Volksinstrumenten Duduk und Blul erklingen die Gesangslinien instrumental durch Vigen Balasanyan.

Unprätentiös bezeichnete Komitas die meisten seiner Kompositionen als reine Transkriptionen von Volksliedern – schließlich sah man es ungern, dass ein Geistlicher, zumal mit dem ehrenvollen Titel Vardapet, sich weltlichen oder sogar ichbezogenen Tätigkeiten wie dem Komponieren widmete; wenngleich er die Melodien so vor dem Vergessenwerden bewahrte. Die Wahrheit ist, dass Komitas viel mehr machte, als bloß Melodien aufzuzeichnen: Er schuf eigene Kunstwerke und formte eine tonale Sprache auf Basis der östlichen Folklore. Somit stieg er zum Leitbild auf von ganzen Komponistengenerationen, denen es zuvor als unmöglich erschien, die modalen und abwärts-gerichteten Melodien mit dem oberquintbezogenen (dominantischen) Harmoniesystem der westlichen Kultur zu vereinen. Komitas lernte beide Welten kennen: geboren in der Türkei, zog seine Familie bald nach Armenien, wo seine außerordentliche Stimme schnell entdeckt wurde – später vollendete er seine Ausbildung in Deutschland und machte großen Eindruck auf die europäische Musikszene, namentlich besonders auf Debussy. Den gesammelten Volksmelodien unterlegte Komitas Klavierstimmen in ausgereifter Harmonik, versuchte zugleich, die armenischen Instrumente klanglich am Klavier nachzuahmen. Auch wenn seine Werke den heute gebräuchlichen Taktstrukturen zugrunde liegen, bewahrt er sich stets die Freiheit ungebundener Folklore.

Im Rahmen eines „Artistic Research“ Projekts näherte sich Mariam Kharatyan der Musik Komitas‘ von der theoretischen wie der praktischen Seite, beide wohl fundiert auf dieser CD präsentiert. Kharatyan interessiert sich vor allem für die Ursprünglichkeit dieser Musik, für die sensible Klanggestaltung, die den armenischen Instrumenten nahekommt, beziehungsweise sie gar imitiert. So gelingt eine einfühlsame und zarte Darbietung der Stücke, die förmlich den Duft des Ostens auf die Wohnzimmeranlage projiziert. Ohne Widerstand oder Härte nimmt sie die Tänze, differenziert jede Melodie und jeden Klangeffekt einzeln aus, schafft so ensembleartigen Klang. Als Kharatyan die historischen Aufnahmen von Komitas selbst hörte, war sie gebannt von der inbrünstigen und durch ihre Urtümlichkeit überwältigenden Stimmbeherrschung des Vardapet. So entschloss sie, für ihr Projekt keinen Sänger anzufragen, sondern die Singstimme durch die Folkloreinstrumente Duduk und Blul widerzugeben. In Vigen Balasanyan fand sie einen Partner, der kongenial auf die Klavierstimme eingeht, seine Melodien in unverfälschtem Sentiment erstrahlen lässt und mit ungeheurer Leichtigkeit die Noten zum Leben erweckt.

[Oliver Fraenzke, Februar 2020]

Tänze und Lieder aus Armenien

Simax, PPC9080; EAN: 7033662090808

Die armenische Kultur ist in jeder Hinsicht etwas ganz Besonderes, auch wegen ihrer jahrtausendealten Geschichte, sowohl was die Glaubensrichtungen – etwa frühestes Christentum mit den dazugehörigen Bauwerken – als auch die ungeheuer reichhaltige Musik und Literatur angeht.  Vieles ist bei uns bis heute unbekannt geblieben, oder gibt zu heftigsten Auseinandersetzungen Anlass: Siehe der Völkermord an den Armeniern. Natürlich ist davon der armenische Komponist Komitas (eigentlich Soghomon Soghomonyan) nicht unbeeinflusst geblieben.

Die eben erschienene CD mit Musik von ihm wird zum Leben erweckt von der Pianistin Mariam Kharatyan und Vigen Balasanyan, der bei einigen Stücken die Melodien auf den Instrumenten Duduk und Blul spielt. Das Booklet, verfasst von der Pianistin selbst, gibt Aufschluss über den Komponisten, aber auch über die Möglichkeiten, die das Klavier hat, diese typisch armenischen – meist der Volksmusik entlehnten – Phrasierungen, Melismen, Umspielungen und mehr zu realisieren. Wir hören eine Musik, die in allen Belangen, vor allem melodisch, aber auch rhythmisch und harmonisch sich von der uns vertrauten klassischen Musiksprache entfernt. Natürlich spielen die orientalischen Einflüsse dabei eine grosse Rolle.

Die Blas-Instrumente sind in ihrem Klang der menschlichen Singstimme abgelauscht, was klar ist, aber es kommt eine Dimension dazu, die von uralter Einstimmigkeit zehrt, was diesen Melodien ihre ganz eigentümliche Färbung und Stimmung verleiht.

Dass die Aufnahme des norwegischen Labels tadellos ist, versteht sich von selbst.

Also eine wunderbare Möglichkeit, sich die Musik dieses aussergewöhlichen Komponisten – der ja auch ein „geistlicher Herr“ war, kennen und schätzen zu lernen.

[Ulrich Hermann, Februar 2020]