Julius Röntgen
Werke für Violine und Violoncello (3 CD-Box)
Label:
Art.-Nr.: CTH2628/3, EAN: 4003913126283
Musik für Solostreicher ist unter musikalischen Laien häufig als schwierig und akademisch verrufen. Während das bei der Musik Johann Sebastian Bachs wahrscheinlich vor allem daran liegt, dass man zwar sehr viele aber verschwindend wenige wirklich gute Aufnahmen seiner Musik für Solovioline und -Cello findet, so liegt es bei musikgeschichtlich späteren Komponisten durchaus wohl auch manchmal daran, dass diese sich beim Messen mit ihrem großen Vorbild Bach, einfach als untalentiert und uninteressant herausstellten. Monolithen wie die Solosonaten des Belgiers Ysaÿe sind eben das, was sie sind: Monolithen – herausragende Ereignisse der Musikgeschichte, echte Jahrhundertwerke, die nun einmal nicht alle Tage und von jedem komponiert werden.
Wenn dann ein CD-Label daherkommt, und erklärt, man habe praktisch unbekannte Musik für Solostreicher anzubieten, die sich auch mit großen Vorbildern der Gattung messen kann, dann ist Skepsis selbst dann angebracht, wenn als Komponist Julius Röntgen einem vom Cover anschaut. Mit entsprechender Skepsis ging ich also diese Box an: Solomusik für Violine und für Cello sowie für die Kombination aus beiden Instrumenten, und das auf drei CDs. Was würde mich da erwarten?
Einerseits ist in einem solchen Fall davon auszugehen dass der Komponist es wirklich ernst meinte, und sich intensiv mit der Gattung Solostück auseinandergesetzt hat. Andererseits verheißt das, ehrlich gesagt, auch Mühsal: drei CDs mit Musik für Solostreicher. …und schon war auch ich den gängigen Klischees verfallen. Zu viel bekommt man wohl als Rezensent auf den Tisch, was der Erwähnung eigentlich streng genommen nicht wert ist.
Zum Glück wurde ich bei dieser Box eines Besseren belehrt. Vor allem die Musik für Solo-Cello ist hier erwähnenswert. Julius Röntgen hat außerordentlich inspirierte, eigentlich für ein breites Publikum genießbare Werke komponiert, die von der Cellistin Katharina Troe wirklich begnadet dargeboten werden. Mit viel, viel Musikalität, einem sicheren Händchen für flüssige Phrasierung, und einer Innigkeit, die man bei Musikern heute nur selten findet, macht sie vor allem für CD 2 dieser 3-CD-Box zu etwas ganz Besonderem. Hier trifft die stärkste Interpretin dieses Sets auf die stärkste Musik, die Röntgen für Solostreicher komponiert hat.
Auf CD 1 liefert Oliver Kipp ebenfalls einen guten Job ab, wirkt aber vor allem aus technischer Perspektive manchmal um eine Nuance bemüht. Dieser leichte Makel wird jedoch auch von Kipp durch eine Musikalität und Hingabe wettgemacht, die in heutiger Zeit einfach etwas Besonderes ist.
Auf CD 3 spielen beide im Duo, was allerdings offenbart, dass es sich da um zwei recht unterschiedliche musikalische Typen handelt. Auch den Klang der Instrumente finde ich im Duo nicht ganz zueinander passend. Kipp spielt eine brillante, „Stradivari-like“ klingende Violine, Katharina Troe hat einen Celloklang, den ich als „samtig“ beschreiben würde, etwas zurückhaltender, vielleicht auch mit ein wenig Understatement gesegnet, was mir an ihr sehr gut gefällt.
Bleibt abschließend die Frage, ob man diese Box, die immerhin rund 45 € kostet, auch kaufen sollte. Und ich würde sagen: das sollte man auf jeden Fall! Röntgen erweist sich als ein sehr interessanter Komponist. Im Gegensatz zu vielen anderen aus der Zeit, die ihre Hörer mit Solowerken plagten, hatte Röntgen wirklich etwas beizusteuern. Wenn er sich am Vorbild Bach rieb, und das ist durchaus nicht in allen Werken der Fall, die auf dieser CD erklingen (Gott sei Dank!), so hatte Röntgen wirklich etwas zur Musikgeschichte hinzuzufügen, so blitzte die Inspiration dieses ungewöhnlichen Komponistentalents auf und bildete eine eigene, starke Stimme aus. Während mich persönlich aber die symphonische Musik Röntgens nie wirklich berühren konnte, hat es diese, auf das einzelne Streichinstrument reduzierte Kammermusik vom ersten Ton an geschafft.
Ich bin begeistert, und empfehle deshalb diese wunderbare Musik jedem Hörer, für den Musik mehr ist, als bloße Hintergrundbeschallung. Diese CD-Box wird viele Jahre zu begeistern wissen und hiterlässt dankbare, beglückte Hörer. Man kann sich mit diesen Werken immer wieder neu beschäftigen, und von der Interpretation wird man definitiv nicht enttäuscht. Insofern sind die 45 €, die diese Box kostet, eine Investition im besten Wortsinne: Man kann über die Zeit nur gewinnen.
[Grete Catus, März 2016]