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Erstaunlicher Bernd Alois Zimmermann aus Helsinki

Ondine ODE 1325-2; EAN: 0 761195 132524

Hannu Lintu hat mit seinem Finnischen Radio-Symphonieorchester auf Ondine eine interessante CD mit drei Hauptwerken von Bernd Alois Zimmermann vorgelegt: das Violinkonzert (mit Leila Josefowicz), „Photoptosis“ und die aus einigen Szenen des ersten und zweiten Aktes zusammengestellte Vokal-Sinfonie zur Oper „Die Soldaten“.

Hannu Lintu hat gerade in der Gattung Violinkonzerte des 20. Jahrhunderts schon einige bemerkenswerte CD-Aufnahmen veröffentlicht (etwa mit Christian Tetzlaff); da war dann das Violinkonzert von Bernd Alois Zimmermann (1918-1970) vielleicht nur eine Frage der Zeit. Bei dem Stück handelt es sich um ein Schlüsselwerk des Komponisten, das 1950 entscheidende Wendungen in Zimmermanns Umgang mit der Zwölftontechnik mit sich brachte. Leila Josefowicz, bei derartigem Repertoire eigentlich immer überzeugend, legt erneut eine intensive, klanglich ausgeklügelte Interpretation hin. Im Vergleich zu Thomas Zehetmair, der in der ECM-Aufnahme von 2005 unter Heinz Holliger versucht, jedes noch so kleine Detail besonders „auszudeuten“, stellt die amerikanische Geigerin allerdings den mehr improvisatorischen Charakter einiger Passagen in den Vordergrund, ohne dabei jedoch emotional nachzulassen. Die Orchesterbegleitung von Lintus finnischem RSO ist dem des WDR hörbar überlegen, auch die durchsichtigere Aufnahmetechnik kitzelt hier mehr Details heraus. Der Spannungsbogen der Fantasia, des fantastischen Mittelsatzes, bleibt dank des etwas flüssigeren Tempos stets erhalten, das unterlegte Thema des Dies irae dadurch noch gut erkennbar; Josefowicz entdeckt an einer Stelle beinahe jiddische Melodiewendungen. Im finalen Rondo greifen Solistin wie Orchester beherzt zu, wenn auch hier gleich die erste Rumba-Passage – wie so oft – ein wenig zu steif und martialisch daherkommt, was Steigerungspotenzial verschenkt. Eine hochkarätige Darbietung dieses immer noch unterschätzten Violinkonzerts, die eine ausdrückliche Empfehlung verdient.

Bei Zimmermanns spätem Orchesterprélude Photoptosis hingegen mag kaum Spannung aufkommen. Insgesamt ist das Tempo eine Spur zu langsam. Die irisierenden Farbflächen in Holzbläsern und Harfe wirken nicht nur zu Anfang etwas fade; die große Steigerung nach den ganzen eingestreuten Zitaten wird nur laut, aber nicht wirklich bedrohlich – das haben andere Dirigenten wie Hans Zender, Michael Gielen oder Markus Stenz schon besser hingekriegt.

Ganz anders wieder die – live aufgenommene – Vokal-Sinfonie aus den Soldaten. Hier gefallen eigentlich alle, zumeist finnischen, Solisten mit empathischer Diktion, die dabei erstaunlich natürlich bleibt, verständlichem Deutsch und adäquater stimmlicher Präsenz. Besonders hervorzuheben ist der ausgezeichnete Wesener des wagner-erfahrenen Juha Uusitalo. Das Umschalten zwischen den Urgewalten des Preludio und Intermezzo zu quasi kammermusikalischer Begleitung – selbst dort ist das Orchester meist noch riesig – gelingt Lintu tadellos. Ein paar Tempi sind wieder etwas zäh, aber der klangliche Pluralismus Zimmermanns wird dadurch umso deutlicher. Ondine kann sich nun rühmen, die wohl einzig relevante Aufnahme dieses Stückes nach der sagenhaften WDR-Produktion von 1978 unter Hiroshi Wakasugi auf den Markt gebracht zu haben.

[Martin Blaumeiser, Juli 2019]

Oper mal ganz anders

Oper mal ganz anders

GILBERT & SULLIVAN

HMS PINAFORE

Scottish Opera
Richard Egarr, Conductor
Tim Brooke-Taylor, Narrator

John Mark Ainsley, Elizabeth Watts, Toby Spence, Hilary Summers, Neal Davies, Andrew Foster-Williams, Gavan Ring, Barnaby Rea, Kitty Whately

Linn CKD 522
6 91062 05222 1*

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Arthur Sullivan (1842-1900) und sein Librettist William Schwenck Gilbert (1836-1911) waren das erfolgreichste Duo der englischen Operngeschichte, auch wenn es bei den beiden nicht immer ohne Zank und Zoff abging. ‚HMS Pinafore’ war jedenfalls ihr erster großer „Hit“ und steht auch heute noch regelmäßig auf dem Programm britischer – in diesem Fall schottischer – Bühnen. Für die Live-Aufnahme beim Edinburgh International Festival vom 23. August 2015 kam ein glänzendes Ensemble zusammen, dem man die Sing- und Spielfreude und Begeisterung auch auf der CD-Aufnahme anmerkt und anhört.
Natürlich ist die Musik nicht von Mozart oder von Schubert, aber Arthur Sullivan – er wollte sich am allerliebsten als Komponist ernster geistlicher Musik sehen – ist in seiner eigenständigen Art stets ein hörenswertes Vergnügen, dem solche Solisten wie John Mark Ainsley oder Hillary Summers natürlich noch ihre ganze Kunst und ihr Können dazu geben. Zusammen mit dem Erzähler Tim Brooke-Taylor, der in tadellosestem Englisch – wie schön kann gesprochenes Englisch klingen! – den Faden der Geschichte weiterbringt von  der Kapitänstochter, die einen anderen liebt als den, den ihr Vater für sie ausgewählt hat, die alte Story also…

Dazwischen hinreißende Chöre und Ensembles, kurzum ein Vergnügen, das diese Live-Aufnahme durchaus adäquat einfängt. Natürlich erinnert das sicher viele auch an spätere Filme mit Fred Astaire wie z. B. „Follow The Fleet“, aber das muss ja nun wirklich kein Minuspunkt sein.

[Ulrich Hermann Mai 2016]