Claude Debussy: Klaviermusik zu vier Händen Vol. 2
(„La Mer“, „Images“, „Prélude à L’Après-Midi d’un faune“)
Jean-Pierre Armengaud, Olivier Chauzu
Naxos, Art.-Nr.: 8.573463; EAN: 747313346370
Jean-Pierre Armengaud und Olivier Chauzu stellen mit dieser CD Versionen der wohl bekanntesten Orchesterwerke Claude Debussys für Klavier vierhändig vor – und wissen mit einem eigenen Ansatz zu überzeugen.
Es ist häufig sehr interessant, wenn man Werke, die normalerweise in üppigen Orchesterbesetzungen bekannt sind, einmal in kleinen Besetzungen hören kann oder – in der oft wirkungsvollsten Form der Reduktion – als Klavierauszug. Was hört man da nicht alles neu, anders oder zum ersten Mal. Dicht orchestrierte Werke präsentieren sich von einer ganz neuen Seite und werden plötzlich „durchhörbar“, erscheinen dem Hörer plötzlich transparent.
Nicht selten hört man dann auch die vermeintlich bekannte Orchesterfassung nach einer solchen Hörerfahrung wie mit neuen Ohren und wundert sich, warum einem manche Details früher nie aufgefallen waren, die man erst durch das Hören der Klaviertranskription wahrgenommen hat.
So ging es mir kürzlich mit dieser CD, die drei der bekanntesten Orchesterwerke Claude Debussys in gleichermaßen transparenten wie klangsinnlichen Interpretationen durch die beiden Pianisten Jean-Pierre Armengaud und Olivier Chauzu vorstellt.
Armengaud gilt als Herausgeber von kritischen Editionen der Klaviermusik Erik Saties und Henri Dutilleux‘ als einer der herausragenden Experten für französische Musik des 20. Jahrhunderts. Als Interpret ist er bislang nur beim NAXOS-Label aufgefallen. Chauzu hingegen ist ein viel gefragter Duo-Partner, spielt zum Beispiel immer wieder Duo-Konzerte mit Nicholas Angelich und François Leleux.
Bleibt die Frage: Von wem stammen denn diese vierhändigen Klavierversionen großer Debussy-Meisterwerke wie „La Mer“, „Images“ und „Prélude à l’Après-midi d’un faune“? Sie stammen vom Komponisten selbst („La Mer“) sowie von André Caplet, einem etwas jüngeren Zeitgenossen Claude Debussys. Caplet ist ein Komponist gewesen, der in seinem eigenen Recht eigentlich eine Wiederentdeckung verdient hätte, der aber vor allem – und darum geht es hier – sein Handwerk auf das Beste verstand.
Jean-Pierre Armengaud und Olivier Chauzu wissen mit ihrem Spiel der vierhändigen Versionen von Debussys bekanntesten Werken unumwunden zu begeistern. Das Besondere an ihrer Darbietung ist, dass sie sich offenbar nicht an typischen Interpretationsansätzen orientieren, die man von Einspielungen der Orchesterwerke her kennt. Die beiden ziehen hier eindeutig einen eigenen Ansatz durch, und diesen kann man nur uneingeschränkt bewundern: In beeindruckender Klarheit und Synchronizität einerseits verschaffen sie dem Hörer eine völlige Werktransparenz, um andererseits mit einer – ich wiederhole diesen Neologismus gern – Klangsinnlichkeit zu beeindrucken, die wirklich begeisternd ist.
Das Glitzern der Sonnenstrahlen auf dem Meer, die deskriptiv-beschreibenden Inhalte dieser Musik (auch in den Images und dem Prélude finden sich zahlreiche solcher Momente), halte ich in diesen Versionen häufig für weitaus plastischer als in vielen der zahlreichen Orchestereinspielungen dieser Stücke.
Dass dies so ist, liegt an einer sehr persönlich gefärbten Darstellung Armengauds und Chauzus, die denjenigen der besten Dirigenten in nichts nachsteht. Diese Klavier-Darbietungen vermitteln ein tiefes musikalisches Einfühlungsvermögen sowie eine reichhaltige emotionale Palette und zeigen somit Eigenschaften, wie man sie bei Klavier-Duos leider zunehmend selten findet. Während mehrere andere Klavierduett-Besetzungen vor allem an technisch-mechanischen Meisterleistungen interessiert zu sein scheinen, sind Armengaud und Chauzu ein echtes Team, atmen und denken gleich und sind – ein nicht zu vernachlässigender Punkt – offenbar bestens auf einander eingespielt, haben alle Stücke auch bezüglich ihres musikalischen Gehalts top einstudiert.
Diese Produktion ist alles andere als ein Schnellschuss oder ein „nice to have“. Sie ist Kunst, wie sie schöner, tiefer, inniger empfunden kaum zu finden sein wird. Und sie stellt in sich einen Wert dar, der über den vordergründigen Aspekt der bloßen Klavierbearbeitung weit hinausreicht.
[Grete Catus, November 2016]