Einer der eigenartigsten Musiker des vergangenen Jahrhunderts verstarb heute vor 20 Jahren bei einem Autounfall in der Dominikanischen Republik. Die Rede ist von dem österreichischen Popstar Falco, bürgerlich Johann Hölzel, der mit seinem extravaganten Stil für die gesamte Populär- und Rockmusik nicht nur Österreichs, sondern eben international wegweisend war.
Für manche mag es irritierend scheinen, auf dieser Website, welche hauptsächlich durch Artikel über die heute als „Klassik“ oder „Ernste Musik“ betitelte Musik bekannt ist (beides schädliche wie schändliche Abgrenzungen, die so musikgeschichtlich für gewaltiges Ungleichgewicht und elitäre Unnahbarkeit sorgen) mit gelegentlichen Ausflügen in Richtung Jazz. Doch ist die Intention von The New Listener schon immer gewesen, hörenswerte Musik in den Fokus zu stellen ganz gleich welchen „Genres“, welchen Bekanntheitsgrades oder welcher Herkunft. So ist dieses Jubiläums-Special ein erster Schritt in eine allumfassende Offenheit, auf die ich seit langem hinziele, und in deren Sinn hoffentlich bald schon mehr folgen wird. Und für die Puristen sei erwähnt, dass Falco mit seinem erfolgreichsten Song, Rock Me Amadeus, Wolfgang Amadeus Mozarts Persönlichkeit aktualisiert, mit Phänomenen aus der Rock-Szene gleichsetzt und dabei erstaunliche Parallelen findet.
Rock Me Amadeus ist bis heute das einzige Lied in deutscher Sprache, das Platz 1 der US-Billboard-Charts erreichte und Falco plötzlich weltweit in den Starstatus erhob. Doch begonnen hatte die Stilikone in einem ganz anderen Milieu. 1957 wurde er in Wien in bürgerliche Verhältnisse geboren, war einziger Sohn (seine beiden Drillingsgeschwister starben bereits vor der Geburt) einer Wäscherei-Geschäftsführerin und eines Fabrik-Werkmeisters. Zumindest war Geld vorhanden, die musikalische Begabung des Sohns zu fördern: Schon vor seiner Einschulung war er im Besitz eines Stutzflügels und eines Plattenspielers. Die Schullaufbahn dauerte lediglich zehn Jahre an, dann brache er ab und begann eine Lehre zum Bürokaufmann. Auch sein Studium am Wiener Musikkonservatorium schmiss er nach wenigen Monaten hin, da er der Meinung war, darin könne er kein „richtiger Musiker“ werden. 1978, er war bislang wenig bekannt und nur als Bassist in kleineren Hallen aufgetreten, sah er das Neujahrsspringen der Vierschanzentournee an und beschloss, seinen Künstlernamen dem DDR-Skispringer Falko „Falke“ Weißpflog zu widmen, internationalisierte ihn allerdings zu Falco (ebenso wie er seinen eigentlichen Namen nun Hoelzel schrieb).
Erste Erfolge erzielte Falco (zu der Zeit teils noch mit den Beinamen Gottehrer oder Stürmer) in den Bands ‚Erstes Wiener Musiktheater’, später in ‚Hallucination Company’ umbenannt, und ‚Drahdiwaberl’. Für letztere entstand Ganz Wien, gedacht als beiläufiges Solostück für Pausen, das allerdings schnell für Furore sorgte. Mit ‚Drahdiwaberl’ wurde Falco auch entdeckt, der erfolgreiche Plattenunternehmer Markus Spiegel nahm die Band sowie ihn als Solokünstler unter seine Fittiche. Resultat waren die ersten kommerziellen Alben, „Psychoterror“ war 1981 das Debut. Es folgten „Junge Roemer“ und „Falco 3“, auf letzterem ist besagter Song Rock Me Amadeus zu hören, der nach beträchtlichen nationalen Erfolgen 1985-1986 für den internationalen Durchbruch sorgte. Schon jetzt plagten Falco Sorgen, die Spitze seines Ruhms sei erreicht und er könne daran nicht mehr adäquat anknüpfen. Ein öffentlicher Rückzug nach einer kräfteraubenden Japantournee und die kommerziell eher mäßigen Erfolge (trotz Charts-Platzierungen) der kommenden drei Alben „Emotional“, „Wiener Blut“ und „Data de Groove“ bestätigten dies. Mit „Nachtflug“ konnte er 1992 ein Comeback starten, dem 1995 ein extremer Stilwechsel folgte: Mit Mutter, der Mann mit dem Koks ist da und ein Jahr später mit Naked wandte er sich dem Dance zu. Anfangs arbeitete er hier unter dem Pseudonym T>>MA, später als Falco feat. T>>MB. Am 6. Februar 1998 jedoch kam Falco bei einem Verkehrsunfall ums Leben, ein Bus erfasste sein Auto. Größere Mengen an Alkohol und Drogen in seinem Blut gaben in der Folgezeit verschiedenen Gerüchten Nahrung. Falcos Grab befindet sich auf dem Wiener Zentralfriedhof. „Out of the Dark (Into the Light)“ wurde posthum veröffentlicht und knüpfte an die großen Erfolgsalben des so früh verstorbenen Musikers an.
