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Eine junge Komponistin zwischen Brünn, Prag und Paris [Rezensionen im Vergleich 2]

Naxos, 8.574144; EAN: 7 47131 41447 5

Das Sinfonieorchester der University of Michigan unter der Leitung von Kenneth Kiesler präsentiert eine Auswahl von Orchesterwerken der jung verstorbenen tschechischen Komponistin Vítězslava Kaprálová (1915–1940), u.a. ihre Militär-Sinfonietta, ihr Klavierkonzert sowie zwei Orchesterlieder. Es handelt sich dabei um Mitschnitte eines Festivals zu Ehren der Komponistin aus dem Jahre 2015. Die Solisten sind der Tenor Nicholas Phan und die Pianistin Amy I-Lin Cheng.

25 Jahre ist die tschechische Komponistin Vítězslava Kaprálová nur alt geworden, und doch hat sie in ihrem kurzen Leben ein beachtliches Œuvre geschaffen, das eine Reihe von zeitgenössischen Tendenzen aufgreift und zu individuellen Lösungen bis hin zu einer Art Reifestil (insofern man dies in so jungen Jahren überhaupt sagen kann) führt. Zu ihren (Kompositions-)Lehrern zählten dabei ihr Vater Václav Kaprál (1889–1947), selbst Komponist, ab 1930 am Konservatorium ihrer Heimatstadt Vilém Petrželka (1889–1967), dann von 1935 bis 1937 am Prager Konservatorium Vítězslav Novák und schließlich, dank eines Stipendiums, ab 1937 in Paris Bohuslav Martinů. Kaprálová war zudem Dirigentin, und auch hier liest sich die Liste ihrer Lehrer illuster. Insgesamt sind 25 Werke mit Opuszahlen überliefert, zu denen sich noch eine Reihe kleinerer (Gelegenheits-)Kompositionen gesellen. Ihr früher Tod in Montpellier war einer Infektionskrankheit (Tuberkulose oder Typhus) geschuldet.

Die vorliegende CD liefert einen Querschnitt ihres orchestralen Schaffens. Die beiden umfänglichsten Werke sind dabei die Militär-Sinfonietta op. 11 aus den Jahren 1936/37 sowie das Klavierkonzert d-moll op. 7, das 1934/35 zum Abschluss ihrer Studien in Brünn entstand. Hierbei verrät das Klavierkonzert noch deutlich spätromantische Einflüsse, trotz der kompakteren Form hat insbesondere Rachmaninow Pate gestanden. Dabei spielt der langsame Satz, der ohne Unterbrechung in das Finale übergeht, nur die Rolle eines kurzen, dunkel getönten (und interessanterweise ein wenig nordisch klingenden) Intermezzos. Ein schönes, attraktives Werk, und eine beachtliche Talentprobe der kaum 20-jährigen Komponistin, aber noch wenig individuell geprägt. Es ist eine Randnotiz wert, dass das Werk wohl eher wenig den Einfluss ihres damaligen Lehrers Petrželka verrät, dessen eigene Werke aus dieser Zeit deutlich avancierter sind.

Die einsätzige Militär-Sinfonietta op. 11, ein viertelstündiges Allegro in e-moll mit ruhigerem Mittelteil, das besonders durch sein ausgesprochen markantes Hauptthema geprägt ist, entstand nur zwei Jahre später, zeigt Kaprálová aber bereits deutlich weiter in ihrer Entwicklung. Hier trifft ein der tschechischen Folklore entlehnter Tonfall auf robusten Neoklassizismus, und das Interesse an den Farben des Orchesters (apart etwa die Flageoletteffekte ab 10:04) verrät auch Kaprálovás Interesse an französischer Musik, hier vielleicht noch eher des Impressionismus als jüngeren Tendenzen. Den Bezug zum Titel stellen dabei u. a. die stilisierten Fanfaren her, mit denen das Werk beginnt, aber insgesamt ist das militärische Element nicht übermäßig präsent. Der Titel mag einen Bezug zu Janáček suggerieren, doch ist der Einfluss von dessen eigener Sinfonietta eigentlich nicht besonders stark ausgeprägt; eher schon kann man Parallelen zu anderen tschechischen Komponisten jener Zeit ziehen wie zum Beispiel Pavel Bořkovec (man beachte etwa sein Sinfonisches Allegro Start aus dem Jahr 1929). Kaprálovás Sinfonietta ist ein kraftvolles, energisches Werk, das nicht umsonst als eine ihrer musikalischen Visitenkarten gilt. Ein Jahr nach seiner Entstehung dirigierte sie es selbst im Rahmen des ISCM Festivals für neue Musik in London als Vertreterin der tschechischen Musik.

