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Orgeltranskriptionen

querstand (Klassiklabel der Verlagsgruppe Kamprad), vkjk 1402; EAN: 4 025796 014020

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An der Orgel der Jesuitenkirche St. Michael München spielt Peter Kofler Orchester- und Klavierwerke in Transkription. Zu hören sind die Suite Nr. 2 aus Daphnis et Chloë von Maurice Ravel in Bearbeitung von David Briggs, die populäre Suite zu Maeterlincks Pelléas et Mélisande op. 80 von Gabriel Fauré in einem Arrangement von Louis Robilliard, Saint François de Paulemarchant sur les flots (Arr. Lionel Rogg) und die Symphonische Dichtung Prometheus (Arr. Jean Guillou) von Franz Liszt sowie eine eigene Bearbeitung von Claude Debussys Clair de Lune.

Trefflicher könnte der Titel dieser CD des in Bozen geborenen Organisten Peter Kofler nicht den Inhalt auf den Punkt bringen: „Transkriptionen“. An der Orgel der Jesuitenkirche St. Michael zu München wagt Kofler sich an Transkriptionen bekannter Orchesterwerke von Ravel, Fauré und Liszt, die allesamt durch komplexe Vielschichtigkeit und Ausnutzung des kompletten Orchesterapparats bestechen. Höhepunkt des Ganzen ist selbstverständlich die enorm diffizile Suite Nr. 2 aus Daphnis et Chloë von Maurice Ravel mit ihren weitläufigen und stets im Fluss befindlichen Begleitfiguren, die ein gesamtes Orchester auf eine harte Filigranitäts-Probe stellen.

Die Transkriptionen der Orchesterwerke sind im Großen und Ganzen recht gelungen, das prioritäre thematische Material ist meist gut durchhörbar und wichtige Begleitfiguren bleiben erhalten. Dass gerade bei Ravel einige nicht ganz unentbehrliche Stimmen verloren gehen müssen, ist unvermeidlich, doch fällt dies zu keiner Zeit ausgesprochen unangenehm auf. Alle Bearbeitungen sind darauf angelegt, den Orchesterklang möglichst vielseitig und plastisch wiederzuspiegeln und den reichen Tutti-Klang für einen einzelnen Spieler zu imaginieren.

Peter Kofler meistert seine Aufgabe als gesamtes Orchester mit Bravour und spielt die unvorstellbarsten Stimmgewirre in klarer Deutlichkeit und Schlichtheit. In Ravels erster Daphnis et Chloë-Suite erreicht er einen sehr weichen, sanften und fließenden Klang, der sanft verwischt, ohne ins Nebulöse abzugleiten. Teils gestaltet es sich gerade im ersten Teil, Lever du jour, als schwierig, wichtige Themen herauszuheben aus der schier erdrückenden Klangmasse. Doch vor allem ab der Pantomime gelingt es, immer wieder hell strahlende Akzente zu setzen, die sich aus dem nivellierenden Gewaber an Stimmen absetzen. Gegen dieses imposante Werk wirkt die Suite aus Pelléas et Mélisande op. 80 von Gabriel Fauré sehr beschaulich mit ihrer einprägsamen Thematik und ihren leicht-beschwingten kurzen Sätzen. Vor allem die Sicilienne ist nicht zu Unrecht ein wahrer Publikumsliebling geworden durch ihre höfisch-feine Marnier, in der zarten Zurückhaltung und dem introvertierten Gestus voll inniger Emotion. Kofler nimmt hier die Register stark zurück, um einen durchhörbaren Ton zu erzielen, welcher der tänzerischen Schlichtheit entspricht. Wieder pompöser sind die beiden Werke aus der Feder von Franz Liszt in ihrer harten Bodenständigkeit und Wuchtigkeit des Tuttis realisiert. Auch hier sorgt Kofler für klare Linien und Durchhörbarkeit der einzelnen Stimmen, anstatt auf rauschend verschwimmenden Orgeleffekt zu setzen. Zuletzt gibt es noch eine kleine Transkription eines Klavierwerks, welches es bedauerlicherweise nicht einmal in die Nennung auf dem Cover geschafft hat: Clair de Lune von Claude Debussy. Anfangs macht es die instrumentenspezifisch undifferenzierbare Dynamik einer Orgel sehr schwierig, die Oberstimme deutlich herauszuhören, da die Liegetöne die unscheinbare Bewegung überlagern. Mit dem Fortschreiten des Stücks treten jedoch alle Stimmen zusehends ans Licht. Ein Wiederschein des Klavierklangs ist in keinster Weise herauszuhören, anders als bei den restlichen Werken der CD kreiert die Transkription ein Stück mit eigenständig charakteristischem Klang, der die Originalbesetzung eben nicht nachzubilden versucht.

Kofler achtet auf eine hohe Plastizität und Vielseitigkeit der Tongebung in allen Werken, er hat sich in der Registrierung spürbar auch mit dem Orchesteroriginal auseinandergesetzt, um dieses in seiner vollen Pracht und großer Spannweite auf seinem Instrument erblühen zu lassen. Die Register sind größtenteils äußerst trefflich gewählt. Auf alle Fälle liegt hier ein spannender Versuch vor, bekannte Orchesterliteratur als einzelner Spieler möglichst umfassend darzustellen – ein Versuch, der interessanterweise auf einen der hier zu hörenden Komponisten zurückgeht: auf Franz Liszt, der seinerzeit alle Beethoven-Symphonien möglichst originalgetreu für Klavier setzte. Die Erweiterung dessen liegt nun hier mit Werken von und nach Liszt für Orgel vor.

[Oliver Fraenzke, April 2016]