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Dichter … Liebe?

Dichter. Liebe
Heine. Schumann

Cornelia Horak, Sopran
Stefan Gottfried, Piano
Christoph Wagner-Trenkwitz, Rezitation

Gramola 99059
9 003643 990593

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„Und kein Dichter ruft einem Fräulein, das den Sonnenuntergang gerührt betrachtet, die Worte zu:
Mein Fräulein, sein Sie munter,
das ist ein altes Stück;
Hier vorne geht sie unter,
Und kehrt von hinten zurück.
Nicht aus Respekt vor dem Fräulein, aber aus Respekt vor dem Sonnenuntergang.“

(Karl Kraus: Heine und die Folgen,  Auswahl aus dem Werk, Seite 183. Kösel-Verlag 1957 Kempten)

So urteilte Karl Kraus in seinem bis heute viel zu wenig beachteten Essay über den angeblich so großen Dichter Heinrich Heine. Ja, er geht noch weiter und schreibt von „jenem Heinrich Heine, der der deutschen Sprache so sehr das Mieder gelockert hat, dass heute alle Kommis an ihren Brüsten fingern dürfen“ (Seite 187)

Ob Robert Schumann bei der Auswahl der Gedichte, die er in seinem Liederzyklus „Dichterliebe“ von Heine vertont hat, nicht mit seinem auch sonst so sicheren Gefühl für den Wert  seiner vertonten Lyrik – man denke nur an op. 39 nach Eichendorff – sich genau an die gehalten hat, die als Lieder vorliegen? Und die ausgespart hat, die eben nicht dazu gehören sollten?  Und nun meinen Cornelia Horak (mit dem ihr eigenen Talent des Singens) und ihr Mann Christoph Wagner-Trenkwitz (mit dem ihm eigenen Talent des Sprechens – so formuliert es das Booklet) mit der zusätzlichen Rezitation der angeblich passenden und vom Komponisten eben eigentlich fälschlicherweise nicht vertonten Gedichte dem Ganzen eine „überraschende Bereicherung“ angedeihen lassen zu müssen. Als hätte der gute Schumann eben nicht die ganze lyrische Tragweite dieser Gedichte – in der ihm eigenen Beschränktheit – übersehen, was hiermit nachgeholt werden muss…

„O tempora, o mores!“ Wenn dann zum sowieso merkwürdigen „Ich grolle nicht“  als nächstes unmittelbar darauf rezitiert wird: „ Ja, du bist elend, und ich grolle nicht…“, dann wirkt das auf mich nun genau so, wie es Robert Schumann eben nicht wollte: Totschlag mit dem Hammer! Und zieht diesen ganzen Zyklus in die banalste Ebene der auch für jeden Tölpel verdoppelt verständlich gemachten Erfassbarkeit. So simpel war der Komponist eben nicht, dass er dieser Verdoppelung auf den Leim gegangen wäre. Und seinem Liederzyklus tut die Balance zwischen romantischer Ironie, die man dem Heine so gerne unterschiebt und der Naivität, die angeblich den Komponisten kennzeichnet, augenscheinlich so gut, dass die dadurch ausgelöste Spannung den Hörer bis zum heutigen Tage beschäftigt

Wenn nun die ausgelassenen Texte eingebaut werden und damit eine ach so korrekte Festlegung stattfindet, ist genau diese Balance zu Gunsten einer peinlich unkünstlerischen Eindeutigkeit aufgehoben. Schade!

Abgesehen davon überzeugt mich auch die sängerische Leistung von Cornelia Horak nicht, denn ihre Wortverständlichkeit wird – wie allzu oft – der Stimme geopfert, ohne Textbeilage wäre man, was die Verständlichkeit des Gesanges angeht, hoffnungslos aufgeschmissen.

[Ulrich Hermann, März 2016]