Bei den übrigen Werken handelt es sich zunächst um ein kurzes Prélude de Noël für Kammerorchester, ein Auftragswerk für einen Rundfunkübertragung aus Paris in die unter deutscher Besatzung stehende Tschechoslowakei zu Weihnachten 1939, das noch deutlicher französisch (im Sinne der Groupe des Six) geprägt ist und den Tonfall von Weihnachtsliedern in klassizistisch-verspieltem Gewand aufgreift. Die beiden Orchesterlieder Trauriger Abend (in Ersteinspielung; die nicht ganz vollständige Orchestrierung hat Timothy Cheek komplettiert, von dem auch das Beiheft stammt) sowie Lebewohl und Taschentuch op. 14 entstanden ungefähr gleichzeitig in Kaprálovás Prager Jahren. Sie atmen etwas von Fin de siècle und mildem Expressionismus, kleine, subtile, fein nuancierte Szenen, die die zugrunde liegenden Texte ungemein suggestivkräftig und gekonnt musikalisch ausmalen. Bei Kaprálovás Opus 1 handelt es sich um Fünf Klavierstücke aus den Jahren 1931/32; vier davon arrangierte sie einige Jahre später für Kammerorchester unter dem Titel Suite en miniature. Der Kontrast zwischen dem ersten Satz, einer gedämpften Tremolostudie in cis-moll, und den drei übrigen Sätzen, die eher den Charakter von Genrestücken (Pastorale, Wiegenlied und Menuett haben), ist groß, auch hinsichtlich der Tonarten, denn ab dem zweiten Satz pendelt sich die Suite in G-Dur ein. Fraglos ein frühes Werk, aber durchaus reizvoll und farbig instrumentiert.

Insgesamt wird also Kaprálovás Schaffen von recht unterschiedlichen Winkeln beleuchtet; einige ihrer späten Orchesterwerke (insbesondere die Partita für Klavier und Streichorchester und die Suita rustica für Orchester) fehlen zwar, aber auch so bekommt man ein recht gutes Bild von der Komponistin und ihrer Musik, die in toto sehr hörenswert ist.

Insofern muss man die Interpreten auf dieser CD allein schon für ihren Einsatz für Kaprálovás Musik loben; die Einspielungen sind geeignet, um ein zuverlässiges Bild vom Schaffen dieser Komponistin zu erhalten, und ihr sicherlich einige neue Anhänger bescheren. Es sei jedoch nicht verschwiegen, dass die Qualität der Interpretationen deutlich Luft nach oben lässt. Das Orchester der University of Michigan ist als Universitätsorchester sicherlich überdurchschnittlich, im Vergleich zu professionellen Klangkörpern (und in eine solche Konkurrenz begibt sich diese CD-Veröffentlichung nun einmal) sind die Unterschiede allerdings unüberhörbar. In groß besetzten Stücke wie der Militär-Sinfonietta stimmt die Balance nicht immer (zu Lasten der Streichergruppe, obwohl diese laut Beiheft eigentlich so klein nicht sein dürfte). Ähnliches kann man auch in der Suite en miniature beobachten, wo die Strukturen erheblich besser ausgehört (und die Melodiestimme prägnanter in Szene gesetzt) werden müssten. Dort, wo die Musik komplexer und die spieltechnischen Anforderungen größer werden (Sinfonietta), gerät das Orchester z. T. an seine Grenzen, u.a. was Exaktheit und Präzision in der Artikulation anbelangt. Die Leistung der beiden Solisten ist grundsätzlich ordentlich, allerdings ist die Abstimmung mit dem Orchester nicht immer optimal. Der Klang der CD ist (für eine moderne Produktion) eher etwas matt und nicht immer völlig transparent; der Beginn der Suite en miniature erklingt so leise, dass man ihn bei normaler Lautstärkeeinstellung kaum wahrnimmt.

Nun ist es keinesfalls so, dass es keine Alternativen zu diesen Einspielungen geben würden. Anders als Timothy Cheek in seinem grundsätzlich lobenswerten, Leben und Schaffen Kaprálovás sowie die Werke auf dieser CD detailliert diskutierenden Beiheft nahelegt, ist es insbesondere nicht zutreffend, dass Kaprálovás Œuvre in der sozialistischen Tschechoslowakei ignoriert worden wäre. Cheek erwähnt, dass ihre Musik seinerzeit als „dekadent“ gebrandmarkt worden sei. Mir ist nicht exakt bekannt, wann und in welchem Zusammenhang dies geschah; der Verdacht liegt freilich nahe, dass es im Rahmen der „Formalismus“-Kampagne erfolgte, die 1948 in der Sowjetunion begann und sich in den Folgejahren auf den gesamten Ostblock ausdehnte und dazu führte, dass die Musik in diesen Ländern rund um 1950 insgesamt zweifelsohne ausgesprochen traditionell geprägt war. Mit der Zeit relativierten sich die damals gefällten Verdikte allerdings, und spätestens in den 1960er Jahre verwendete ein nicht unerheblicher Teil der tschechischen Komponisten wesentlich avanciertere Mitteln als Kaprálová es jemals tat.

