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Respighi aus dem Kleinstadt-Dom

Ottorino Respighi – Opera omnia per organo
Andrea Macinanti – Orgel, Archi dell’Academia Symphonicy di Udine – PierAngelo Pelucchi
Label: Tactus – Vertrieb: Naxos – Art.-Nr.: TC871803 / EAN: 8007194106121

Ottorino Respighi ist einer jener Komponisten, die Weltruhm aufgrund von nur wenigen Werken erlangt haben: Die prall farbigen, bildreichen Sinfonischen Dichtungen „Fontane di Roma“, „Pini di Roma“, „Feste Romane“, „Gli Ucelli“ sowie drei Suiten unter dem Titel „Antiche danze ed arie“ haben so ziemlich alles andere im durchaus umfangreichen Œuvre Respighis überstrahlt. Dabei war Ottorino Respighi ein versierter Komponist, der sich in fast allen bedeutenden Gattungen hervorgetan hat. Er schrieb etwa zehn heute kaum bekannte Opern, mehrere Ballettmusiken, eine Sinfonie, Kammermusik für diverse Besetzungen und Lieder.

Doch selbst überzeugte Respighi-Kenner dürften bei diesem Album des italienischen Labels Tactus überrascht sein, das ihnen ihren Lieblingskomponisten als Schöpfer von Orgelmusik vorstellt. Als wäre dies nicht schon ungewöhnlich genug, enthält das Album auch noch eine Komposition Respighis für Kirchenorgel und Streichorchester, die „Suite in Sol maggiore per istrumenti ad arco e organo“, die wohl zu Respighis neoklassischer Phase gerechnet werden kann.

Laut Ausweisung auf dem Cover handelt es sich bei allen Stücken um Welt-Ersteinspielungen, allerdings gibt das Label in den Aufnahmedaten 17 Tracks an, das Album hat aber nur 13 Tracks. Etwas nebulös…

Wie dem auch sei, die Musik, die hier vorgestellt wird, ist wirklich gut und setzt einen weiteren eindrucksvollen Pinselstrich in das Bild von Ottorino Respighi als einem Komponisten, dem trotz gemächlicher Wiederentdeckung in der jüngeren Vergangenheit noch immer nicht die volle Aufmerksamkeit zu Teil wird, die ihm gebühren würde: Sicher, Respighi war weniger „modern“ als Casella oder Malipiero, die mit ihm und Pizzetti zur sogenannten Generation der „Ottanta“ gezählt werden (so benannt nach den Geburtsjahren der genannten Komponisten, die alle um etwa 1880 herum geboren wurden). Doch er war ein handwerklich ausgezeichneter Komponist, der seine technischen Fähigkeiten immer auch mit einer hellwachen melodischen Inspiration verbinden konnte. Kurzum: Dieser Mann schrieb einfach gute Musik und sollte viel mehr gespielt und gehört werden.

Auf vorliegendem Album sind mehrere Einzelstücke, i.d.R. Orgelpräludien, drei mehrsätzigen Werken an die Seite gestellt. Der Booklettext aus der Hand des ausführenden Organisten Andrea Macinanti gibt zwar Aufschluss über Ort und Zeit der Komposition, leider aber kaum über die Umstände, die zur Komposition Anlass gegeben haben. Und so erfahren wir hier leider kaum etwas darüber, für welche Anlässe Respighi diese Musik geschrieben hat. Viele Stücke auf diesem Album scheinen durchaus als (freilich hochgradig anspruchsvolle und sehr virtuose) „Gebrauchsmusik“ im liturgischen Rahmen infrage zu kommen (wobei Respighi sich offensichtlich am Vorbild Max Regers abgearbeitet hat), während andere Stücke (nicht zuletzt die erwähnte, ziemlich unkonventionelle Suite für Kirchenorgel und Streichorchester) aufgrund ihrer merkwürdigen Faktur andere konkrete Anstöße für die Komposition vermuten lassen, über die man wirklich gern mehr gewusst hätte.

Macinanti erweist sich als ein wunderbar musikalischer Organist, der dieser Musik in jeder Hinsicht gerecht wird. Er verfügt nicht nur über die nötige Virtuosität, die diese Musik abverlangt, sondern auch über eine erfreulich musikdienliche Phrasierungsgabe, die die Zusammenhänge in den Kompositionen deutlich und zu wirklich herrlicher Musik werden lässt. Leider setzt sich dieser gute Eindruck nun so gar nicht fort bei dem für die Suite eingesetzten Orchester. Die Archi dell‘Academia Symphonica di Udine sind mit ihrem Part hörbar überfordert. Es macht sogar Mühe, sich das anzuhören, denn man hört leider die Mühe, mit der sich die Musiker durch die auch für das Orchester virtuose Partitur quälen mussten. Bei schnellen Stellen kollabiert das Ensemble stellenweise beinahe und vermag sich nur knapp wieder zu fangen.

Dies ist vor allem auch deswegen kein Vergnügen für den Hörer, weil die Aufnahmetechnik dieser Einspielung wirklich richtig gut ist und man alles trennscharf, quasi bis „in die Fingerspitzen“ heraushören kann (inklusive der fransigen Streicher). Die Orgel (übrigens ein wunderbar klangschönes Instrument aus dem Dom S. Maria Assunta der piemontesischen Kleinstadt Saluzzo) ist ohne störende Nebengeräusche wie Gebläse, usw. und mit beeindruckender Präsenz über das volle Frequenzspektrum, zumal mit dem genau richtigen Anteil an Raumhall eingefangen worden. Spitze! Genau so sollten Orgelmusik-Aufnahmen klingen!

Fazit: zu rd. 80% ist dieses Album eine ausgesprochene Empfehlung, leider macht die Suite für Streichorchester plus Kirchenorgel durch das amateurhafte Streichorchester, das mit seiner Aufgabe definitiv überfordert ist, die restlichen 20% zu einer weniger erfreulichen Veranstaltung. Trotzdem lohnt sich dieses Album für Respighi-Fans ebenso wie für Orgelmusikliebhaber. Hier gibt es herrliches Repertoire zu entdecken, das man nicht oft serviert bekommt.

[Grete Catus, Juli 2017]