SADIE HARRISON
The Rose Garden of Light
(A Crossover Between Afghan and Western Music)
Traditionelle Afghanische Musik und Musik von Sadie Harrison
ANIM Junior Ensemble of Tradtional Afghan Instruments
Kevin Bishop, Viola
Ensemble Zohra
Cuatro Puntos
TOCC 0342, EAN: 5 060113443427
Afghanistan hat düstere Zeiten erlebt und erlebt sie bis heute. Dass das Regime der Taliban mit Kultur oder gar mit Kunst gar nichts am Hut hatte, dass ihnen Tradition und Menschlichkeit einfach egal waren und sind, ist bekannt. Dass aber dabei auch alle Musikinstrumente systematisch zerstört wurden, war mir neu. Über die Hintergründe und den Neuanfang vor ungefähr zehn Jahren gibt das Booklet sehr informativ und klar Auskunft, auch über die Musikerinnen und Musiker, über deren Zusammenarbeit mit westlichen, besonders amerikanischen Künstlern und Lehrern – Kevin Bishop sei hier stellvertretend genannt.
Die Komponistin Sadie Harrison wurde 1965 in Australien geboren und lebt in England. Sie arbeitete einige Jahre zusammen mit dem Musiker Kevin Bishop im neugegründeten Musikinstitut in Kabul, wo sie die alten Traditionen der afghanischen Musik neu belebten und ihre Kompositionen entstanden.
Herausgekommen ist ein spannendes Crossover – was ja immer ein Risiko ist, wenn traditionelle Musik mit „westlicher“ zusammenkommen soll, von misslungenen, wie von gelungenen Beispielen gibt es eine große Anzahl. (Nachzulesen auch bei the-new-listener).
Aber im Fall dieser erfreulichen CD ist es sehr gelungen, angefangen vom ersten Stück mit dem Titel „Der Judasbaum“ des afghanischen Komponisten Ustad Mohammed Omar, eines berühmten Rubab-Spielers, gefolgt von einem Viola-Solo von Sadie Harrison von 2014 „Allah hu“, überzeugend gespielt von Kevin Bishop, bevor das Hauptstück der Komponistin „The Rose Garden of Light“ von 2015 für Streich-Sextett und Jugend-Ensemble erklingt. Es drückt vor allem die neugewonnene Hoffnung auf eine friedliche und menschenwürdige Zukunft dieses zerstörten und zwischen unterschiedlichen Interessen aufgeriebenen Landes aus. Und ist mit einer Dauer von fast 25 Minuten das Zentrum dieser CD.
Es folgen einige traditionelle Folksongs, teils instrumental, teils arrangiert für Streichsextett von Kevin Bishop.
Die Schönheit und Gelassenheit des gemeinsamen Musik-Erlebens überträgt sich in wunderbarer Weise auf den Hörer und ermöglicht ihm eine Erfahrung jenseits aller oft ach so reißerisch aufgebauschten Medienberichte über eine uralte Musik und Kultur, die hoffentlich bald wieder zurück finden kann zu ihrer ureigensten Sprache und Form.
Es gibt so viel Staunenswertes und Erlebbares auf unserem „Blauen Planeten“, für ihren „kleinen“ Beitrag gebührt dieser runden Scheibe Dank und besondere Aufmerksamkeit.
[Ulrich Hermann, Juli 2016]