Trotz seiner recht kurzen Karriere durchlief Falco eine ganze Reihe stilistischer Wandlungen, jedes Album hebt sich vom Vorherigen und vom Folgenden ab. Dabei nahm er Einflüsse verschiedener aktueller Genres in sein Werk auf und fusionierte sie mit seinem unverkennbaren, eigenen Ton. Falco hätte sich selbst vermutlich vor allem als Rocker bezeichnet, doch ist nicht weniger Funk, Groove, New Wave und Rap maßgeblich für seine Musik. Seine Patterns sind schlicht und eingängig, weisen allerdings großen rhythmischen Schwung und ausgefeilte Basslinien auf. Typisch sind auch stimmlich abgehobene, oft verdoppelte oder chorartig gesungene Refrains und ein Fade-Out zum Ende hin, das seine Stücke oft bogenförmig erscheinen lässt. Elektronische Instrumente haben ihren festen Platz in der Band und steuern zentrale Klangelemente bei. Unverkennbar sind der cleane Gitarrensound auf dem Album „Junge Roemer“ sowie die funkigen Rhythmen der Gitarre. Das wohl hauptsächliche Markenzeichen Falcos ist sein einzigartiger Gesang, der gerne zum Sprechen tendiert oder sich in Richtung des Rap bewegt. Dabei entwickelte er einen individuellen und kaum nachzuahmenden Rapstil, der oft tonhöhenbasiert ist, ebenso schnell aber auch ins reine Sprechen oder Singen umschlägt. Typische Beispiele sind Der Kommissar, Vienna Calling, No Answer, Maschine brennt, oder parlierender in Jeanny oder Mutter, der Mann mit dem Koks ist da. In den Refrains oder als Fill Inn in den Parts bringt er zusätzlich schnell lautierte Elemente oder kurze gesungene Melismen hinein, die eine zusätzliche Ebene hineintragen. Stimmen aus dem Off wie in Vienna Calling oder Jeanny sind eine weitere vokale Facette, so dass das Gesamtbild trotz der Fokussierung auf die einzigartige Stimme Falcos rundherum abwechslungsreich bleibt. Die Texte stammen zu einem großen Teil von Falco selbst oder entstanden zumindest unter seiner Mitarbeit. Auffällig sind dabei neben Wortspielen und teils eigenwilligen Reimen vor allem zahlreiche Einstreuungen in englischer Sprache, wie sie auch heute noch in den Songs der Band ‚Bilderbuch’ zu finden sind – einer österreichischen Gruppe, die sich (wie übrigens auch ‚Wanda’, die eher die Rock-fokussierten Elemente wieder aufleben lässt) unmissverständlich auf Falco beruft. So lebt die Musik eines der einflussreichsten deutschsprachigen Musiker weiter, wird zudem immer wieder in neuen Best-Ofs veröffentlicht oder im Radio gespielt, gelegentlich sogar in verschiedenen Live-Projekten wie Musicals zu neuem Leben erweckt.
[Oliver Fraenzke, Februar 2018]