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Dänische Miniaturen im Energiesparmodus

Dacapo 8.226091; EAN: 6 36943 60912 5

Musik von Hans Abrahamsen ist auf der neuesten CD des dänischen Ensembles MidtVest zu hören: neben zwei Originalkompositionen, den 10 Preludes (String Quartett Nr. 1) und den Sechs Stücken für Violine, Horn und Klavier, auch Bearbeitungen von Erik Saties Trois Gymnopédies und Carl Nielsens Fantasiestücken op. 2.

Das bisherige Schaffen Hans Abrahamsens lässt sich klar in zwei Abschnitte untergliedern, die durch eine zehnjährige Schaffenspause voneinander getrennt sind. Der 1952 geborene Däne begann als äußerst inspirierter, vielseitiger und offener Komponist, der seinen eigenen Stil zwischen verschiedenen Einflüssen suchte und immer wieder auch fand. Er verschloss sich weder Formen und Ideen älterer Zeit, noch Einflüssen der „leichteren Muse“, und auch nicht neuen Techniken der Klangerzeugung. Vielleicht sind es gerade seine ersten großen Werke in den 1970er Jahren, die sein verblüffendes Talent am kraftvollsten bezeugen. So auch sein immer wieder gespieltes Erstes Streichquartett, das aus zehn vollkommen unterschiedlichen Präludien besteht, die in prägnanter Kürze kontrastierende Stile auskundschaften, bis das letzte beinahe Händel’sche Klangwelten aufstößt. In den 1980er Jahren hatte sich sein Stil gewissermaßen gefestigt, was ihn – wie in den Sechs Stücken für Violine, Horn und Klavier eindeutig zu vernehmen – aber auch die Spontaneität und nicht zuletzt die Originalität ein Stück weit verlieren lässt. In den 1990er Jahren schließlich kam der große Einschnitt, zehn Jahre lang gingen aus seiner Feder nur noch einige Arrangements hervor, wonach er zur Jahrtausendwende mit einem neuen, avantgardistischeren Stil wiederkehrte, der wenig von seiner ursprünglichen Energie und Aussagekraft weiterleben lässt. Aus der Zeit des Schweigens sind zwei Arrangements von Werken Saties und Nielsens zu hören, luzide im Klang und gar nicht überladen in der Instrumentation. Was alle zu hörenden Stücke eint, ist ihre miniaturistische Kürze, kein Satz überschreitet die vier-Minuten-Grenze.

Das Ensemble MidtVest gibt sich wenig Mühe, diese Stücke in ihrer janusköpfigen Schlichtheit zu verstehen. Die Noten werden buchstabiert und pflichtbewusst dargeboten, damit endet allerdings auch die Erarbeitung. Selbst die ganz kurzen Miniaturen bekommen keinen Zusammenhalt, Phrasierung ist ebenso Fehlanzeige wie empathisches Eingehen auf die anderen Stimmen. Am ehesten versucht noch Peter Kirstein an der Oboe, in Nielsen und noch mehr in Satie musikalisch etwas tiefer Enthaltenes zu finden, was jedoch sogleich von den Streichern nivelliert wird.

Nur weil ein Werk wenig bekannt ist, bedeutet das nicht, dass dem Hörer nicht auffallen könnte, wenn es leblos und „im Energiesparmodus“ dargeboten wird – leider wird derart jedoch viel zu häufig ein Werk fälschlicherweise als langweilig oder zusammenhangslos abgeurteilt, wenn es lediglich nicht adäquat gespielt wird. Als Beweis der Hochwertigkeit dieser Musik sei wärmstens die Aufnahme des Danish String Quartet des ersten Abrahamsen-Quartetts empfohlen (ECM 2453), die ganz andere Perspektiven eröffnet, als nach dieser Aufnahme auch nur erahnt werden könnte.

[Oliver Fraenzke, September 2017]