Und in der Tat erschien bereits 1958 eine Supraphon-LP mit der Militär-Sinfonietta, interpretiert vom Philharmonischen Orchester Brünn unter der Leitung von Břetislav Bakala, vier Jahre später eine Einspielung ihrer Partita für Klavier und Streicher, 1975 eine Portrait-LP mit allerlei verschiedenen Werken, und schon in den 1950er Jahren erschien im Rahmen der Serie Musica Nova Bohemica et Slovenica, die für sich in Anspruch nahm, die tschechoslowakische Musik der damaligen Zeit anhand exemplarischer neuer Werke darzustellen, Miloš Sokolas orchestrale Variationen über ein Thema von Vítězslava Kaprálová (nämlich eines ihrer April-Präludien für Klavier), nebst umfangreichem Beiheft, in dem an die Komponistin erinnert wurde. Es sind also schon damals eine Reihe ihrer Werke in Einspielungen erschienen, auf die man heute z. T. digital zugreifen kann. Dass davon im Westen kaum Notiz genommen wurde, mag sicherlich zutreffen, ist aber leider alles andere als ein Einzelfall – wer kennt z. B. schon Kaprálovás Lehrer Vilém Petrželka, Jan Hanuš, dem auf dieser Seite bereits ein umfangreiches Portrait gewidmet wurde, oder den exzellenten Sinfoniker Jaromír Podešva (die Liste ließe sich lange fortsetzen, es gibt eine Vielzahl sehr guter tschechischer Komponisten)? An nicht vorhandenen Aufnahmen liegt es eher nicht, denn das Schaffen dieser Komponisten ist mitunter bemerkenswert gut auf LP dokumentiert.

Auch später hat man sich in Tschechien immer wieder mit Kaprálovás Musik befasst; es gibt z. B. aus jüngerer Zeit eine empfehlenswerte Doppel-CD (herausgegeben vom tschechischen Rundfunk) mit einer Reihe von Orchesterwerken mit dem Philharmonischen Orchester Brünn, dirigiert von Olga Machoňová Pavlů, sowie eine Portrait-CD aus dem Jahre 1998 mit einem gemischten Programm (Studio Matous). Der entscheidende Punkt ist, dass alle diese Einspielungen interpretatorisch der Naxos-Veröffentlichung deutlich vorzuziehen sind. Nun steht am Ende dennoch außer Frage, dass die vorliegende CD Kaprálová deutlich stärker in den Fokus rücken dürfte als alle bisherigen Veröffentlichungen, allein schon wegen der Prominenz des Labels Naxos. Insofern hat diese CD sicherlich ihre Verdienste. Für einen ersten (positiven) Eindruck von Kaprálovás Schaffen eignet sie sich gut, will man sich aber näher mit dieser Musik beschäftigen, empfehle ich ausdrücklich die vorhandenen Alternativen.

[Holger Sambale, Januar 2022]

Meisterhafte Orchesterwerke einer Frühvollendeten [Rezensionen im Vergleich 1]

Naxos 8.574144; EAN: 7 4731341447 5

Eine außergewöhnliche CD mit knapp zwei Dritteln des Orchesterwerks von Vítězslava Kaprálová (1915–1940), die im Anschluss an das große, der früh verstorbenen tschechischen Komponistin gewidmete Festival in Ann Arbor aufgenommen wurde, hat Naxos vorgelegt; darunter die Ersteinspielung des Orchesterliedes Smutný večer. Außerdem erklingt unter Leitung von Kenneth Kiesler das Orchester der University of Michigan mit der Militär-Sinfonietta, dem Klavierkonzert (Solistin: Amy I-Lin Cheng), der Suite en miniature, dem kurzen Prélude de Noël sowie der Orchesterfassung des Liedes Sbohem a šáteček mit dem Tenor Nicholas Phan.

Die junge Tschechin Vítězslava Kaprálová galt nicht nur als ungewöhnliche kompositorische Hochbegabung, die nach anfänglichem Unterricht durch ihren Vater Václav Kaprál – selbst noch Schüler Janáčeks – bei Vítězslav Novák in Prag, schließlich in Paris bei Bohuslav Martinů studierte. Für ihr zweites größeres Orchesterwerk, der dem damaligen Präsidenten Edvard Beneš gewidmeten Militär-Sinfonietta, erhielt sie 1937 den prestigeträchtigen Preis der Smetana Gesellschaft – zusammen mit dem später in Auschwitz ermordeten Pavel Haas. Damit, nun quasi ihre Visitenkarte als Komponistin, trat die erst 22-Jährige zudem jeweils als erste weibliche Dirigentin – ihre Lehrer hierbei waren keine Geringeren als Zdeněk Chalabala und Charles Munch – der Tschechischen Philharmonie und dann 1938 beim IGNM-Festival in London des BBC Symphony Orchestra auf, wohin man sie als Repräsentantin ihres Landes empfohlen hatte. Schon dies machte sie sofort in ganz Europa bekannt. Im Oktober 1937 zog Kaprálová nach Paris, wo sie Privatunterricht bei Martinů nahm. Konnte sie mit ihrem Dirigierlehrer Munch auf Deutsch kommunizieren, reichten ihre Französischkentnisse für einen regulären Unterricht bei Nadia Boulanger jedoch nicht aus. Nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch die Nazis im März 1939 blieb sie in Paris und heiratete den Schriftsteller Jiří Mucha, Sohn des berühmten Jugendstil-Malers Alfons Mucha. Mit ersten Krankheitssymptomen evakuierte man sie 1940 vor dem Einmarsch der Deutschen nach Montpellier, wo sie am 16. Juni – wohl an Typhus – verstarb.

