Eugene Zador
Festouvertüre (1963)
Variationen über ein ungarisches Volkslied (1919)
Tanz-Symphonie (1936)
Budapest Symphony Orchestra MÁV
Mariusz Smolj
Naxos 8.573274, EAN: 747313327478
Neben vielen anderen Vorzügen, ist das Schöne am Label Naxos, dass es einen immer wieder auf erstaunlich gute Musik von erstaunlich unbekannten Komponisten aufmerksam macht. Mir ging es zuletzt so mit diesem Album mit Musik des ungarisch-amerikanischen Komponisten Jenő Zádor, der nach seiner Emigration in die USA den Namen Eugene Zador annahm. Eine sehr positive Überraschung!
Jenő Zádor wurde 1894 in Südungarn nahe der Grenze zu Kroatien geboren. Zur historischen Einordnung: Zádor ist damit einige Jahre jünger als Béla Bartók und Kodály. Musikalisch war er jedoch weniger progressiv, blieb stets in einem spätromantischen Duktus, den er allerdings mit seinen zum Teil hoch dramatischen Kompositionen bis an die Grenzen der Tonalität aufplusterte.
Zádor war in Wien Student Max Regers und wurde dort 1921 selbst Musikprofessor. Später wechselte er an die Franz-Liszt-Musikakademie Budapest und kehrte somit in sein Heimatland zurück.
Im Zuge der Bedrohung Ungarns durch das Terrorregime der Nazis ereilte ihn dasselbe Schicksal wie zahllose andere osteuropäische Musiker und Komponisten: Er musste in die USA emigrieren. Wie viele andere Komponisten bestritt Zádor dort sein Leben mit Filmmusik. Allerdings komponierte er sie nicht, wie uns die englischsprachige Wikipedia weismachen will (einen deutschen Wikipedia-Eintrag für Eugene Zador gibt es übrigens noch nicht), sondern er war mit der Orchestrierung der Musik anderer, namhafterer Komponisten beschäftigt.
Und so arbeitete Zador fleißig mit an etwa Miklós Rózsas Jahrhundertsoundtrack „Ben Hur“ sowie am Soundtrack anderer Monumentalfilme der 1960er-Jahre wie „El Cid“ oder „König der Könige“, ohne dass sein Name je im Abspann dieser Filme aufgetaucht wäre. Denn für die Nennung im Abspann waren Leute wie Zádor den Studios von Hollywood scheinbar schlicht nicht wichtig genug. Zador war also einer der vielen Lohnarbeiter, die sich mit musikalischer Routinearbeit herumplagen mussten, und das zu einem höchstwahrscheinlich sehr kargen Salär.
Abseits der Filmmusik war der Ungar wohl in erster Linie Opernkomponist. Aber seine mindestens 12 Opern (die so spannende, Neugier erregende Namen tragen wie „Yehu, eine Weihnachtslegende“, „X-mal Rembrandt“, „Die scharlachrote Mühle“ oder „Der magische Stuhl“) werden heute nicht mehr gespielt.
Naxos hat inzwischen aber einige Alben mit Instrumentalmusik Eugene Zadors im Programm. Dieses brandneue ist jedoch das erste, durch das ich auf diesen interessanten Komponisten aufmerksam wurde. Es enthält mit der Festouvertüre von 1963 ein Spätwerk des 1977 in Hollywood verstorbenen Komponisten, ein Frühwerk (Variationen über ein ungarisches Volkslied von 1919) und ein sinfonisches Hauptwerk („Tanz-Symphonie“ – in der Zählung der Symphonien Zadors die Nummer 3 – von 1936) aus seiner Zeit als Musikprofessor in Budapest.
Die Musik Zadors wirkt für uns, denen der musikalische Blick in den Rückspiegel mit einer Fernsicht offensteht, die Generationen vor uns logischerweise nicht hatten, eigentlich von Beginn seiner Karriere an sehr filmmusiktauglich: Bei seinem Studium in Wien hatte sich Zador offenbar stehenden Fußes in neckische Geigerglissandi verliebt, die bis zuletzt ein Markenzeichen seiner Musik blieben und die der spieltechnisch oft mit höchsten Schwierigkeitsgraden einhergehenden Sinfonik dieses Komponisten eine verschmitzte Leichtigkeit verliehen. Selbst in der mit haarsträubend schwierigen Orchesterparts einhergehenden „Tanz-Symphonie“ von 1936 scheint der Himmel voller Geigen zu hängen – während den Musikern wahrscheinlich die Schweißperlen auf der Stirn stehen. Vor dem inneren Auge des Hörers läuft dazu ein nie gedrehter Schwarz-Weiß-Film ab.
Selbst Zadors frühe „Variationen über ein ungarisches Volkslied“ klingen schon wesentlich kosmopolitischer als es Bartók oder Kodály bei ihren ähnlich gelagerten Werken je waren. Trotzdem begeistert diese Musik auch durch einen Personalstil. Hat man sich in den quirlig-verspielten und irgendwie „zackig“ klingenden Stil Zadors erst einmal hineingehört, fällt es schwer, Vergleiche zu ziehen. „Klingt wie…“ funktioniert hier nicht. Zador hat seine eigene musikalische Handschrift gehabt, und das offenbar von Beginn seiner kompositorischen Karriere an.
Das Budapest Symphony Orchestra MÁV ist leider mit der komplexen Orchestrierung zum Teil deutlich überfordert. Hier müsste ein Spitzenorchester ran, das an allen Pulten mit exzellenten Musikern besetzt ist. Das ist das Budapest Symphony Orchestra MÁV leider nicht. Dirigent Mariusz Smolj hatte womöglich auch nicht genügend Probezeit zur Verfügung, um aus seinem Orchester etwas anderes herauszuholen, als eine Art von „Durchlavieren“ durch die mit jeder Menge spieltechnischer Untiefen gespickten Partituren. Alles in allem ist die Leistung aber noch gut und vermittelt zudem einen gewissen authentischen Charme, der mir persönlich manchmal viel besser gefällt als eine blitzeblank polierte Leistung, der aber die „Seele“ fehlt.
Fazit: Zador war ein Meister in der Beherrschung des musikalischen Handwerks. Er hat einen ausgeprägten Personalstil gehabt und eine eigene „Handschrift“. Das, in Verbindung mit der einfach spannenden und unterhaltsamen Art, die seine Stücke auszeichnet, ergibt eine äußerst reizvolle Musikmixtur, die mich spontan und nachhaltig begeistert hat.
Kompositorisch im Sinne der „musikalischen Erfindung“ ist Zador zwar nicht zur „A-Liga“ der Komponisten seines Landes zu zählen, gleichwohl gebührt ihm eigentlich ein höherer Rang, als er ihn heute, wo sein Name praktisch komplett vergessen ist, einnimmt. Die Einspielung durch das Budapest Symphony Orchestra MÁV mag Schwächen haben, entzückt aber auch mit einem authentischen Charme, der ebenso liebenswert wirkt, wie die eingespielte Musik.
[Grete Catus, Januar 2016]