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Die Klarinett’, die Klarinett’…

Paul Hindemith (1895-1963) Klarinetten-Konzert (1947); Jan Van der Roost (*1956) Klarinetten-Konzert ; Richard Strauss (1864-1949) Romanze in Es für Klarinette und Orchester

Eddy Vanoosthuyse, Klarinette; Central Aichi Symphonie Orchester; Sergio Rosales, Dirigent

Naxos 8.579010; 7 47313 90107 4

Von allen Holzblasinstrumenten ist die Klarinette schon seit langem mein Favorit, und das nicht nur wegen Giora Feidman. Das große Konzerte von Hindemith von 1947, zu dem damals Benny Goodman den Auftrag gab, und das  jüngere von Van der Roost, das dem auf vorliegender CD spielenden Solisten gewidmet ist, dazu eine Komposition des 15 Jahre alten Richard Strauss: wahrlich ein volles Programm.

Sowohl Solist als auch Orchester bringen zu Beginn eine Musik zu Gehör, die alle faszinierenden Seiten des Instruments voll Kraft und Spielfreude darstellt. Das viersätzige Werk von Hindemith spart nicht mit polyphonen Strukturen, die an einigen Stellen im Orchester noch klarer artikuliert werden könnten, aber im großen Ganzen ist die Musik auf der Höhe  des damals längst nicht mehr Bürgerschreck sein wollenden Komponisten. Sein Erfindungs-Reichtum in melodischer wie auch harmonischer Hinsicht ist unerschöpflich, und Eddy Vanoosthuyse legt eine herrlich zündende und feinsinnige Aufführung hin..

Das zweisätzige Konzert vom belgischen Komponisten Jan Van der Roost – der vor allem für Blechbläser ein reiches Œuvre vorzuweisen hat – ist dem Solisten gewidmet und beginnt mit einem langsamen Satz, der vor allem die gesanglichen und melancholischen Seiten der Klarinette hervorhebt. Während im zweiten Satz- giocoso e con bravura – alles an Möglichkeiten dieses singen, lachen und weinen könnenden Instruments effektvoll zur Geltung kommt. Der Solist ist in allen Registern gefordert. Das Orchester ist ihm adäquater Begleiter, farbig und rhythmisch breitet es dem Solisten das nötige „Silbertablett“ aus. Die  durchaus freitonale, aber nicht atonale Musik überzeugt in ihrer Klangsinnlichkeit nicht nur des Soloparts sondern auch im Orchestersatz.

Natürlich ist dem damals erst 15 Jahre alten Richard Strauss mit „seiner“ Romanze für Klarinette und Orchester bereits ein Meisterstück gelungen, das anzuhören einfach schön ist. Sowohl die dankbare Behandlung der Solostimme, die auch ein wenig an Weber erinnert, als auch der farbige Orchestersatz lassen den künftigen Meister-Komponisten erkennen.

Fazit: Eine gelungene Neuerscheinung mit einer überzeugenden Zusammenstellung und einem vortrefflichen Solisten aus dem Hause NAXOS.

[Ulrich Hermann, Januar 2017]

Oberflächlich präsentierte Nebenwerke

Emil Nikolaus von Reznicek
Idyllische Ouvertüre ‚Goldpirol’ (1903), ‚Wie Till Eulenspiegel lebte’ (1900), Konzertstück für Violine und Orchester E-Dur (1918), Präludium und Fuge c-moll für Orchester (1912), Nachtstück für Violine und Kammerorchester (1905)
Sophie Jaffé, Violine (Konzertstück)
Erez Ofer, Violine (Nachtstück)
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Marcus Bosch
cpo 777983-2 (EAN: 761203798322)

Aus dem spätromantischen Umfeld der Kapellmeistermusik, als deren Anführer Richard Strauss und Gustav Mahler herausragen, ist Emil Nikolaus von Reznicek einer der charmantesten, reichsten, humorvollsten. Wie es sich gehört, ist die Orchestration phänomenal, von schwindelerregender Virtuosität, und überhaupt ist die opulente handwerkliche Meisterschaft in allen Belangen staunen machend. Reznicek hat ja mit ‚Schlemihl’, dem ‚Sieger’ oder der f-moll-Symphonie einige wirklich originelle und auch ziemlich substanzielle Werke geschrieben, die wie viele andere bei cpo unter der sehr soliden Leitung von Frank Beermann erschienen sind. Das war insgesamt erfreulich. Bei dieser neuen Folge handelt es sich – außer dem recht umfangreichen Konzertstück – um Nebenwerke, die ungefähr so wichtig sind wie die Handgelenksübungen von Richard Strauss – also gekonnt, gewitzt, um keinen Einfall verlegen, immer geeignet, um die Sammlung zu ergänzen, und eben auch unwesentlich. Nicht alles, was ein Meister schreibt, muss vom Genie der Ewigkeit durchdrungen sein. Aber man könnte seine ungetrübte Freude damit haben, wenn die Ausführung dies ermöglichte. Doch genau da wäre zumindest die gelb-rote Karte zu zücken!

Natürlich können heutige Rundfunk-Orchester das alles, auch wenn es so kapriziös hin- und hergeht und schelmisch irrlichtert wie es eben typisch für Reznicek ist, doch bleibt der Eindruck dann auch fast ausschließlich an der Noten-Oberfläche. Marcus Bosch dirigiert flott, flott, durchaus routiniert. Zu sagen hat er – nichts. Und die Solistin Sophie Jaffé ist im dreiteilig angelegten Konzertstück nicht nur über Gebühr hervorgehoben, sondern kann inhaltlich nichts mit der Musik anfangen. So kommen nur Klischee-Eindrücke heraus, und es fehlt sowohl an suggestiver Gestaltung der Linie als auch an Feinheit des Ausdrucks. Da ist Erez Ofer – auch er viel zu sehr in den Vordergrund gerückt – im Nachtstück, das wie der langsame Satz einer Serenade anmutet, nun doch inniger bei der Sache, aber hat er wirklich eine Chance, damit auch das ganze Ensemble aus der Neutralität des kundigen Notenlesens heraus zu bewegen – nicht unter Bosch jedenfalls, der offenkundig unverbindlich bleibt. Die Ouvertüren ‚Goldpirol’ und ‚Wie Till Eulenspiegel lebte’ – letztere eine offenkundige Referenz an den verehrten Meister Strauss, der allerdings zu jener Zeit die Weichen Richtung ‚Salome’ stellte – sind gute, in der Länge dem Gehalt entsprechende Stücke, die eine mitreißendere, den Charakter ausdrücklicher entfaltende Darbietung verdient hätten. Und die eigentümliche ‚Fuge’ gerät unter Boschs Händen ganz mau. Hatte man nur einfach keine Zeit, sich zu vertiefen, oder auch gar kein Bedürfnis?

Die Aufnahmetechnik ist nicht nur hinsichtlich der unprofessionell isolierenden Zurschaustellung der Geigensolisten nicht auf dem erwarteten cpo-Niveau, der gut und übersichtlich informierende Begleittext von Michael Wittmann – der natürlich nicht so pfiffig unterhält wie in den vorangegangenen Folgen Rezniceks ‚alter ego’ Eckhard van den Hoogen – hingegen schon. Nun, was machen wir damit? Stellen wir das routiniert gefertigte Stück ins Sammlerregal und – so wir denn Noten lesen können – sehen uns erst mal nach den Partituren um!

[Annabelle Leskov, August 2016]