Zum einen der frühe Tod, zum anderen der Bann ihrer Musik als „dekadent“ durch die Kommunisten, sorgten dafür, dass Kaprálová alsbald in völlige Vergessenheit geriet – gerade in ihrem Heimatland. Trotz einiger berühmter Fürsprecher (Kubelik, Firkušný…) erlangte sie nie den Nimbus einer Kultfigur, wie etwa Lili Boulanger. Zum Glück hat sich das Blatt in den letzten Jahren komplett gewendet: Ihre immerhin 50 Werke fast aller Gattungen sind mittlerweile vollständig gedruckt; zur Zentenarfeier 2015 wurde ihre Musik weltweit in Erinnerung gebracht und ist nunmehr diskographisch ebenso halbwegs zugänglich. In Ann Arbor hatte man sogar innerhalb einer Woche das Gesamtwerk aufgeführt. Der Musikdirektor des University of Michigan Symphony Orchestra, Kenneth Kiesler, hat vor einigen Jahren mit einer exemplarischen Darbietung von Milhauds Orestie-Trilogie höchstes Lob geerntet; auch die Kaprálová-CD glänzt wieder mit einer gründlichen, musikalisch wie aufnahmetechnisch exzellenten Erarbeitung dieses Neulands. Die Leistungsfähigkeit amerikanischer Unis im Musiksektor ist einmal mehr wirklich beeindruckend.

Der viertelstündigen, einsätzigen Militär-Sinfonietta gelingt eine Verbindung zwischen einer nur noch in Grundzügen traditionellen Sonatenhauptsatzform und darin ansatzweise integrierter Viersätzigkeit. Gleichzeitig stellt sie, unterschwellig programmatisch, die Frage nationaler, tschechischer Existenz – just zu diesem geschichtsträchtigen Zeitpunkt. Die Harmonik bleibt weitgehend tonal bzw. modal, wobei Quartenstrukturen bereits eine wichtige Rolle zukommt. Das alles weist klare Bezüge zur Musik ihres Prager Lehrmeisters Novák auf, dabei mit selbstbewusster Eigenständigkeit. Das Klavierkonzert in d-moll von 1935 war Kaprálovás erstes Orchesterwerk, gleichzeitig ihr Dirigierdebüt in Brünn. Als Jugendliche hatte sie – mit deutlichen Einflüssen des Vaters – gelernt, effektiv und wirkungsvoll für Klavier zu schreiben; ihre grandiose Sonata appassionata war gerade fertiggestellt. Die Schreibweise des Konzerts folgt noch der Spätromantik. Der kurze, langsame Satz ist eigentlich nur die Introduktion zu einem großartigen Rondo, in dem dann kurz mal Jazzelemente aufblitzen – freilich längst nicht so radikal wie bei Jaroslav Ježek oder Erwin Schulhoff. Eine konsequente und geschickte Verarbeitung des Materials beherrscht sie vollkommen. Das dankbare und niemals oberflächliche Stück gelingt der Pianistin Amy I-Lin Cheng absolut überzeugend: kraftvoll, zugleich empfindsam in den lyrischen Passagen.

Die Suite en miniature aus demselben Jahr ist mehr als nur eine Instrumentation von vier älteren Klavierstücken – mit gravierenden, substanziellen Veränderungen. Das kurze Prélude de Noël entstand in nur einer Nacht, wurde sofort fürs Radio aufgenommen und Heiligabend 1939 gesendet. Den Höhepunkt der CD bilden dann allerdings die beiden Orchesterlieder – das erst 2006 entdeckte Smutný večer („Trauriger Abend“), anscheinend auf einen eigenen Text, sowie Kaprálovás sicher bedeutendstes Lied Sbohem a šáteček („Adieu und Tüchelchen“ – Text: Vítězslav Nezval). Hierin zeigt sich eine musikalische Reife, sowohl im Handwerklichen wie im präzisen, empathischen Nachspüren feinster emotionaler Momente der Lyrik, die es mühelos mit den besten Vertretern der Gattung dieser Epoche aufnehmen kann – zweifelsfrei echte Meisterwerke.

Der amerikanische Tenor Nicholas Phan verfügt nicht nur über die nötige Sensibilität für diese Klangwelt, sondern darüber hinaus über eine schöne, in allen Registern tragfähige Stimme, die einfach aufhorchen lassen muss. Nicht umsonst wurde der mit einem ungewöhnlich breiten Repertoire auftretende Künstler mehrmals für einen Grammy nominiert. Allein diese beiden Lieder würden den Rezensenten zu einer ausdrücklichen Empfehlung bewegen – die ganze CD erscheint fraglos als eine lang ersehnte Repertoire-Erweiterung, nicht nur für Freunde tschechischer Musik.

