Schlagwort-Archive: Nimrod Borenstein

Was die Welt im inneren zusammenhält

Chandos, CHSA 5209; EAN: 0 95115 52092 5

Vladimir Ashkenazy dirigiert Orchesterwerke von Nimrod Borenstein. Das Violinkonzert mit der Solistin Irmina Trynkos steht neben dem groß angelegten „The Big Bang and Creation of the Universe“ und dem vergleichsweise eher kürzeren „If You Will It, It is No Dream“.

„The Three pieces featured on this CD differ in size and character, but my humble hope is that whilst you listen to them your first thought will be ‚Borenstein‘, just as when you hear an unfamiliar piece by a composer you already know you think ‚Beethoven‘, ‚Chopin‘, or ‚Prokofiev‘ – because you recognise something unique to its creator. […] When I started to write my Violin Concerto, I was determined to create a large-scale piece for the violin repertoire, to continue in the line of imposing, ‚big‘ concertos by Brahms, Sibelius, or Shoshakovich – a challange particularly dear to me as a violinist.“, schreibt der Komponist im Begleitwort zu vorliegender CD.

Ja, lieber Herr Borenstein, wie Recht Sie doch haben und wie es mir nach nur wenigen Takten schon kam: Hier haben wir einen neuen Beethoven, einen Fortführer der jahrhundertealten Tradition westlicher Kunstmusik, der sich seinen Thron inmitten all der Giganten auch och selbst setzt. Wie unvergleichlich Ihr ureigener Ton, wie hinreißend jeder melodische Einfall und wie famos doch Ihre Erfindungsgabe ist, die mir als Hörer sogleich alles in neuem Licht erstrahlen ließ. Welch eine Entdeckung, die ab sofort ausschließlich neben Mozart, Schubert, Sibelius und dergleichen gehört zu werden beanspruchen darf.

Nein, lieber Herr Borenstein, verzeihen Sie meinen Ausflug ins Ironische. Doch müssen Sie selbst zugeben, dass es etwas anmaßend erscheinen kann, sich selbst neben einigen der unbestritten größten Komponisten zu platzieren. Zumal alle von Ihnen angeführten Komponisten Meister der Kontraste sind, die in jeder Miniatur und in jedem noch so langen Einzelsatz alle entgegenwirkenden Kräfte in Beziehung halten und aus dieser Spannkraft heraus in die jeweiligen Extrema führen können, um große Zusammenhänge zu erschaffen, während Sie selbst eingestehen, dass Ihnen das Schaffen solcher in einem einzigen Satzjenseits der Alternative, unterschiedliche Sätze aneinanderzureihen, schwerfällt („this length [of ten minutes] poses a specific challenge. In longer works like concertos or symphonies the composer has the advantage of being able to create contrasts by having a succession of movements of different speeds and atmosphere. Ten minutes is too short a time for such a luxury and a way of creating variety must be found.“ Nimrod Borenstein zu “ If You Will It, It is No Dream“).

Keineswegs soll damit gesagt sein, dass die Musik des 1969 geborenen Nimrod Borenstein minderwertig sei, lediglich die überhebliche Attitüde, die sich nicht zuletzt in seiner Themenwahl – The Big Bang and Creation of the Universe – äußert, verfehlt ihre prätendierte Durchschlagskraft und bietet Angriffsfläche für Spott. Tatsächlich gibt es Spurenelemente einer individuellen Note in den drei Kompositionen, wenngleich diese recht platt von bestimmten Klangeffekten wie dem exzessiven Gebrauch des Vibraphons herrührt. Und dies alleine macht keinen großen Komponisten aus. Ansprechend sind die wiedererkennbaren thematischen Gebilde, die sich durch die Werke ziehen und diesen eine gewisse Anmutung von Struktur verleihen – wobei sie noch etwas zu willkürlich verstreut erscheinen. Die Musik ist farbenfroh und angenehm anzuhören, jedoch nicht wirklich aufregend oder sonderlich spannungsgeladen. Ein übergeordneter Spannungsbogen stellt sich noch nicht ein.

Die Musiker spielen allesamt hoch routiniert und mechanisch einwandfrei, geben sich keine Blöße, musizieren allerdings in entsprechender Weise uninspiriert und ohne bemerkenswerte Konzentration auf musikalische Aussage, sondern produzieren unter dem berühmten Ashkenazy letztlich lediglich hochprofessionell-stumpfe Perfektion.

[Oliver Fraenzke, Oktober 2017]