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Ein belgischer Komponist der besonderen Art

Robert Groslot: Matrix in Persian Blue, Works for  & with string quartet

Liesbeth Devos, Sopran; Jan Michiels, Piano; Asasello Quartet

TXA19123; EAN 4 250702 801238

Bekannt wurde Robert Groslot (Jahrgang 1951) zuerst als Pianist und Dirigent, bevor er in seinen späteren Zwanzigern zu komponieren begann. Schon sein „Rainfall in Pink City“ von 1979 war ein Erfolg. Groslot ist ein zutiefst unabhängiger Geist und lässt sich nicht in irgendeine Schublade stecken. So, wie das ein Musiker heute sein kann, wenn er sich nicht irgendeinem „Mainstream“ oder einer besonderen Modeströmung – ob alt oder neu ist dabei egal – anschließt.  So vermeidet seine Musik den unzugänglichen Elfenbein-Turm ebenso wie den Beifall der etablierten Musik-Kritik, die bemängelt, dass man ihn nicht einordnen kann wie so manche Sumpfblüte der sogenannten Moderne, was auch immer das sein mag.

Schon das erste Stück – er gibt seinen Stücken gerne poetische Titel, ohne eine konkrete programmatische Absicht damit zu verbinden – „Ce lac dur oublié que hante le givre…“ für Klavier und Streichquartett fängt mich vom ersten Ton an ein, und die Klänge, Linien, Verläufe und Verwebungen sind sofort fasslich und verständlich auf einer zwar durchaus auch intellektuellen, aber beileibe nicht abstrakt-denkerischen Ebene.

Dazu ist diese Musik viel zu lebendig und erlebt, Klavier und Streichquartett sind in ständigem belebtesten Austausch, möglichst viele rhythmischen und auch perkussiven Elemente kommen ins Spiel, die Register des Flügels werden von tief bis hoch eingesetzt, man merkt, dass der Komponist ein äußerst versierter Pianist ist, sich aber auch in den Gefilden der Musikgeschichte auskennt. Und so kommt diese Musik eben als das Spiel daher, als das sie ja vom Ursprung der Götter her gemeint ist.

Das zweite Werk, vier Lieder nach Gedichten von Stéphane Mallarmé (1842-1898) für Sopran und Streichquartett „Le bel aujourd’hui“, ist eine gelungene Mélange aus Stimme und den Klängen des Streichquartetts. Es reicht von rhythmisch vertracktesten Impulsen bis zu impressionistischen Klangflächen, alles sehr leicht und durchweg gelungen gespielt und gesungen von den fünf Musikerinnen und Musikern. Es ist durchaus nicht modernistisch atonal, immer ist der tonale Bezug da, spür- und hörbar, dennoch ist die Musik höchst originell und bewegend. Sogar der ab und an hochdramatische Gestus der Sopranstimme ist durchaus angemessen und stört – im Gegensatz zu vielen anderen ihrer Gesangskolleginnen – nicht nur nicht, sondern ist der Vortonung dieser Texte mehr als angemessen. (Und so etwas begegnet mir äußerst selten auf CDs, wenn es um hohe Sopranstimmen geht.)

Sein Streichquartett, das die CD beschließt, nennt Groslot „Matrix in Persian Blue“ und weist damit auf dieses in altpersischen Kacheln und Keramiken verwendete tiefe Blau hin. Schon der zurückhaltende Beginn fasziniert mit seiner Innerlichkeit, wie auch das ganze Stück.

Die Farbigkeit des Streichquartett-Klangs ist immer wieder überraschend, wo doch schon so viele Streichquartette im Lauf der Zeit – und die dauert nun doch schon fast vierhundert Jahre – komponiert wurden. Dennoch fallen dem Belgier Robert Groslot neue, unerhörte, so nie oder noch nicht vernommene Klänge und Möglichkeiten ein und auf. So unmittelbar faszinierend und zugänglich kann „moderne“ Musik – abseits von Musica viva und anderen elitären Zirkeln – sein, wenn ein wahrhaftiger Musiker und Komponist dahinter steht, der aus der vollen Möglichkeit unserer Zeit all das schöpft, was er zu seiner ureigensten Musik und für deren Aussage braucht.

[Ulrich Hermann, Juli 2019]

Musik als Sprachkonversation

TYX Art, TXA17094; EAN: 4 250702 800941

 

Cellowerke des 1951 geborenen Belgiers Robert Groslot bringt vorliegende CD. Das Programm beginnt mit Conundrum für Cello und Klavier, worauf die Unclouded Conversations für zwei Violoncelli folgen. Abgerundet wird die Aufnahme durch die Sonate für Cello Solo. Es spielen Ilia Yourivich Laporev am Cello, Ilia Laporev jr. als zweiter Cellist in Unclouded Conversations und Dasha Moroz am Klavier.

Konversation ist das Leitthema, das die drei Werke vorliegender Platte verbindet. Am deutlichsten wird dies in den zentral platzierten „Unclouded Conversations“ mit den Sätzen Fable, Debate, Pillow Talk, Questioning und Prophecy, doch auch die anderen Werke leugnen ihren Bezug zur Sprache nicht. Robert Groslot versteht musikalische Struktur wie eine gesprochene Konversationsstruktur, gegliedert in Sätzen, die ebenso aneinandergereiht werden können wie plötzlich abbrechen, sich überlagern und gegenseitig interagieren. Gleich einem unvorbereiteten Gespräch ist die Musik aus der Improvisation gedacht und legt Wert auf Verständlichkeit und Mitvollziehbarkeit für den Hörer.

Tatsächlich besitzt die Musik zwar eine durchhörbare Einfachheit und Klarheit des Aufbaus, doch fehlt in manchen längeren Sätzen ein übergeordneter Zusammenhang. So angenehm die Musik anzuhören ist, so schnell verliert man sich auch in den Weiten der sich auftuenden klingenden Welten. Nichtsdestoweniger gibt es hinreißende Passagen, die erfüllt sind von bezaubernden Ideen und innerlich erfühlten Klängen. Groslot weiß, mit den Instrumenten umzugehen und entlockt ihnen dankbare Effekte, die nie gegen instrumentenspezifische Natürlichkeiten verstoßen, wie man es eigentlich von der „Neuen Musik“, insbesondere der ab den frühen 1960er Jahren, gewohnt ist. Die Stücke bestehen aus aneinandergereihten und manchmal ineinander übergehenden Episoden, von denen viele sehr inspiriert sind. Für kommende Werke wäre noch zu hoffen, dass zwischen den Abschnitten stärkerer Zusammenhang herrschte, die Ideen untereinander metamorphisierten und in Beziehung zueinander träten.

Sehr beglückend ist die Leistung der agierenden Musiker, die sich spürbar mit dieser Musik auseinandergesetzt haben und ihren Teil zu einer gelungenen Einspielung beitragen. Höchst sensibel gehen sie auf die harmonischen Wendungen und melodischen Verläufe ein, versuchen auch, einen gewissen Zusammenhang herzustellen.

 [Oliver Fraenzke, September 2017]