[Martin Blaumeiser, Januar 2022]

Der Symphoniker Jan Hanuš (1915–2004)

Smetana, Dvořák, Janáček und Martinů haben der tschechischen Musik zu Weltgeltung verholfen und sind aus dem Repertoire des abendländischen Musiklebens nicht mehr wegzudenken. Dennoch ist der reiche Schatz an Meisterwerken, die tschechische Komponisten hinterlassen haben, mit diesen großen Namen noch lange nicht erschöpft. Der nachfolgende Beitrag widmet sich einem der herausragenden Tonsetzer der jüngeren tschechischen Musikgeschichte: Jan Hanuš. 1915 gegen Ende der Habsburgermonarchie geboren und 2004 im modernen Tschechien gestorben, schuf er Opern, Ballette, geistliche Werken, Kammermusik und Orchesterkompositionen, darunter sieben Symphonien.

Jan Hanuš wurde am 2. Mai 1915 in eine hochmusikalische Prager Familie hineingeboren: Die Mutter war Klavierschülerin Zdeněk Fibichs gewesen, der Großvater mütterlicherseits, František Urbánek, prägte als bedeutendster tschechischer Musikverleger seiner Zeit das Musikleben Prags entscheidend mit. Durch ihn kam Jan Hanuš bereits als Kind mit dem Verlagswesen in Kontakt, eine Verbundenheit, die auch sein weiteres Leben bestimmen sollte. Das Familienunternehmen rettete er über die Zeit der deutschen Besatzung und den Zweiten Weltkrieg hinweg, bevor es 1949 von der kommunistischen Regierung verstaatlicht wurde. Seine dort erworbenen editorischen Fähigkeiten halfen Hanuš jedoch, sich auch unter den neuen politischen Verhältnissen über Wasser zu halten. Er wirkte an der Reihe Musica Antiqua Bohemica mit und war Gründungsmitglied der kritischen Gesamtausgaben der Werke Dvořaks, Fibichs und Janáčeks, außerdem Mitbegründer des Panton-Musikverlags (heute zu Schott gehörig), dem er von 1963 bis 1975 als Direktor vorstand.

Seine kompositorische Ausbildung erhielt Hanuš in den frühen 30er Jahren von Otakar Jeremiáš, dem Dirigenten des Prager Rundfunkorchesters. Frühzeitig entwickelte er ein ausgeprägtes Interesse an der Musik seiner Zeitgenossen und trat 1939 dem Vorstand der Gegenwart bei, der führenden Gesellschaft zur Pflege neuer tschechischer Musik. Damit begann sein lebenslanges Engagement als Musikvereinsmann. 1955 berief ihn der neugegründete Tschechische Komponistenverein zu seinem Sekretär, was er vier Jahre lang blieb. Daneben setzte sich Hanuš als Mitglied der Foerster-, Fibich- und Ostrčil-Gesellschaften auch für das Andenken dieser früheren Meister ein.

Jan Hanuš Leben beginnt mitten im Ersten Weltkrieg. Seine Jugend fällt in die Zeit der von Tomaš G. Masaryk geprägten Tschechoslowakischen Republik. Der Zweite Weltkrieg begann, als er 24 war. Zu Beginn der kommunistischen Herrschaft war er 33, an ihrem Ende 74 Jahre alt. Der Großteil seines Schaffens entstand also unter politischen Bedingungen, die Hanuš, der sich zur katholischen Religion und zum Humanismus bekannte, wenig günstig geneigt waren. Sein beruflicher Erfolg war vor allem in den frühen Jahren des Kommunismus offenbar das Ergebnis geschickter Ballanceakte und persönlicher Beziehungen. So vollendete er eine nachgelassene Oper seines jung gestorbenen Kollegen Vít Nejedlý und sicherte sich dadurch das Wohlwollen von dessen Vater, des Kultusministers Zdeněk Nejedlý. Er verstand es, den Herrschern zu geben, was sie wollten, und gleichzeitig sein Gesicht zu wahren. Die biographische Musikgeschichtsschreibung hat Jan Hanuš noch nicht für sich entdeckt. Sie dürfte hier auf einen Lebenslauf stoßen, der Parallelen zu demjenigen Schostakowitschs aufweist. Auch bei Hanuš lassen sich anscheinend versteckte Botschaften finden. So tragen seine Symphonien laut dem Werkverzeichnis in der MGG Überschriften, nach denen man in den zeitgenössischen Druckausgaben vergeblich sucht. Dass etwa der Komponist seine 1957 vollendete Dritte Symphonie „Die Wahrheit der Welt“ nannte, wurde in der Partitur nicht vermerkt, ebenso wenig erwähnt das nicht von Hanuš stammende Vorwort, das dem Werk eine Inhaltsangabe im Sinne der sozialistisch-realisitschen Kulturdoktrin beilegt, ihren Entstehungshintergrund und den Widmungsträger: Rudolf Margolius. Der Jurist und Jugendfreund des Tonsetzers, der nach dem Krieg in die Kommunistische Partei eingetreten und zum stellvertretenden Außenhandelsminister aufgestiegen war, wurde im Rahmen einer der letzten stalinistischen Säuberungen 1952 verhaftet und nach einem Schauprozess gehängt. Hanuš war der erste, der Margolius‘ sozial geächtete Witwe unterstützte. Auch bewies er Mut, indem er als einziger Kollege mit dem 1954 in die USA geflüchteten und in der Heimat als Unperson erklärten Komponisten Karel Husa weiterhin Briefkontakt hielt. Nichtsdestoweniger erhielt Hanuš hohe staatliche Auszeichnungen, so wurde er 1954 Verdienter Künstler und 1988 Nationalkünstler der Tschechoslowakei. Beide Titel gab er dem Staat 1989 aus Protest gegen die repressive Behandlung demonstrierender Studenten zurück und beteiligte sich daraufhin an der Samtenen Revolution. Václav Havel ehrte ihn 1999 mit der höchsten tschechischen Verdienstmedaille „Za zásluhy udeleni“. Jan Hanuš starb 89-jährig am 30. Juli 2004 in seiner Heimatstadt Prag.

