Über das Programm des diesjährigen Linzer Brucknerfestes kann man sich nur in Tönen höchsten Lobes äußern. Unter dem Motto „Visionen – Bruckner und die Moderne“ haben es sich die Veranstalter zum Ziel gesetzt, Anton Bruckners Ausstrahlung auf die Musik des 20. Jahrhunderts hörbar zu machen. Man beschränkte sich dabei keineswegs auf häufig zu hörende Werke, sondern präsentierte dem Publikum eine große Zahl wertvoller Kompositionen, denen lange Zeit eine ihrer Qualität entsprechende Rezeption versagt geblieben ist. Darin muss man den Hauptverdienst des Festes erblicken. Es ist zu hoffen, dass auch andere Musikfeste sich vom Entdeckerspürsinn der Linzer anstecken lassen und uns ähnlich klug gestaltete Programme bieten, anhand derer so recht die Vielfalt musikgeschichtlicher Entwicklungen deutlich wird. Schwerpunkte ließen sich im Veranstaltungsplan des Brucknerfestes vor allem in Hinblick auf das Schaffen dreier um 1880 geborener Komponisten erkennen: Heinrich Kaminski, Richard Wetz und Franz Schmidt. Der Verfasser dieser Zeilen hat zwei Konzerte besucht, in denen Werke von Richard Wetz aufgeführt wurden: Am 30. September erklang im Mariendom neben Bruckners 150. Psalm und Arvo Pärts Cantus in memoriam Benjamin Britten das Requiem op. 50, am 1. Oktober im Brucknerhaus neben Gottfried von Einems Bruckner Dialog op. 39 und Bruckners Erster Symphonie (in der Fassung von 1890) das Violinkonzert h-Moll op. 57. Beide Male spielte die PKF – Prague Philharmonia unter Leitung von Eugene Tzigane. Das Chorkonzert wurde vom Prager Philharmonischen Chor (Einstudierung: Lukáš Vasilek) und den Solisten Claudia Barainsky (Sopran) und Nikolay Borchev (Bariton) bestritten, Violinsolistin im Orchesterkonzert war Chouchane Siranossian.
Es hätte Wetz gewiss gefreut, seine Werke in diesem Rahmen gespielt zu wissen, fühlte er sich doch dem Schaffen Bruckners aufs Engste verbunden, seit er die Musik des österreichischen Meisters zu Beginn des 20. Jahrhunderts für sich entdeckt hatte. Der gebürtige Schlesier, der seit 1906 als Dirigent und Pädagoge in Erfurt lebte, leitete mehrere Erstaufführungen Brucknerscher Kompositionen in Mitteldeutschland. Die Erfurter Aufführung der f-Moll-Messe im Jahr 1907 war überhaupt erst die dritte auf dem Gebiet des Deutschen Reiches. 1922 trat er mit einer kurzen Monographie über Bruckner hervor, die im Reclam-Verlag herauskam, gehört also auch als Musikschriftsteller zu den Bruckner-Pionieren. Im Sommer 1930 unternahm er eine Fußwanderung durch den Bayerischen Wald nach Passau, fuhr mit dem Schiff nach Linz und erfüllte sich anschließend den lang gehegten Wunsch, Bruckners Grabstätte in St. Florian zu besuchen. Ob ihn jedoch die Aufführungen seiner Werke, wie man sie nun auf dem Linzer Brucknerfest hören konnte, zufriedengestellt hätten, wage ich zu bezweifeln.
Ich möchte über Eugene Tzigane nichts Schlechtes sagen, denn dieser Dirigent hält wirklich Ausschau nach hochwertigen Stücken, die die Konzertprogramme bereichern können, und führt sie in klugen Zusammenstellungen auf. So dirigierte er im Juni dieses Jahres in Weimar das Festkonzert anlässlich des 150. Geburtstags der Hochschule für Musik Franz Liszt, in welchem neben der Champagner-Ouvertüre Waldemar von Baußnerns das prächtige Klavierkonzert Hans Bronsart von Schellendorfs, Franz Liszts zu selten zu hörender Orpheus, sowie Werke zweier zeitgenössischer Thüringer Komponisten, des vor wenigen Jahren gestorbenen Karl Dietrich und Wolf Günther Leidel, zur Aufführung kamen. (Dass auf diesen Seiten damals nicht darüber berichtet wurde, liegt einzig daran, dass ich am Tage des Konzerts aufgrund anderer Verpflichtungen nicht in Weimar sein konnte.) Also, ich halte fest: Tzigane ist von edlen Absichten geleitet, die man nur befürworten kann. Die Frage ist: Halten seine Aufführungen, was die Absichten versprechen? Leider waren die Linzer Konzerte nicht dazu angetan, diese Frage bejahend zu beantworten.
