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Kubanische Festivitäten

Am 10. März spielt die kubanische Konzertpianistin Yamilé Cruz beim Klavierzyklus von Piano Fies Riemerling Werke aus Europa und Kuba. Das Programm beginnt mit Robert Schumanns Faschingsschwank aus Wien Op. 26, worauf das erste Buch aus Isaac Albéniz‘ Iberia folgt. Die zweite Hälfte ist Kuba gewidmet, neben sieben Tänzen von Ignacio Cervantes ist die Suite Andalucia von Ernesto Lecuona zu hören, die Europa und die ‚Neue Welt’ vereint.

Die Konzertreihe von Piano Fies entwickelt sich immer mehr zu einem ambitionierten Großprojekt. Wo anfangs noch wenige Interessierte den Klängen etablierter Musiker lauschten, ist nun der kleine Konzertsaal in Riemerling (obgleich bereits in einen größeren Raum gewechselt wurde) stets bis auf den letzten Platz besetzt und die Wartelisten sind lang. Die Nähe zum Publikum wird großgeschrieben und die Atmosphäre ist vertraut, beinahe intim.

Am heutigen Abend ist es Yamilé Cruz Montero, die in diesem legeren Rahmen auftritt und die Hörer mit ihrem europäisch-kubanischen Programm verzaubert. Eingeführt wird traditionell von Frau Professorin Bianca Bodalia von der Musikhochschule München, die mit Charme und verständlich vermitteltem Fachwissen Einblicke in die dargebotenen Werke gewährt.

Zu Beginn direkt ein Highlight der Konzertliteratur, Schumanns Faschingsschwank aus Wien Op. 26, hochvirtuos und von klanglich-musikalischen Herausforderungen durchzogen. Die ersten Takte überraschen sogleich, denn Yamilé Cruz Montero stürzt sich nicht ungehalten ins Getümmel oder bietet eben nicht sofort höchste Kraft auf. Sie baut auf, verausgabt sich nicht bereits im ersten Ansturm, sondern erzeugt ein Kontinuum, das den Hörer durch das Werk trägt. So entsteht ein gewaltiger Bogen, der das gesamte Opus umspannt – dieser ist artikuliert wie ein einziger großer Spannungsverlauf, der sich über die lange Strecke auftut und genauso natürlich wieder schließt. So erhält der Schwank Stringenz und organischen Zusammenhang fernab der so häufig zu bewältigenden Richtungslosigkeit.

Nicht weniger erstaunlich ist Yamilé Cruz Monteros Aufführung der Iberia-Suite, aus welcher sie das erste Buch spielt. Vertraut ist die Suite in verträumt impressionistischer Manier, geprägt von effektvoller Konturlosigkeit und schillernden Farben. Solch nebulöse Aufgeregtheit scheint dem kubanischen Gemüt der Pianistin gegen den Strich zu gehen, und sie meißelt deutlich die rhythmischen Nuancen heraus, verleiht den drei Stücken Prägnanz und greifbare Form. Für enormen Farbenreichtum ist dabei ebenso Platz, nur nicht willkürlich ausgeteilt, sondern zu einheitlichem Fluss gebündelt. Dabei entfaltet Yamilé Cruz Montero ein weites Spektrum dynamischer Zwischenschattierungen, lediglich der Pianissimobereich wäre nach unten noch erweiterbar (dieser bleibt immer schwierig einzuschätzen, damit auch die hinteren Reihen noch jeden Ton vernehmen können, und außerdem mag auch sein, dass nicht jeder Flügel hier eine endlose Palette bereitstellt). Bei Iberia zeigt sich die ganze Vollendung ihres Anschlags, dem zwar die Kraft einer Löwin innewohnt, der diese allerdings feingliedrig korreliert und immer den Erfordernissen der Musik anzupassen vermag.

Ein wahres Heimspiel hat Yamilé Cruz Montero in der zweiten Hälfte des Konzertprogramms, die Werke der kubanischen Komponisten liegen ihr im Blut (die hier zu hörenden Stücke werden gemeinsam mit weiteren gegen Ende des Jahres bei Grand Piano auf CD erscheinen). Einundvierzig Tänze fasste Ignacio Cervantes zu einem Zyklus zusammen, woraus heute sieben zu hören sind. Es sind verspielte Miniaturen von überschäumender Lebensfreude, durchwoben mit rhythmischen Feinheiten und für das europäische Ohr erstaunlichen Skurrilitäten. Virtuoser und eher mit klassischen Modellen vertraut gibt sich die Musik von Ernesto Lecuona, der als kubanischer Gershwin gilt. Sie sechssätzige Suite Andalucia eint kubanisches Lebensgefühl mit spanischer Attitüde und den Ambitionen einer großen klassischen Komposition. Yamilé Cruz Montero geht ebenso intensiv im organischen Leben der Musik auf wie bei Schumann oder Albéniz, spielt mit feingliedrigem Bewusstsein über Form und Struktur, vernachlässigt auch nicht das lyrische Moment und besticht mit unerhörter rhythmischer Prägnanz. Eine großartige Musikerin.

[Oliver Fraenzke, März 2017]