Die künstlerisch aktive Zeit Hanušs dauerte etwa sechs Jahrzehnte, von seinen ersten kleineren Chorwerken aus den mittleren 30er Jahren bis zu seinem 1995 vollendeten Requiem. Angesichts dieser Zeitspanne verwundert der quantitative Umfang seines Schaffens, der sich auf über 120 Opuszahlen beläuft, nicht. Hanuš war nahezu auf allen Gebieten der Komposition tätig, von der Klavierminiatur bis zur abendfüllenden Oper. Auch der Filmmusik hat er sich zugewandt und etwa den französisch-westdeutschen Abenteuervierteiler Die Schatzinsel untermalt. Die weiteste Verbreitung dürften seine geistlichen Werke a cappella gefunden haben, insbesondere das Magnificat.

Der Komponist Hanuš ist grundsätzlich Traditionalist. Versucht man, ihn stilistisch einzuordnen, so lohnt ein Blick auf die tschechischen Meister der vorangegangenen Generationen. Als markanteste Künstlerpersönlichkeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts darf Leoš Janácek gelten, der mit seinen kurzen, der Sprache abgelauschten Phrasen eine völlig neue Schreibweise in die tschechische Musik einführte. Seine zur aphoristischen Formulierung und Repetition tendierende Musik bot einen Gegenentwurf zu Smetanas und Dvořaks breit ausgeführten Melodiebögen und der klassizistischen Verlaufsgestaltung vor allem des letzteren. Allerdings blieb Janáček, obwohl er rasch zu Ansehen gelangte, zunächst künstlerisch weitgehend isoliert, da seine jüngeren Zeitgenossen Josef Bohuslav Foerster (1859–1951), Vitěslav Novák (1870–1949), Josef Suk (1874–1935) und Otakar Ostrčil (1879–1935) auf den Errungenschaften Smetanas und Dvořáks aufbauten. Auch Hanušs Lehrer Otakar Jeremiáš (1892–1962) fühlte sich dieser Traditionslinie verpflichtet, während der Weg Janáčeks vor allem bei Pavel Haas (1899–1944) und Miloslav Kabeláč (1908–1979) eine Fortsetzung fand. Hanuš scheint am stärksten von Ostrčil geprägt worden zu sein, dessen Musik zeigt, dass Gustav Mahler seine eigentlichen Nachfolger weniger in Wien als in Prag gefunden hat: Ostrčils symphonische Werke knüpfen in ihrer polyphonen Anlage und Orchesterbehandlung direkt an die letzten Werke Mahlers an, sind dabei aber deutlich knapper gefasst als diese; melodisch dominieren lange, chromatische Linien, die die Tonarten eher umschreiben als bestätigen; die Harmonik ist entsprechend dissonant. All diese Eigenschaften zeichnen auch Hanušs Schaffen aus. Ausgehend von Ostrčils Methoden erkundet er die Möglichkeiten der Dissonanzen weiter, jedoch bleibt der Bezug zum Dur-Moll-System stets wirksam. Ebenso arbeitet er meist mit traditionellen Verlaufsmodellen wie Sonate, Variationen, Fuge etc.

