Schlagwort-Archive: David Louie

Polnischer Geist in französischer Aufbereitung

Chandos, Chan 10983; EAN: 0 95115 19832 2

Kammermusik von Szymon Laks spielt das ARC Ensemble (Joaquin Valdepeñas, Erika Raum, Marie Bérard, Steven Dann, Winona Zelenka, David Louie und Dianne Werner mit Sarah Jeffrey und Frank Morelli) für Chandos ein. Zu hören ist das Vierte Streichquartett, das Klavierquintett, das Divertimento für Violine, Klarinette, Fagott und Klavier, die Sonatine für Klavier, ein Concertino für Oboe, Klarinette und Fagott sowie die Passacaille in der Fassung für Klarinette und Klavier.

Nicht nur, dass ein Gigant wie der polnische Komponist Szymon Laks endlich vermehrt in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt, nein, auch die Aufnahmen werden immer beglückender und geben fortwährend neue Facetten dieser faszinierenden Musik preis! Das ARC Ensemble präsentiert nun eine CD mit gemischtem Programm: Wie auf der kürzlich besprochenen Aufnahme des Messages Quartet (DUX 1286) findet sich auch hier das Vierte Streichquartett und ebenfalls das Dritte, wenngleich nun in der 1967 entstandenen Fassung als Klavierquintett, welches meines Erachtens durch die geschickte Gegenüberstellung von Tasteninstrument und Streichern dem Werk noch mehr Kontrast und Plastizität verleiht. Die Sonatine für Klavier gehört zu den wenigen erhaltenen Werken, die vor dem Zweiten Weltkrieg geschrieben wurden, sie ist in französischem Stil gehalten, wenngleich sie – nicht unähnlich Chopin 100 Jahre zuvor – ihren polnischen Geist und Ursprung nicht verleugnet. Die Dualität der Nationalitäten, Heimat und Wahlheimat, verbirgt sich auch nicht in späteren Kompositionen, wenngleich sie dort mehr als Randerscheinungen wahrgenommen wird, die einem unverkennbaren Personalstil weicht. Allgemein ist die Musik fließend, hat einen leicht melancholischen Unterton und eine nicht immer versöhnliche Ruhe. Sie ist „unzeitgemäß“, folgt eigenen Regeln und nicht Moden und Trends. Durchgehend ist sie inspiriert und originell, es gibt darin keinen Platz für Verbrauchtes oder Standardisiertes, wobei zugleich auf stringenten Sinn und harmonische Geschlossenheit geachtet wird. Das düsterste der zu hörenden Werke ist die Passacaille; kurz nach dem Krieg komponiert, gehört sie zu den ganz wenigen Schöpfungen, in denen Laks tatsächlich Erlebtes zu verarbeiten scheint und nicht allein die Kunst für sich sprechen lässt: Ursprünglich als Vokalise gedacht, setzt sie dort an, wo die Worte enden. Sowohl das technisch anspruchsvolle und doch nie auf Effekt, sondern auf Leichtigkeit und Witz setzende Concertino als auch das beinahe Blues-artige Divertimento entstanden – ebenso wie die Quintettbearbeitung des Dritten Quartetts (ursprünglich von 1945) und das Vierte Quartett – in den 1960er-Jahren.

Die Sensibilität des ARC Ensemble ist bemerkenswert, feinsinnig und aktiv lauschend gehen sie auf die Musik Laks‘ ein und achten auf ihren natürlich-freien Verlauf. Jede Konstellation der Musiker wirkt miteinander vertraut und gut aufeinander eingerichtet, die Mitwirkenden verschmelzen mit einem einzigen, klar definierten Ziel vor Augen: der Musik selbst. Oberflächlichkeit tritt vollständig in den Hintergrund, ebenso Effekthascherei. Das Verständnis ist spürbar und das Hören ein Genuss.

[Oliver Fraenzke, September 2017]