Dynamic, CDS7774; EAN: 8 007144 077747
Maristella und Mario Patuzzi spielten für Dynamic die vierundzwanzig Capricci für Violine solo von Niccolò Paganinis mit der Klavierbegleitung von Robert Schumann ein.
Es ist einer der wichtigsten Etüdenzyklen für das Instrument Violine überhaupt: Die vierundzwanzig Capricci Op. 1 des „Teufelsgeigers“ Niccolò Paganini – vielleicht vergleichbar mit Chopins Etüden Op. 10 und 25 für Klavier. Mit halsbrecherischer Virtuosität werden in Miniaturformen die wichtigsten und schwierigsten sportlichen Höchstleistungen verlangt, die sich ein Streicher nur vorstellen kann – dabei kann teils ein wahrer Mikrokosmos entstehen und Fragmente (damals) neuer Welten tun sich auf. Es ist ein bunter Farbkasten der Zurschaustellung, die dem Virtuosen vieles abverlangt.
Maristella Patuzzi wagt sich für Dynamic an den gesamten knapp achtzigminütigen Zyklus. Doch bleibt beim Hören nicht wirklich viel hängen, es plätschert einfach so vor sich hin. Es gibt keine große phrasenformende Ausgestaltung, die Dynamik bleibt recht eintönig und der Ausdruck oberflächlich. Hin und wieder darf es gerne auch einmal kratzen und quietschen, aber das sind wir ja von Dynamic – gerade in Kombination mit Paganini – schon gewöhnt. Allgemein herrscht kein wirklicher Schönklang der Violine vor, nie darf sie wirklich „singen“, sondern muss sich in angestrengt-anstrengender Manier dem Extremsport hingeben.
Robert Schumann schrieb eine recht harmlose Klavierbegleitung zu dem Zyklus, die sich hauptsächlich auf simple Akkordbegleitung beschränkt, und nur an zwei oder drei Stellen kurzzeitig an Eigenständigkeit gewinnt. Inhaltlich avancieren können die Capricci dadurch nicht, die Begleitung erspart eher im Konzert dem Pianisten eine Pause, wenn der Violinsolist alleine mit Paganini prahlen will. Hier spielt Mario Patuzzi den Klavierpart, bleibt dabei bewusst ständig zwei Stufen hinter Maristella Patuzzi und versucht, weitestgehend unauffällig zu bleiben – was auch gelingt. Sein Spiel ist schlicht, ohne übermäßige Ausgestaltung, konzentriert sich ausschließlich auf die Ausführung der simplen Akkordgrundlage.
Wer dabei ist, wenn eine Geigerin möglichst schnell über ihr Instrument huscht, der kann vielleicht seine Freude aus dieser Aufnahme ziehen. Wer aber diese Stücke mit Schumanns Begleitung wirklich lebendig, sensibel, tonschön und fesselnd erleben möchte, dem empfehle ich nachdrücklich die Aufnahme mit Ingolf Turban und Giovanni Bria bei Claves.
[Oliver Fraenzke, November 2016]