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Pastoralen, Blumen und armenische Trompetenmusik

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Quer durch drei Jahrhunderte erstreckt sich das Programm der Württembergischen Philharmonie unter Leitung von Chefdirigent Ola Rudner am 24. April 2016 im Herkulessaal der Münchner Residenz: Von Haydns Trompetenkonzert Es-Dur Hob.VIIe:1 von 1796 und Beethovens F-Dur-Symphonie, der Pastorale, über Mahlers Symphonischen Satz C-Dur mit dem Titel „Blumine“ bis zu dem As-Dur-Trompetenkonzert von Alexander Arutjunian, geschrieben 1941. Solist ist der norwegische Trompetenvirtuose Ole Edvard Antonsen.

Wagnerisch wird es direkt zu Beginn des Abends mit der „Blumine“ von Gustav Mahler. Der Satz, welcher ursprünglich Teil der ersten Symphonie werden sollte, weist solch signifikanten Parallelen zum Komponisten des Ring-Zyklus auf, dass man stellenweise fast meinen möchte, im Programm stehe ein falscher Name. Es ist ein beschauliches Stimmungsgemälde, in aller intendierten Bedeutungslosigkeit unfassbar schön und träumerisch. Weitaus substantieller dann das Trompetenkonzert von Joseph Haydn in Es-Dur Hob. VIIe:1, welches nicht zu Unrecht das wohl meistgespielte Trompetenkonzert überhaupt ist (wenngleich sicher auch aufgrund des schmalen Repertoires). Dieses Konzert schmeichelt dem Solisten auf der Es-Trompete in den schönsten Tönen in seiner ihm ureigenen Tonart. Das Instrument erhält höchst sangliche Kantilenen, dankbar virtuose Läufe und rhythmisch prägnante Themen. Von äußerstem Gegensatz in der harmonischen Spannung ist dazu das in etwa gleichlange Trompetenkonzert des Armeniers Alexander Arutjunian, jenes Werk des damals erst 21-jährigen, welches ihm zu internationalem Durchbruch verhalf und bis heute eines der wenigen oft gespielten Stücke des Komponisten ist. Es ist geprägt von den unverkennbaren Einflüssen armenischer Volksmusik, von östlichen Tonskalen und sowjetisch bunt orchestrierter, orientalisch anmutender Harmonik sowie von problemloser Verständlichkeit und Unbeschwertheit für Spieler wie für Hörer. Das letzte Werk des Abends ist die Pastorale, die Symphonie Nr. 6 von Ludwig van Beethoven in der Tonart F-Dur. Das Schwesterwerk der Schicksalssymphonie besticht durch seine malerischen Naturbilder, durch endlose Motivrepetitionen im Kopfsatz, durch unendliche Melodien im folgenden Andante sowie die fast erzählerische Abfolge der kommenden drei Sätze, die unmittelbar miteinander verbunden sind. Eine besondere Schau ist natürlich der mitreißende Sturm-Satz mit ungebändigten Läufen, tiefem Grummeln in Streichern und Pauken sowie der stürmisch zischenden Piccoloflöte, die einen ihrer ersten solistischen und für das Werk substanziellen Einsätze in der Musikgeschichte erfährt.

Über die Darbietung lässt sich kurz und knapp sagen, sie war ausgesprochen gelungen und überzeugend. Vor allem bei Beethovens Pastoral-Symphonie war sie direkt frappierend gut. Diese Symphonie ist bekannt dafür, als endlos sich dahinziehender Einheitsbrei aus thematisch in sich kreisenden Motiven zu erscheinen, welcher banal und entwicklungslos vor sich hinplätschert, wie es sogar bei den Spitzenorchestern gerne der Fall ist. Es ließ also sehr aufhorchen, wenn an diesem Abend endlich einmal die großen Spannungsbögen entfaltet werden und die Musik die Kraft der befreiten Entwicklung erleben darf. Ola Rudner lässt die Musik aus ihrer Natürlichkeit und Schlichtheit entstehen, verleiht ihr nicht zu viel Härte – auch nicht im Sturm – und sorgt doch für einen ansteckenden Schwung und prächtige Ausdrucksvielfalt. Dass manch hörenswerte und thematisch bedeutsame Stimme dabei nicht ganz zum Vorschein kommt, ist wie stets hauptsächlich der teils etwas schwer zu strukturierenden Instrumentation des Werks geschuldet, welche die Hauptstimmen teils sehr effektiv überdeckt. Der schwedischstämmige Dirigent Ola Rudner zeigt hier eindrucksvoll, dass man mit tiefergehendem Verständnis für das Werk es schaffen kann, aus dem Trott der ewig gleichen Wiedergaben herauszukommen und der Symphonie wieder neues, frisches und unverbrauchtes Leben einzuflößen.

Auch in den anderen Programmpunkten überzeugen Orchester und Dirigent auf hohem Niveau, vermitteln Anmut und feinen Glanz in Mahlers Blumine und geben dem Solisten Ole Edvard Antonsen einen flexiblen Widerpart zu seinen Solostimmen. Außergewöhnlich anzusehen für so große Hallen sind die Gesten von Ola Rudner, die sehr innig, kompakt und komplett ohne Schielen auf außermusikalischen Effekt erscheinen, anstatt das von den meisten Dirigenten praktizierte publikumshascherischen Show-Gehabe zu präsentieren.

Einen wahren Star an der Trompete hat sich die Württembergische Philharmonie an das Solistenpult geholt, Ole Edvard Antonsen. In den zwei so verschiedenen Konzerten demonstriert er die verschiedenen Facetten seines Könnens und ist auch, wie seine pittoreske Zugabe „Fanfare“ zeigt, ebenso für zirkushaften Spaß und Hochseilartistik zu haben. Hervorzuheben ist sein unbeschreiblich ausgereiftes Spiel mit Distanzwechseln, sein Klang kann quasi direkt beim Hörer sein, aber auch in der Nähe vor der Bühne stehenbleiben oder gar wie hinter dem Podium befindlich erscheinen – zwischen diesen Ebenen kann er ohne Luft zu holen changieren. Im Haydn behält ein sanglicher und offener Ton in sprühender Farbigkeit und Lebendigkeit die Oberhand, bei Arutjunian differieren die diversen Tongebungen natürlich viel mehr und er stellt unter Beweis, auch zerbrechlich-zurückgezogen oder extrem auftrumpfend-anstachelnd spielen zu können. Mit technischer Makellosigkeit ausgestattet brilliert Antonsen in Lockerheit und bewusst gesetzter wie angenehmer Distanz zu den Stücken, die er zwar von seiner inneren Beteiligung her auskostet, aber emotional  nicht in ihnen zu versinken droht.

Die Württembergische Philharmonie unter Ola Rudner zeigt sich herausragend auch als Begleiter, mit ausgereiftem musikalischen Verständnis – hieran sollte sich manch eines unserer A-Orchester ein Vorbild nehmen!

[Oliver Fraenzke, April 2016]