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Ungeschlagen russisch

Channel Classics CCS 39517; EAN: 7 23385 39517 1

Violinmusik von Sergej Prokofieff hören wir auf vorliegender CD von Rosanne Philippens. Gemeinsam mit dem Sinfonieorchester St. Gallen unter Otto Tausk erklingt das Zweite Violinkonzert g-Moll op. 63, mit dem Pianistin Julien Quentin spielt sie die Fünf Melodien Op. 35bis und den Marsch aus Die Liebe zu den Drei Orangen Op. 33 in einem Arrangement von Jascha Heifetz sowie solo die Violinsonate D-Dur Op. 115. Das Orchester darf sich zudem mit der vom Komponisten stammenden Orchestration des zweiten Satzes aus der Vierten Klaviersonate Op. 29bis präsentieren.

Die Musik Sergej Prokofieffs strotzt vor Kraft und Potenz, mitreißenden Rhythmen und kühnen Harmonien. Es ist durch und durch russische Musik von ungeheurer Prägnanz. Die virtuosen Schwierigkeiten und die Wucht verleiten zahllose Künstler zu überstürzten, sich selbst übertrumpfenden und beinahe gewalttätigen Darbietungen, die zwar nicht selten der Uridee dieser Werke entgegenkommen, sie jedoch einseitig überspitzen und ohne jegliche Reflexion zugrunde richten. Umso erfreulicher gestaltet sich da die Aufnahme der niederländischen Violinistin Rosanne Philippens. Sie verleugnet in keinem Moment den so typischen Precipitato-Gestus und die Wuchtigkeit dieser Stücke, verleiht ihnen jedoch darüber hinaus Gediegenheit und Ausdrucksfülle der musikalischen Linie. Sie bringt einen weiblichen Touch in die Musik, der sich subtil in die charakterlich eher als männlich zu beschreibende Atmosphäre integriert und diese bereichert. Ohne, dass sie mit übermäßig Druck und Gewalt „schlagen“ oder dreschen würde, kann sie die Forte- und Fortissimopassagen mühelos stemmen und schmeichelt dem Ohr in lyrischem, nicht weniger bestimmtem Pianissimo. Sowohl im groß angelegten Violinkonzert als auch in den recht kurzen Sätzen der Solosonate oder der Melodien geht sie abgeklärt und reflektiert an die Gestaltung des Ganzen heran, woraus eine umfassende Beherrschung der Form resultiert. Ganz allgemein stürmt sie nicht sinnfrei durch die emotional sich auftürmenden Wellen hindurch und lässt sich eben nicht zu Medea-hafter Raserei aufstacheln, sondern betrachtet die Emotionen lieber aus wissender Distanz, um sie so umso glaubhafter und unmittelbarer auf den Hörer zu übertragen.

Durchaus musikalisch, wenn auch nicht so flexibel gewandt wie Philippens, trumpft das Symphonieorchester St. Gallen unter Otto Tausk auf, punktet mit luzidem Klang dank deutlicher Kontraste zwischen den Instrumentalgruppen. Julien Quentin überzeugt am Klavier in der feinen Abstimmung auf die Violinistin und durch singende Melodielineen, die tänzerisch die Geige umweben.

[Oliver Fraenzke, Januar 2018]