Das Kirchenkonzert litt vor allem unter den sehr ungünstigen akustischen Bedingungen des Mariendoms. Bei dem eröffnenden Psalm Bruckners las ich in der Partitur mit und konnte zahlreiche Noten sehen, ohne die zugehörigen Töne zu hören. Was mein Ohr erreichte, war eine verwaschene Skizze des Werkes. Der Klang löste sich in der Kirchenhalle auf wie eine Brausetablette im Wasserglas. Dasselbe galt für das Wetz-Requiem. Die Größe und Schönheit beider Werke konnte man nur an jenen Stellen ahnen, an welchen der Chor in langen Notenwerten homophon a cappella sang, oder sonstwie das kontrapunktische und orchestrale Geschehen dermaßen reduziert war, dass die Stimmen nicht ineinander verschwammen und einander gegenseitig ausschalteten. Kann man den Dirigenten dafür verantwortlich machen? Ich glaube, dass auch viele andere Kapellmeister an diesen akustischen Bedingungen gescheitert wären. Vielleicht hätten die Veranstalter gut daran getan, den Raum mit hölzernen Schallwänden auszukleiden? Allerdings schien Tzigane auch kaum Rücksicht auf den langen Nachhall im Dom zu nehmen. Der Brucknersche Psalm wurde strikt in einem so hohen Tempo durchdirigiert, dass die Feinheiten der Partitur auch unter besseren Bedingungen kaum zur Geltung gekommen wären. Der erste dissonante Höhepunkt von Wetzens Dies Irae warf noch sein Echo durch den Raum, als der Chor schon die leise Fortsetzung anstimmte, welche dadurch im Nachhall unterging. Einzig Pärts Cantus in memoriam Benjamin Britten gelangte in diesem Konzert zu einer gelungenen Darbietung. Das nur für Streicher und eine gelegentlich schlagende Glocke geschriebene Stück erwies sich als unverwüstlich, ja die Domakustik schien die gewünschte meditative Wirkung der Pärtschen Prolationskanons noch zu unterstützen.
Eigentlich bot nur das Orchesterkonzert am folgenden Tage die Möglichkeit, Eugene Tziganes Leistung als Dirigent einzuschätzen. Allerdings war auch hier der Gesamteindruck nicht sehr erfreulich. Zu Beginn hörte man Gottfried von Einems Bruckner Dialog, einen viertelstündigen symphonischen Satz, dem der Komponist das Choralthema aus dem unvollendeten Finalsatz der Neunten Symphonie Bruckners zugrunde gelegt hat. Es erklingt teils so, wie Bruckner es niedergeschrieben hat, teils in abgeleiteter Form, im Wechsel mit eigenen Gedanken Einems, sodass man tatsächlich meint, einem Gespräch zweier sehr unterschiedlicher Komponistenpersönlichkeiten beizuwohnen. Leider hat Tzigane es nicht vermocht, die Charaktere angemessen herauszuarbeiten. Weder das ungemein kapriziöse Wesen Einems, der nie um einen humorvollen Hakenschlag verlegen ist, noch die majestätische Schlichtheit des Brucknerschen Chorals kamen zur Geltung. Alles wurde bewältigt, als wären die Ausführenden in Eile gewesen.
Wie im Kirchenkonzert der Pärtsche Cantus, so stach auch hier die mittlere Nummer heraus, was vor allem dem Umstand zu verdanken ist, dass Chouchane Siranossian als Solistin für das Wetzsche Violinkonzert gewonnen werden konnte. Dieses Werk lässt sich als symphonische Rhapsodie charakterisieren. In seinem halbstündigen Verlauf werden wenige kurze Motive gleichsam improvisierend einem beständigen Verwandlungsprozess unterzogen, wobei aber alle Abschnitte des Stückes so geschickt aufeinander bezogen sind, dass sich ein fest zusammenhängendes Ganzes ergibt. Es ist eine über weite Strecken lyrische, oft sehr zarte Musik, die sich zwar durchaus zu glanzvollen Höhepunkten steigern kann, sich anschließend aber regelmäßig ins Halbdunkel zurückzieht. Chouchane Siranossian fand den richtigen gesanglichen Ton für dieses Stück und erfüllte ihre Stimme bis in die Verzierungen hinein mit Leben. Nie drängte sie sich über Gebühr in den Vordergrund, sondern ließ auch den Orchesterinstrumenten, gerade in den sparsam instrumentierten Passagen, Raum zur Entfaltung, und wirkte so wie die Hauptschlagader eines klingenden Organismus. Dieses introvertierte Stück war bei ihr in sehr guten Händen!
