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Zwischen den Welten – Der Pianist und Komponist David Ianni

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David Ianni (Foto: Vito Labalestra)

Seine musikalische Heimat liegt außerhalb der uns heute geläufigen Kategorien – und ist doch tief in Traditionen und Genres verwurzelt: Der Pianist und Komponist David Ianni.

Der 1979 in Luxemburg als Sohn eines italienischen Vaters und einer luxemburgischen Mutter geborene Musiker genoss früh eine klassische Musikausbildung und schloss bereits mit 15 Jahren sein Klavierstudium ab, worauf er mit Liszt 2. Klavierkonzert debütierte. Noch vor seinem zwanzigsten Geburtstag nahm er zwei klassische Alben auf, wonach er sich allerdings von der Öffentlichkeit zurückzog, in eine Sinnkrise geriet und seine wahre musikalische Identität suchte. Dies brachte Ianni unweigerlich zum Komponieren, das ihn seit seinen frühesten musikalischen Studien in den Bann zog. Er stellte fest, dass das Schaffen einer eigenen Kunst seine eigentliche Aufgabe darstellt und nicht das bloße Wiedergeben bereits existierender Werke. Seitdem schrieb er weit über einhundert mit Opuszahlen versehene Werke, wobei dem Klavier eine zentrale Rolle zufällt, und auch der geistlichen Chormusik. Ein Oratorium und eine Kinderoper entstammen seiner Feder. Zwei CDs seiner Klaviermusik und zwei CDs mit Bearbeitungen gregorianischer Choräle für Chor und Klavier sind mittlerweile erschienen.

„Die Sehnsucht nach einer Musik, die ich nicht bei anderen finden konnte, hat mich von Anfang an angetrieben, meine eigene Musik zu schreiben“, erzählt David Ianni. Und tatsächlich ist seine Musik eine vollkommen eigene, die sich von traditionellen Stilvorgaben bewusst absetzt. Die Musik existiert zwischen den Welten, zwischen den klassischen wie romantischen Idealen einerseits und der aktuellen Populärmusik und Filmmusik andererseits, wobei teilweise auch weitere Elemente wie etwa Jazz oder Minimal Music hinzu kommen. Von den klassisch-romantischen Traditionen entstammt die spieltechnisch diffizile Virtuosität und Komplexität, außerdem lassen sich Einflüsse großer Instrumentalkomponisten wie Frédéric Chopin, von Meistern der Wiener Klassik oder russischen Komponisten finden. Die Harmoniegestaltung ist allgemein recht vielseitig und interessant, es begegnen einem bewusst eingesetzte Dissonanzen und plötzliche, unerwartete harmonische Umschwünge. All dies wird durch typische Elemente der Populärklaviermusik für die heutige Zeit aufbereitet, so treten etwa durchgehende repetitive Begleitfiguren auf, die Musik ist klar an der Taktstruktur ausgerichtet und „groovt“, die Akkordik schwankt durchgängig zwischen Dur und dazugehörigem Moll, was dem Ganzen den leicht fasslichen Pop-Anstrich verpasst. Leichtigkeit und Melancholie gehen in dieser Musik Hand in Hand. Doch die Einengung als reine Populärmusik wäre keineswegs zutreffend, Begleitfiguren und Melodiebögen sind länger und komplexer, außerdem ist die Musik spürbar anspruchsvoller für den ausführenden Musiker als etwa in stilistisch vergleichbarer Filmmusik üblich. Somit hebt Ianni die Pop-Sphäre auf ein außergewöhnlich anspruchsvolles Niveau, welches Klassikanhänger wie die Freunde entspannten Nebenbei-Hinhörens gleichermaßen ansprechen kann, er bringt die sonst einander so fremden Welten zum Verschmelzen. Nicht zuletzt in seinen Titeln ist das sichtbar, so komponiert David Ianni kurze „Songs“ ebenso wie großformatige „Sonaten“ – zentrale Werkformen beider Herkunft vereint er gleichberechtigt in seinen Konzertprogrammen und spielt sie mit einer angenehm fesselnden minimalistischen Schlichtheit und lichten Klarheit, ohne jedoch je musikalisch einförmig beziehungsweise undifferenziert zu werden. Die für seine Musik so typischen raschen und pianistisch anspruchsvollen Figuren präsentiert David Ianni am Klavier mit spielerischer Leichtigkeit. Komposition und Aufführung sind bei ihm absolut untrennbar und übereinstimmend im Ausdruck, als ein tänzerisches Gesamtkunstwerk.

Seine ihm selbst gestellte Aufgabe vor Augen, die Tiefe und Schönheit der menschlichen Existenz mit musikalischen Mitteln zum Ausdruck zu bringen, motiviert den luxemburgischen Pianisten immerzu, weitere neue Musik zu schreiben und seinem Ideal dabei jeweils ein Stück näher zu kommen. Wohin diese Reise führen wird, lässt sich nicht sagen, doch wird sie weiterhin die Grenzen der Stile sprengen, die Welten verbinden und neue Gefilde entdecken. Für den Zuhörer ist diese Gratwanderung schon jetzt ein zugleich spannendes wie entspannendes Erlebnis, außerdem eine harmonisch berührende, dem absoluten Schönklang verpflichtete Entdeckung, die man nur empfehlen kann. Musik, die jeder verstehen kann, die dabei kein bisschen primitiv ist und immer ihr subtiles Geheimnis bewahrt.

[Oliver Fraenzke, Januar 2016, München]
Erschienen in der „Slam!“ Luxemburg im März 2016