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Mehr als reiner Nachhall

NEOS 21704; EAN: 4 260063 217043

Piccolo Concerti Grosso: Wolfgang Amadé Mozart, Matthias Mueller; Zurich Chamber Orchestra, Willy Zimmermann (Konzertmeister), ensemble remixed, Matthias Mueller, Michael Collins (Bassettklarinetten)

Werke mit und von Matthias Mueller finden sich auf der CD „Piccolo Concerto Grosso“. Beim Bassettklarinettenkonzert KV 662 von Wolfgang Amadeus Mozart spielt Mueller die Solopartie und wirkt dazu bei seinen eigenen Werken mit: Dem titelgebenden Piccolo Concerto Grosso für zwei Bassettklarinetten und Orchester sowie dem Octet. Wir hören das Zurich Chamber Orchestra unter ihrem Konzertmeister Willy Zimmermann sowie im Piccolo Concerto Grosso Michael Collins als zweiten Bassettklarinettsolisten. Das Oktett erklingt mit dem ensemble remixed.

In Matthias Mueller entdeckt man einen Komponisten, der etwas auszusagen hat. Leicht könnten seine Werke voreilig in die Schublade des Neoklassizismus gesteckt werden, hinter Hindemith, Graener und Milhaud; doch ein genauer Blick reicht, um zu erkennen, dass Muellers Werke in einem durch und durch eigenen Stil geschrieben stehen. Die Musik Muellers bezieht sich auf die großen Komponisten der Klassik: Im Piccolo Concerto Grosso dient Mozart als Quelle der Inspiration und das Octet entstand als Ergänzung zu Schuberts großem Opus für die selbe Besetzung; eine Reduktion hierauf wäre allerdings falsch. Mueller schreibt in einem frischen und lebhaften Stil voller Kontraste, der von vorne bis hinten formal geschlossen ist. Die Musik besitzt kluge und bedachte Konzeption, die einzelnen Instrumente kommen ausnahmslos zur Geltung und jedes von ihnen spielt eine tragende Rolle; im Piccolo Concerto Grosso wirkt das Orchester mehr als Widerpart zu den beiden Solisten denn als Begleitung. In diesem Werk greift Mueller die barocke Form des Concerto Grosso auf und aktualisiert sie, setzt sich dabei spielerisch mit Problemen der Aufführung alter Werke auseinander, der vorletzte Satz beispielsweise kämpft mit der mitteltönigen Stimmung und deren Problematik in der Modulation. Es bedarf keine Techniken und Spielweisen, die moderner sind als das Bartók-Pizzicato, um Muellers Werke modern klingen zu lassen: Es ist die Unverbrauchtheit und geistige Präsenz in jeder Wendung, die Mueller von zahllosen anderen Komponisten unserer Zeit abhebt.

Als Klarinettist spielt Mueller fein und klar, legt besonderen Wert auf die reine Intonation anstelle der heute oft gebräuchlichen gleichschwebenden Temperierung. Die jahrzehntelange Auseinandersetzung mit Mozarts Klarinettenkonzert KV 622 und die ungebrochene Liebe zu dieser Musik zahlen sich in der Darbietung aus, bis auf wenige mir unverständliche Akzentuierungen in der tiefen Lage kann man nichts an Muellers reflektiertem Spiel aussetzen. Ihn begleitet das Zurich Chamber Orchestra mit Willy Zimmermann am Konzertmeisterpult, welches aktiv aufeinander hört und aus einem Atem musiziert. Matthias Mueller verschmilzt klanglich mit seinen Mitspielern, sei es im Ensemble Remixed oder mit seinem Concerto Grosso-Partner Michael Collins.

[Oliver Fraenzke, Oktober 2018]

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