Gleich einem roten Faden zieht sich die Reihe seiner sieben Symphonien durch Hanušs Schaffen. Die Erste, op. 12, Dolorosa genannt, datiert von 1942 und steht den Angaben des Werkverzeichnisses zufolge in E-Dur, wovon man allerdings wenig hört. Die chromatisch durchsetzte Melodik tendiert bis kurz vor Schluss nahezu durchgängig zu Moll. Kopfsatz, Scherzo und Finale des viersätzigen Werkes werden von Marschrhythmen und Fanfarenmelodik beherrscht. Man kann dies der Entstehungszeit zuschreiben, allerdings bleibt die Vorliebe für den Marsch im symphonischen Schaffen des Komponisten bis zum Schluss erhalten. Es ist der Marsch Mahlerschen Typus‘, der es Hanuš angetan hat, der unerbittliche Marschtritt der Revelge und der Sechsten Symphonie, der zahlreiche Symphoniesätze des tschechischen Meisters in Gang bringt. Die Besonderheit der Hanušschen Ersten liegt im dritten Satz, einer Vertonung des Stabat Mater, zu der das Orchester um eine Mezzosopranstimme erweitert wird. Die deutschen Zensoren bemerkten die Botschaft des jungen Symphonikers und untersagten die Aufführung. Das Werk konnte erst nach Kriegsende erklingen.

Im Gegensatz zu Nr. 1 erfüllt Nr. 2 op. 26 völlig die Erwartungen, die ihre Tonartangabe weckt: G-Dur dominiert das Werk, das nahtlos an die Musik Dvořaks und Suks anzuknüpfen scheint, nahezu unangefochten. Die Symphonie, zu der der Komponist vom Sonnengesang des Franz von Assisi inspiriert wurde, steht als verhältnismäßig dissonanzarm und diatonisch unter ihren Geschwistern einzig dar. Sie ist ein Dokument aus dem für tschechische Künstler sehr ungünstigen Jahr 1951. Hanuš begab sich hier in die Schranken der sozialistisch-realistischen Ästhetik, mit Erfolg, denn das Werk wurde preisgekrönt. Freilich hielten die Kulturfunktionäre den leisen Schluss des finalen Variationssatzes sehr zu Unrecht aus dogmatischen Gründen für schwach. Unabhängig von den Entstehungsumständen handelt es sich hierbei um eine ebenso meisterliche Komposition wie die Erste Symphonie. Der marschartige Kopfsatz ist nicht weniger geglückt, nur der Tonfall ist ein anderer. Gleiches gilt von dem Andante und dem von Furiantrhythmen geprägten Scherzo. Motivisch wird das Werk vom zweiten Thema des Kopfsatzes zusammengehalten, das dort nur eine untergeordnete Rolle spielt, aber in den Folgesätzen mehrfach auftaucht und schließlich das Finale völlig dominiert.

Die bereits erwähnte Dritte Symphonie d-Moll op. 38, zu Beginn der Entstalinisierung 1957 geschrieben, stellt in mancherlei Hinsicht einen Gegenentwurf zur Zweiten dar, der sie formal auffällig ähnelt. Auch hier steht eine Variationenreihe am Schluss, die auf ein Nebenthema des Kopfsatzes zurückgreift. Während Nr. 2 jedoch still und beruhigt ausklingt, mündet die Musik hier in einen grellen Blechbläserchoral. Hinsichtlich der Behandlung von Melodik und Harmonik geht Hanuš in der Dritten auf dem Weg weiter, den er in Nr. 1 eingeschlagen hatte. Charakteristisch ist gleich der Beginn des Werkes, wo über einem grundierenden D ein b-Moll- und ein verminderter C-Septakkord als Vorhalte zur Haupttonart genutzt werden.

Ab seiner Vierten Symphonie, seinem 1960 fertiggestellten op. 49, verzichtet Hanuš auf Tonartangaben. Scherzo und Finale des wie seine Vorgänger viersätzigen Werkes stehen stilistisch der Ersten und Dritten Symphonie noch sehr nahe, während der Komponist im Kopfsatz und besonders im langsamen dritten Satz über diese hinausgeht. Besonders letzterer zeigt eine Intensivierung seiner Schreibweise. Der Satz beginnt mit einem Fugato, dessen chromatische Linien die Harmonik in einem permanenten dissonanten Schwebezustand halten, was durch einen Mittelteil in klarem Dur, der an den Stil der Zweiten Symphonie erinnert, noch unterstrichen wird. Die Vierte trägt laut MGG den Titel Das Lied von Bernadette, dürfte also von Franz Werfels religiösem Roman gleichen Titels inspiriert sein. Wie die Überschriften der übrigen Symphonien Hanušs lässt er sich kaum im Sinne eines Programms verstehen und verweist wahrscheinlich nur auf den außermusikalischen Schaffensanstoß.

Waren die bisherigen Symphonien viersätzig, schreibt Hanuš 1965 seine Fünfte Symphonie op. 58 in fünf Sätzen, von denen die ersten vier den traditionellen Satztypen entsprechen. Den Abschluss bildet allerdings ein knappes Adagio, das als Fugato beginnt, dann in eine Passacaglia übergeht und nach einem Tutti-Höhepunkt leise ausklingt. Die Harmonik der Fünften ist auf Grundlage der in der Vierten angestellten Erkundungen gestaltet. Trotz aller Chromatik sticht Es als tonales Zentrum in den Ecksätzen hervor. Das metrisch sehr unregelmäßige Werk kann als Hanušs schroffste Symphonie gelten. Inspirationsquelle war diesmal die Bergpredigt.

