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Ewige Weiten

Das Trio Palladio spielt Klaviertrios des lettischen Komponisten Pēteris Vasks: Lonely Angel in Form der zweiten Reinterpretation eines Streichquartettsatzes, Episodi e canto perpetuo und Plainscapes in einem eigenen Arrangement von 2011 stehen auf dem Programm.

Die ewige Weite, die Melancholie und ein übersinnliches Moment zeichnen die Musik von Pēteris Vasks aus. Die Handschrift seiner Musik appelliert unmittelbar an das Innerste des Hörers, die Klänge entzücken und bringen uns in tranceähnlich meditative Zustände. Wen könnte diese sinnlich übersinnliche Musik kalt lassen?

Die Meditation „Lonely Angel“ ging um die Welt und versinnbildlicht die tiefe Sehnsucht von Vasks‘ Musik. Ursprünglich handelte es sich um den fünften Satz des Vierten Streichquartetts, 2006 arbeitete der Komponist diesen dann für Violine und Streichorchester um, was von Gidon Kremer uraufgeführt wurde (zudem gibt es eine grandiose CD-Aufnahme mit Alina Pogostkina und Juha Kangas). Für die vorliegende Produktion arbeitete Vasks das Werk erneut um, nun für Klaviertrio: diese Version erklingt zwar auf der Platte, wurde allerdings bislang noch nicht im Konzert aus der Taufe gehoben. Aufbrausender präsentieren sich die Episodi e canto perpetuo, ein knapp halbstündiger Kampf zwischen Licht und Dunkelheit und zudem das einzig genuin für Klaviertrio konzipierte Werk dieser Aufnahme. Vasks wagt sich an modernistische Effekte und tösende Klangfluten, verliert aber dennoch nie die unverkünstelte Ästhetik und die pure Schönheit der Musik. Plainscapes schafft eine Hyperbildlichkeit, wie wir sie sonst nur von Debussy oder Ravel erwarten würden, deren Klangsprache Vasks allerdings nicht einmal tangiert. Ursprünglich besetzt für Chor mit Instrumenten, beschreibt Plainscapes die Landschaft von Semgallen. Die Musik beginnt erneut mit einem „ewigen Gesang“, schwerelos und absolut magisch, bevor auch hier die Dunkelheit eintritt. Rhythmisch vertrackte Passagen mit gleichförmiger Gegenüberstellung von unterschiedlichen triolischen und duolischen Notenwerten formt die Landschaft.

Die Musik von Pēteris Vasks spricht durch sich selbst; den Musikern wird vor allem ein feines Gehör und innere Ruhe abverlangt, dem Fluss zu folgen, ohne zu stocken. Das Trio Palladio schwebt geradezu durch Lonely Angel und Plainscapes: ohne Härte und Widerstand trifft es den Kern der Tongebung und eröffnet so für den Hörer die Unendlichkeit dieser Musik. Grandios gelingen die auftürmenden Passagen in Episodi e canto perpetuo, die äußerst schwierig in der Darstellung sind: schnell verleitet einen die Musik dazu, zu hämmern oder vertikale Wucht walten zu lassen. Doch die Musiker bewahren sich erfolgreich davor und schaffen auch hier eine voluminöse Nachgiebigkeit, die der Musik Samtheit bis in die wilden Momente verleiht.

[Oliver Fraenzke, März 2020]