Schlagwort-Archive: Kurt Weill

Der sanfte Rebell

Ars Produktion Schumacher, ARS 38 275; EAN: 4 260052 382752

Auf dem Album „Stories …“ spielt das Thomas Leleu Trio Musik zwischen Klassik, Jazz, Chanson, Latin und ganz anderen Einflüssen, ohne dass es in eine Schublade eingeordnet werden könnte. Auf dem Programm stehen Kompositionen von Thomas Leleu, Tom Jobim, Kurt Weill, Carlos Gardel, Erik Satie, Reynaldo Hahn, Johannes Brahms, Joseph Kosma, Michael Legrand und Georges Moustaki, viele davon arrangiert durch Laurent Elbaz. Das Trio besteht aus Thomas Leleu an der Tuba sowie in zwei Titeln als Sänger, aus Kim Barbier am Klavier und Kai Strobel am Vibraphon.

Von der Aufmachung her könnte das Album „Stories …“ vom Thomas Leleu Trio beinahe auf eine Rockband schließen lassen: Aufgenommen in einem heruntergekommenen Haus sitzt Leleu mit hochgegelten Haaren in Lederjacke und Chucks lässig auf einem Sofa, um ihn herum die keck wirkende Pianistin Kim Barbier und der leger in Shirt und Jeans gekleidete Perkussionist Kai Strobel. Nur die Tuba bringt uns auf die richtige Fährte. Leleu gilt als Rebell, als einer, der sämtliche Stile und Genres frei vermengt, als „nicht klassisch genug für die Klassik-Liebhaber und zu klassisch für die anderen“. Und diesen Ruf lebt er auf vorliegender CD voll aus!

Das Trio besteht aus Tuba, Klavier und Vibraphon; die zunächst eigenartig wirkende Besetzung funktioniert jedoch einwandfrei. Leleu entlockt seiner Tuba einen ausgesprochen sanften und obertonreichen Klang, der das Blech golden glänzen lässt. Dies mischt sich wunderbar mit den sphärischen Tönen des virtuos und brillant-präzise gespielten Vibraphons. Das Klavier kontrastiert die anderen Instrumente durch gewollte Prägnanz im Anschlag und Markigkeit. Schade, dass der Vierte im Bunde nur auf der Innenseite Erwähnung findet: Der Arrangeur Laurent Elbaz, der in „Halton Road“ auch als Pianist in Erscheinung tritt.

Das Programm von „Stories …“ umfasst Eigenkompositionen und eingängige Melodien verschiedener Komponisten, von denen man oft zwar die Stücke, nicht aber die Namen kennt. Laut Thomas Leleu ist für diese CD Kurt Weill der zentrale Angelpunkt, da er eine Verbindung schafft zwischen seiner Heimat und seine Wahlheimat und stilistisch ebenso frei agiert wie er selbst. Die Stilvielfalt der Aufnahme reicht von Brahms‘ Wiegenlied über Leleus „Latin Suite“ bis zu Saties „Je te veux“ und „La dame brune“ von Barbara – Georges Moustaki.

In ihren Darbietungen glänzt das Thomas Leleu Trio durch feinfühlige und differenzierte Herangehensweise. Die Musiker erarbeiten jedes Stück anders, gehen auf die unterschiedlichen Stile eigen ein und haben sich intensiv mit ihnen auseinandergesetzt. Das Spiel des Trios zeichnet sich durch Farben- und Facettenreichtum aus, durch große Sanftheit und innig empfundenes Gefühl. Die Stücke liegen den Musikern am Herzen und sie wollen etwas Eigenes aus ihnen hervorbringen, das zwar der niedergeschriebenen Musik treu ist, zeitgleich aber in diesem Rahmen das Neuartigste und Rebellischste erkundet und ans Licht des Hörerlebnisses bringt.

[Oliver Fraenzke, März 2019]

Spiel der Gegensätze

conditura records, conre005; EAN: 4 260401 710014

Unter dem Titel „Lachen und Weinen“ vereinen Katja Stuber und Boris Kusnezow Lieder von Franz Schubert, Kurt Weill und Paul Hindemith.

Es ist ein Spiel der Gegensätze, zwischen Lachen und Weinen – betitelt nach dem gleichnamigen Klavierlied Schuberts -, das sich in den für diese Einspielung ausgewählten Liedern auftut. Romanzen, Träume, ernüchternde Erkenntnisse, Wahnsinn, Verlust, Unentschlossenheit – all das steckt in den Vokalwerken der drei stilistisch geradezu diametral entgegengesetzten Komponisten, die hier vertreten sind: Schuberts zwischen Freude und Trauer changierende frühe Romantik, Hindemiths eigenwillige Finesse und Weills französischsprachiges Schmachten.

Ein sehr eigenes, aber durchaus angenehmes Timbre charakterisiert die Stimme von Katja Stuber. Sie singt auf locker spielerische Art gerade heraus, verbindet aufrechtes Selbstbewusstsein mit beinahe kindlicher Unbekümmertheit und Frohsinn. Dabei verliert sie nie die Kontrolle über ihren Gesang und gibt einer natürlichen Gestaltung Raum, die vollkommen organisch wirkt. Bei Schubert und bei Weill kann sie mit dieser Art trumpfen und die Lieder auf vielschichtige Weise darstellen. Bei Hindemiths Liedern op. 18 haucht Stuber die Töne mehr, verschleiert den direkten Ton zugunsten einer mysteriösen Verhangenheit, die den höchst gespannten Miniaturen ein magisch eigenes Flair verleiht. Frau Stuber singt meist recht gut verständlich, nicht zuletzt aufgrund ihres unmittelbar direkten Ausdrucks frei von Verkrampfung und mit nur sparsamem Vibrato.

Den gleichwertigen Widerpart bietet Boris Kusnezow am Klavier, der zu einer unzertrennlichen Einheit mit Katja Stuber verschmilzt. Er spielt in schlichter Manier, ohne sich zu sehr in Details zu verlieren, hat dafür ein spürbares Bewusstsein über den Fluss der Musik und den harmonischen Bau. Er lässt die Sopranistin in der Höhe glänzen und bildet dabei stets eine gute Basis für ihre Höhenflüge. In den mit dem Gesang gedoppelten Passagen wird besonders deutlich, wie gut die Musiker aufeinander abgestimmt sind, wie sie gemeinsam atmen und wie sanglich auch Kusnezow spielt.

[Oliver Fraenzke, November 2016]