Im Kubiz Unterhaching spielt das Bruckner Akademie Orchester am 6. November 2016 das Erste Cellokonzert von Camille Saint-Saëns und die Dritte Symphonie, die „Eroica“, Ludwig van Beethovens. Dirigent ist Jordi Mora, Solistin im Cellokonzert Mariona Camats.
Mit wallend rotem Kleid erscheint die erst neunzehnjährige Mariona Camats auf der Bühne, positioniert sich und startet direkt in die heiklen Solopassagen des hochvirtuosen ersten Cellokonzerts a-Moll op. 33 von Camille Saint-Saëns. Es ist bemerkenswert, mit welcher Sicherheit und Leichtigkeit die aus Barcelona stammende Cellistin ihre Stimme meistert, wie gewandt sie selbst in den höchsten Lagen agiert und wie spielerisch sie zwischen virtuoser Bravour und innig erfühltem Instrumentalgesang wechselt. Zwar hat die junge Cellistin vielleicht noch nicht ihren grundeigenen Ton gefunden, doch ist es ein langer Weg zur Erforschung dessen, der in Camats Alter noch nicht zurückgelegt worden sein kann, und ich bin überzeugt, Camats ist auf dem besten Wege und wird sehr bald damit verzaubern. Es wäre noch zu wünschen, sie würde (gerade in der berühmten Zugabe, Casals’ El canto dels ocells) das Vibrato etwas spärlicher und funktioneller einsetzen. Doch allgemein beherrscht Camats bereits jetzt ihr Instrument auf vorzügliche Weise und wird hoffentlich bald mit ihrer brillanten Musikalität zu großer Bekanntheit erblühen. Die Abstimmung zwischen Solistin und Orchester funktioniert fantastisch, das Cello ist beständig deutlich zu hören, und doch wird ihr vielköpfiger Begleitapparat nicht konturschwach.
Jordi Moras Bewegungen sind Musik. Er verzichtet vollkommen auf Prätentiösität und ausladende Gesten, lässt sich zu einhundert Prozent auf die Musik ein und folgt ihrem Fluss, den er mit seinen Gesten in maximaler Dichte auffängt und an seine Musiker weitergibt. Vor allem für diejenigen, die am Vorabend in der Selbstdarstellungs-Show mit Ljubka Biagioni zu Guttenberg und den Sofia Symphonics waren, ist dieses Konzert eine wahre Heilkur. Die intensive musikalische Arbeit, die Mora mit dem Bruckner Akademie Orchester verrichtete, ist nicht zu überhören, die Werke entstehen wie aus einem Guss und entstehen ohne Zerstückelung in kleine Teile als Gesamtes vom Beginn bis zum Schluss in unwiderstehlichem Fluss. Das Orchester besteht aus Profimusikern wie auch aus ambitionierten Liebhabern, und so sind kleine Unsauberkeiten oder ein allgemein etwas zu aufdringliches Piano der Preis für ein umso lebendigeres und engagierteres Musizieren. Klarheit und Transparenz sind oberstes Gebot, nicht eine einzige Stimme geht in dem gerade bei Beethoven teils dichten und komplexen Geflecht unter. Dabei gelingen organische Übergänge und intensive Steigerungen, Beethoven erstrahlt in selten gehörtem Glanz, in Natürlichkeit und Frische. Und der langsame Satz – an dem so viele musikalisch scheitern – fesselt mit verhangen düsterem Marschcharakter, der keinen der Zuhörer unbetroffen lässt. Die vertrackte Form des Kopfsatzes bleibt unmittelbar und der gewollt „falsche“ Horneinsatz zu Beginn der Reprise überrascht, als hätte man ihn noch nie gehört. Heiter und locker perlen die beiden letzten Sätze, wobei das Finale durchbrochen wird von einem plötzlichen dunklen Teil, der wieder an die Marcia funebre gemahnt. Es ist selten, diese berühmte Symphonie so lebendig und unverstaubt zu hören, wie hier in vorbildhafter Weise geschehen.
[Oliver Fraenzke, November 2016]