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Intimität und Wandlung

Gioachino Rossini – Semiramide:  Bayerische Staatsoper, Nationaltheater München; Albina Shagimuratova (Semiramide), Alex Esposito (Assur), Daniela Barcellona (Arsace), Michele Angelini (Idreno), Jacquelyn Stucker (Azema), Bálint Szabó (Oroe), Galeano Salas (Mitrane), Oleg Davydov (L’ombra di Nino); Bayerisches Staatsorchester, Antonello Allemandi (Leitung), David Alden (Inszenierung), Beate Vollack (Choreographie)


Bayerische Staatsoper: Alex Esposito (Assur), Albina Shagimuratova (Semiramide), Michele Angelini (Idreno), Daniela Barcellona (Arsace) - (Foto © Wilfried Hösl, 2018)

Albina Shagimuratova singt die Titelrolle in Gioachino Rossinis Oper Semiramide auf einem Libretto Gaetano Rossis nach Voltaire. Am 2. Juni 2018 findet die erste Vorstellung mit ihr im Münchner Nationaltheater statt, wobei das Bayerische Staatsorchester unter Antonello Allemandi spielt. In den Hauptrollen hören wir Alex Esposito (Assur), Daniela Barcellona (Arsace), Michele Angelini (Idreno), Jacquelyn Stucker (Azema), Bálint Szabó (Oroe), Oleg Davydov (Geist Ninos) und Galeano Salas (Mitrane). Die Inszenierung kommt von David Alden und Beate Vollack gestaltete die Choreographie.

Für die Wiederaufnahme der Semiramide von Gioachino Rossini holte sich die Bayerische Staatsoper Albina Shagimuratova nach München, die in den letzten Jahren immer größere Erfolge feierte. Manchen ist sie bereits durch ihre Rolle als Königin der Nacht in Mozarts Zauberflöte ein Begriff, ich hörte sie erstmals als Solistin in Beethovens Neunter Symphonie unter dem spanischen Dirigenten Rafael Frühbeck de Burgos in dessen letzten Videoaufnahmen.

Semiramide präsentiert sich als zerrissene Figur, die gemeinsam mit ihrem Liebhaber Assur ihren Mann Nino tötete, den Thron bestieg und nun, einige Jahre später, einen Nachfolger auserwählen soll. Assur und Semiramide entfremdeten sich im Laufe der Zeit, und so hofft der indische Prinz Idreno auf die Krone und die Hand der Prinzessin Azema. Diese hingegen schwärmt für den General Arsace, der sie einst rettete und nun auf Geheiß der Königin zurück in die Stadt kommt – Arsace erwidert ihre Liebe. Doch Semiramide zerstört die Pläne: Sie erklärt Arsace zum neuen König und weist ihn zeitgleich an, sie zu heiraten; Idreno verspricht sie die Hand Azemas und Assur geht leer aus.

Doch gerade in diesem Moment erscheint der Geist Ninos und erklärt Arsace, dass er herrschen soll: doch erst, wenn Arsace seinen Tod sühnt. Der Priester Oroe kennt als einziger die Wahrheit, dass Semiramide und Assur Nino ermordet haben und betraut Arsace mit dessen wahrer Identität: Er ist Ninia, der tot geglaubte Sohn von Nino und Semiramide. Arsace/Ninia weiß nun, dass es Assur ist, den er töten muss, um die Verwicklungen zu beenden und den Gifttod seines Vaters zu rächen; er bittet um Vergebung für seine Mutter und versöhnt sich mit ihr. Im Dunkeln macht er Assur aus und streckt ihn nieder, doch schon hört er die Rufe, dass Assur gefasst sei und weggebracht werde. Ihm wird gewahr, dass er seine eigene Mutter mit dem Schwert erwischt hat – ein Huldigungschor für den neuen König erklingt und der Vorhang fällt.

Die Besetzung gelang: Alex Esposito überzeugt als wandelbarer Assur, Bálint Szabó als voluminöser Oroe und Galeano Salas als strahlender Tenor Miltrane. Die kleinen Rollen sind zu einen Azema, Jacquelyn Stucker, deren Auftreten vor allem schauspielerischer Natur ist – als hilflose Marionette wird sie herumgetragen und ist ihrem Schicksal ausgeliefert –, und zum anderen der Geist Ninos, der dennoch in Form von Bildern omnipräsent erscheint und Einblicke in eine heile Vergangenheit gewährt. Antonello Allemandi leitet das Bayerische Staatsorchester pflichtbewusst und sicher, wenngleich ohne einen auf den Hörer überspringenden Funken. Es scheint zu wenige Gesamtproben gegeben zu haben, um die Wechselwirkung zwischen Sängern und Instrumentalisten herauszuarbeiten, das Orchester bleibt hinter den Vokalpartien zurück.

Hervorzuheben sind die Rollen von Idreno, Arsace/Ninia und Semiramide. Idrenos Tenor verlangt Michele Angelini einen beachtlichen Ambitus ab, mühelos wechselt er zwischen den Registern hin und her. Als Hosenrolle singt die Mezzosopranistin Daniela Barcellona Arsace/Ninia, den sie als heldenhaften Feldherrn darstellt, furchtlos und tollkühn. Ihre Körperhaltung wirkt erschlafft, doch die Stimme schmettert selbstbewusst und angriffslustig. Höhepunkt der Vorstellung bleibt Albina Shagimuratova als Semiramide: Von Anfang an nimmt man der Russin ihre Rolle ab und glaubt ihr jedes Wort, das sie von sich gibt. Stimmlich überragt ihr Piano und Pianissimo, welches eine Intimität in das Opernhaus bringt, wie wir sie sonst ausschließlich von Liederabenden her kennen.

Schlicht, wenngleich natürlich in größtmöglichem Format, erscheinen die Bühnenbilder mit der überdimensionalen Statue Baals und den Bildern der königlichen Familie an den kipp- und klappbaren Wänden. Die Choreographie legt ihr Hauptaugenmerk auf die innere Wandlung der Königin, Semiramide entwickelt sich von der arroganten Herrscherin nach und nach zunächst zur entbrannten Liebhaberin und danach zur liebenden Mutter.

[Oliver Fraenzke, Juni 2018]

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