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Letzte Lieder

Capriccio, C5292; EAN: 8 45221 05292 2

Den „Schwanengesang“ D. 957 Franz Schuberts singt Bo Skovhus für Capriccio, sein Klavierpartner ist Stefan Vladar.

Das letzte Werk eines Künstlers wird traditionell als Schwanengesang tituliert, und wo passt dieser Ausdruck schöner als bei Schubert, dessen letztes Vermächtnis aus einer Reihe von Liedern besteht, die vermutlich zumindest teilweise zyklischen Zusammenhalt aufweist. Sieben Lieder nach Ludwig Rellstab und sechs nach Heinrich Heine finden sich im gleichen Autograph, ein letztes Lied von Johann Gabriel Seidl (Die Taubenpost), welches oft mit einbezogen wird, ist mit Sicherheit nicht für den Zyklus gedacht gewesen. Die heute übliche Zusammenstellung geht auf Tobias Haslinger, den Verleger Schuberts, zurück.

Bo Skovhus und Stefan Vladar fügen ihrer Aufnahme des Schwanengesang eigenmächtig weitere Lieder hinzu: Sehnsucht, Am Fenster und Wiegenlied aus dem Opus 105, Bei Dir allein aus dem Opus 95 nach Seidl sowie Herbst D 945 nach Rellstab. In ihrer Anordnung kommen zunächst die Seidl-Lieder, es folgen die Heine-Lieder und Rellstab setzt den Schlussstrich passend mit Abschied.

Aus der lang währenden Zusammenarbeit zwischen Bo Skovhus und Stefan Vladar sind damit CD-Aufnahmen der drei großen Liederzyklen Schuberts hervorgegangen, neben der Schönen Müllerin und der Winterreise nunmehr auch der hier vorliegende Schwanengesang. Es gibt hinreißende wie inspirierte Momente im Gesang Bo Skovhus’, der durch deutliche Textverständlichkeit besticht. Gut gelingen ihm gerade die trüben, verhaltenen Passagen, denen er stimmlich etwas geradezu Belegtes und Unheimliches verleihen kann. Hingegen verfallen die aufbegehrenden Passagen und Höhepunkte in einen flachen Opern-Gestus, der wenig zu den intimen Liedern Schuberts passen mag. Standardisiertes Vibrato und selbstdarstellerisches Dröhnen kompensiert den Eindruck der intim monologisierenden Welt, in die der Sänger uns zuvor zuvor mitgenommen hat.

Als Liedbegleiter erweist sich Stefan Vladar als aufmerksamer Zuhörer und kann auf seinen Partner adäquat eingehen. Dies überrascht positiv, gerade in Bezug auf seine letzten Aufnahmen als Konzert-Solist, in welchen nur rudimentäre Verbindung zu seinen Orchestermitstreitern erkennbar war. Verträumte Lieder wie das Wiegenlied D 867 erhalten so eine sanft erspürte Ruhe und stimmige Phrasierung. Je mehr sich die Stimmung allerdings aus der Intimität entfernt, desto eingeebneter, ruppig geschlagener und konturschwächer wird allerdings Vladars Spiel. Und doch ist erwähnenswert, wie sich sein Spiel insgesamt gewandelt hat, wie sein Ausdruck an der Seite eines Sängers selbst sängerischer wurde, und wie sich der Schwerpunkt von leerer Pianistik in Richtung sensibler Musikalität verlagert hat.

[Oliver Fraenzke, August 2017]