Die 1978 vollendete Sechste Symphonie op. 92, betitelt Nacht ohne Mond, hat nur zwei Sätze, und das ist nicht das einzige ungewöhnliche Merkmal dieses Werkes. Hanuš zeigt sich hier von einer zuvor nicht gekannten experimentierfreudigen Seite, sowohl was den Verlauf, als auch was die Klanglichkeit betrifft. So wird der langsame Kopfsatz über weite Strecken von einer elektrischen Gitarre grundiert. Auch das Flexaton kommt zum Einsatz. Der bewegte zweite Satz entwickelt nicht die gleiche Antriebskraft anderer Allegrosätze Hanušs und wird mehrmals von langsamen Episoden unterbrochen, die auf den Kopfsatz zurückgreifen. Eine solche Reminiszenz beschließt auch das Werk. Zweifellos trägt diese Symphonie originelle Züge, der Komponist scheint mit ihr allerdings weniger zufrieden gewesen zu sein als mit seinen übrigen, was vor allem angesichts des Finales verständlich ist.

In seiner siebten und letzten Symphonie Die Schlüssel des Königreichs op. 116 bringt Hanuš 1990 zum ersten Mal seit seinem Erstling wieder die menschliche Stimme ins Geschehen, diesmal allerdings in Gestalt eines Chores nebst Solisten. Das dreisätzige Werk ist mit einer Spieldauer von etwa 45 Minuten die längste Symphonie des Komponisten – die übrigen dauern ungefähr 30 bis 35 Minuten – und nicht nur hinsichtlich Besetzung und Ausdehnung offenbar als krönender Abschluss seines symphonischen Schaffens konzipiert. Es beginnt mit einem rein instrumentalen Sonatenallegro, einem Marschsatz, der in Umfang und Intensität alles übertrifft, was Hanuš vorher an Ähnlichem geschrieben hat. Er verklingt überraschend im Pianissimo. Nun ergreift der Chor das Wort und stimmt das Te Deum an. Als Finale folgt diesem eine Vertonung der Seligpreisungen. In beiden Sätzen zeigt der Komponist auf vielfältige Weise seinen Einfallsreichtum in der Verwendung des Chorklangs. Anders als man es angesichts der geistlichen lateinischen Texte meinen könnte, fehlt es auch nicht an humoristischen Zügen, etwa wenn Hanuš auf dem Höhepunkt der Passage „Dominus Deus Sabaoth“ den Chor mit einem Glissando in die Tiefe stürzen lässt. Das Werk endet mit dem Preis der Friedfertigen, doch scheint der Frieden angesichts der den Schlussteil bestimmenden Chromatik und Dissonanzen eher erwünscht als bereits vorhanden zu sein.

Diskographisch steht es um Jan Hanušs Werk zur Zeit sehr schlecht, womit er unter den tschechischen Komponisten seiner Generation keineswegs allein dasteht. So ist von den Symphonien nur die Zweite auf CD greifbar, allerdings in einer mustergültigen Einspielung Karel Ancerls. Der als Folge 42 in der Karel-Ancerl-Edition von Supraphon erschienene Tonträger enthält außerdem noch die Orchestersuite aus dem Ballett „Salz besser als Gold“. Auf Folge 11 dieser Reihe findet sich (zusammen mit zwei grandiosen Orchesterwerken Miloslav Kabeláčs) die Konzertante Symphonie für Orgel, Harfe, Streichorchester und Pauken, die ebenfalls aus den frühen 50er Jahren stammt. Supraphon hat weiterhin zwei Kammermusikwerke, die Oboensonate und das Trio für Oboe, Harfe, und Klavier herausgebracht. Von anderen Firmen sind der Liederzyklus Hölzerner Christus (Český Rozhlas) und die gemeinsam mit Luboš Sluka geschaffene Filmmusik zur Schatzinsel (BSC Music) noch erhältlich. Angesichts der zahlreichen Rundfunkmitschnitte, die dem Verfasser dieser Zeilen vorliegen, ist dies eine bemerkenswert magere Ausbeute. Auch sind die offenbar nicht wenigen Supraphon- und Panton-LPs aus der Zeit des Ostblocks nicht ins CD-Format übertragen worden.

Aus dem tschechischen Musikleben ist Hanuš vor allem dank seiner Chorwerke nicht verschwunden. Auch wurden in den letzten Jahren einige seiner Symphonien erfolgreich wieder zu Gehör gebracht. Es bleibt zu hoffen, dass das zunehmende Interesse an traditionalistisch ausgerichteter Musik des 20. Jahrhunderts auch Hanušs Schaffen zu größerer Aufmerksamkeit verhelfen wird. Außerhalb der tschechischen Grenzen kann dabei von einer Wiederentdeckung nicht gesprochen werden. Es gilt, diesen Meister erst richtig zu entdecken! Ihn gerade als Symphoniker dem Repertoire der großen Orchester zuzuführen, wäre durch die Qualität seines Schaffens zweifellos gerechtfertigt.

[Norbert Florian Schuck, August 2021]