Naxos/British Music Society
8.571372
EAN: 747313137275
Orchestra of the Swan
Raphael Wallfisch (Cello)
David Curtis
Zugegeben: Qualitativ zählte John Ireland nicht immer zur absoluten Speerspitze der britischen Komponisten im 20. Jahrhundert, aber in seinen stärksten Momenten (z.B. Klavierkonzert oder das schön-schaurige sinfonische Gemälde „Legend“ nach einer schön-schaurigen literarischen Vorlage von Arthur Machen) hat er Musik geschrieben, die für jeden Liebhaber lyrischer Spätromantik mit einem Hang zum französischen Impressionismus unwiderstehlich erscheinen muss. Nun erscheint bei Naxos/British Music Society ein neues Album, das die Ambivalenz von Irelands Musik neu zur Diskussion stellt.
Dazu muss man vielleicht zunächst darauf eingehen, was es mit dem „co-labelling“ dieses Albums auf sich hat. Wie Liebhaber britischer Musik wissen, hatte die British Music Society jahrelang ein eigenes Label mit dem Kürzel BMS, das hierzulande kaum erhältlich war. Die Verkaufszahlen waren zuletzt so gering, das man auf die Methode „press on demand“ ausgewichen war, bei der eine CD erst dann gepresst wird, wenn eine Kundenbestellung vorliegt. Auch das klappte wohl irgendwie nicht so, wie sich das die Society vorgestellt hatte, und so kam Naxos als Partner, bei dem auch Raritäten ein Zuhause finden, wohl gerade zur rechten Zeit.
Aber zurück zur Musik, denn davon gibt es auf diesem Album einen bunten Strauß: Der etwas prosaische Albumtitel „Music for String Orchestra“ täuscht darüber hinweg, dass wir es hier mit nicht weniger als acht Werken zu tun haben, davon nur zwei Werke mit Spiellängen von mehr als 15 Minuten, der Rest sind kleinere Kompositionen. Es handelt sich beim Repertoire auf diesem Album zudem durchweg um Transkriptionen und Arrangements, meistens von Klaviermusik und Kammermusik.
So wurde Irelands Sonate in g-Moll für Cello und Klavier hier für Cello und Streichorchester gesetzt. Mit dem fabelhaften „Orchestra of the Swan“ und dem berühmten Cellisten Raphael Wallfisch sind Top-Kräfte am Start, die interpretatorischen Glanz en masse verströmen müssten. Der Vortrag gelingt jedoch „nur“ gut, vor allem weil Wallfisch und das Orchester nie als Interpretenteam erscheinen. Dies ist vielleicht ein Produkt des etwas „zerstückelt“ anmutenden Dirigats von David Curtis.
Kaum ist der Solist verschwunden, verströmen Gelegenheitswerke wie „Summer Evening“ oder „In a May Morning“ auf deutlich überzeugendere Art und Weise das schwere, patschulihafte Parfum, für das man Irelands Musikimpressionen entweder liebt oder ablehnt.
Vor allem „In a May Morning“ weiß zu gefallen. Ireland, der zugleich ein Naturbewunderer und dem Übersinnlich-Esoterischen zugeneigt war, zeigt hier ein schimmerndes Klangfarbenspiel, das von einem Moment auf den anderen von haarscharf am Kitsch vorbei schlitternden Kantilenen ein mysteriös klingendes Düsterreich tangieren kann, nur um die Komposition in schönstem Lyrismus zu beschließen, als sei nie etwas anderes dagewesen. Das eigentlich für Klavier geschriebene Stück klingt auf diesem Album übrigens, als sei es original für Streichorchester gemacht, was für die Qualität des dargebotenen Arrangements von Graham Parlett spricht.
Ähnliches könnte man über andere „kleine“ Stücke dieses Albums sagen, die wohl den am nächsten liegenden Kaufgrund für dieses Album darstellen. „A Dowland Suite“ (im Streichorchesterarrangement vom Komponisten selbst unter Mithilfe von Geoffrey Bush) ist typologisch artverwandt mit Gustav Holsts „St. Paul’s Suite“. Holsts Suite ist allerdings eleganter, schöner und, tja, auch einfach besser.
Kurz und gut: Dieses Album ist nicht schlecht, könnte aber besser sein. Das liegt einerseits an der dargebotenen Musik, die nicht immer zu Irelands Top-Ware zählt. Andererseits haben auch die Interpretationen noch „Luft nach oben“. Für Ireland-Fans, die alles brauchen, ist diese Platte aber sicherlich unverzichtbar, denn diese Streichorchesterarrangements gibt es nirgends anders, und sie sind auch spannend und interessant zu hören.
[Grete Catus, April 2016]