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Urgewalt aus Tschechien

Supraphon, SU 4221-2; EAN: 0 99925 42212 7

Streichquartette der Wiener Klassik sind vom Vlach Quartett (Josef Vlach, Václav Snítil, Josef Kod’ousek und Viktor Moučka) in historischen Aufnahmen für Supraphon zu hören. Neben Mozarts d-Moll-Quartett KV 421 spielen die vier Tschechen die Quartette Nummer eins bis sieben sowie vierzehn von Ludwig van Beethoven.

Nachdem Supraphon im vergangen Jahr mit den „Legendary Recordings“ des Tschechischen Kammerorchesters unter Josef Vlach eine wahrhaft „legendäre“ Wiederentdeckung gelungen ist, legen sie nun nach: Auf vier CDs sind Streichquartette von Mozart und Beethoven mit dem Vlach Quartett zu bewundern. Durch Aufnahmen aus drei Jahrzehnten wird die lange Blütezeit der vier Musiker umfangreich dokumentiert. Gerade der Blick auf diese bekannte Standardliteratur legt den enormen Unterschied zwischen dem tschechischen Quartett unter Josef Vlach und der großen Mehrheit routinierter und zumeist uninspirierter Darbietungen mittelprächtiger Musiker offen.

Die Quartette werden durch und durch mit Energie erfüllt, das spannungsgetragene Knistern wird förmlich spürbar. So voller Feuer und doch in höchstem Grade sensibel und feinfühlig! Jede noch so scheinbar beiläufige Wendung erhält Leben und Sinn, jede Wendung wird nachvollziehbar und souverän durchschritten. Schwerfälligkeit ist nicht im geringsten zu vernehmen, die Quartette erstrahlen in spielfreudiger Gelassenheit und vor allem in einem: in Natürlichkeit. Hier werden Urgewalten geweckt, die unartifizieller nicht ausgedrückt werden könnten. Geradezu scheint es, als würden die Werke erst im Spielen entstehen, wobei eine innere Logik alle Quartette von der ersten bis zur letzten Note zusammenhält.

Es gibt wenig hinzuzufügen zu diesen exzellenten Aufnahmen, angesichts deren überragender Qualität ich mir mehr Vergleichbares wünschen würde. Hier wird deutlich, was Intuition und Liebe zur Musik in Kombination mit intensivster Arbeit an musikalischen Belangen ausmacht. Es entsteht etwas, das über rein mechanische Perfektion und technische Aspekte wie auch über genauestes und bewusst durchstrukturiertes und ausgehörtes Zusammenspiel – was zweifelsohne hier gegeben ist – hinausgeht: Es entsteht wahrhaft Musik.

[Oliver Fraenzke, Oktober 2017]