Die Erste Symphonie Bruckners beschloss das Konzert. Leider konnte man Tziganes Darbietung keine der Qualitäten nachrühmen, die Rémy Ballots Aufführung (ebenfalls Fassung 1890) vor gut einem Monat im nahen St. Florian auszeichneten. Die Tempi waren recht zügig und wurden stur durchgehalten. Statt auf Detailarbeit wurde auf grobe Effekte gesetzt, namentlich in den Blechbläsern. Man konnte den Dirigenten zwar auf unterschiedliche Weise gestikulieren sehen, doch hatten diese Gesten keinen hörbaren Einfluss auf den Klang. Die Violinen beispielsweise spielten nicht geschmeidiger, obwohl sie mehrfach geradezu gestreichelt wurden. Eher wirkte es, als werde der Dirigent vom Orchester mitgerissen als umgekehrt. Daran, dass man viele der einkomponierten Verflechtungen der ersten und zweiten Violinen nicht hörte, hatte auch die Aufstellung der Streicher mit beiden Violingruppen auf der (vom Dirigenten gesehen) linken Seite ihren Anteil. Auch hätten die langen Haltetöne der Bässe, die gegen Ende von Wetzens Violinkonzert die Solokadenz grundieren, den Raum besser gefüllt, wären sie von hinten statt von der Seite gekommen.
Am 27. Juni 2021 fand in Vaduz die Preisverleihung der International Classical Music Awards statt. Im Anschluss gaben die Preisträger mit dem Sinfonieorchester Liechtenstein ein äußerst gelungenes Galakonzert.
Die Preisverleihung
Nach einer langen Zeit des Abwartens, Hoffens und Aufschiebens war es so weit: Am 27. Juni 2021 fand in Vaduz, der Hauptstadt des Fürstentums Liechtenstein, im Vaduzer-Saal die diesjährige Preisverleihung der International Classical Music Awards (ICMA) samt anschließendem Galakonzert der Preisträger statt. Dass es zu diesem glücklichen Ende kam, war keineswegs selbstverständlich gewesen. Noch vor wenigen Wochen lag es nur allzu sehr im Bereich des Wahrscheinlichen, dass die unabhängige Musikkritikervereinigung, die seit 2011 die einzigen internationalen Schallplatten- und Musikpreise vergibt, auf die Durchführung ihrer Veranstaltungen diesmal ebenso hätte verzichten müssen wie im Jahr 2020, als die Krise im Gefolge der Covid-19-Pandemie die für Sevilla geplante Preisverleihung unmöglich gemacht hatte. Die rasch voranschreitende Entspannung der Lage ermöglichte es aber, den zunächst auf April gelegten, dann sicherheitshalber um zwei Monate verschobenen Termin letztlich wahrnehmen zu können. Sichtlich erleichtert darüber, betonte der die Preisverleihung moderierende Gründer des luxemburgischen Musikmagazins Pizzicato und Vorsitzende der aus Kritikern von 21 internationalen Medien zusammengesetzten ICMA-Jury, Remy Franck, dass es aufgrund der Professionalität eines „kleinen Teams, das große Arbeit geleistet hat“, in Vaduz gelungen sei, „die aufwendigste Musikproduktion 2021 weltweit“ ins Werk zu setzen.
Kulturminister Manuel Frick hob in einer kurzen Ansprache hervor, dass es sich hierbei nicht um irgendeinen Preis handele, sondern um „Den Preis innerhalb der klassischen Musik“, und erinnerte daran, dass sich in den letzten Jahren sowohl die in Nendeln ansässige Internationale Musikakademie in Liechtenstein, als auch das Sinfonieorchester Liechtenstein einen guten Namen in der Welt gemacht haben, was auch bewirkt habe, dass die IMCA auf das Fürstentum aufmerksam geworden seien.
Für das Liechtensteinische Musikleben fügt sich die Gala in eine Reihe von Erfolgen ein, die der Pandemie zum Trotz innerhalb der letzten eineinhalb Jahre errungen werden konnten. Nicht nur war es möglich, die Arbeit der Musikakademie weiterzuführen, auch ein regulärer Konzertbetrieb konnte weitgehend aufrecht erhalten werden. Zwar mussten sich Musiker und Publikum strengen Auflagen fügen, doch war es dadurch möglich, beinahe alle geplanten Konzerte des Sinfonieorchesters Liechtenstein auch stattfinden zu lassen. Nur zwei Konzerte fielen aus.
Den Umständen Rechnung tragend, wurde auch die Prozedur der ICMA-Preisverleihung abgewandelt: Die Preise wurden den Preisträgern nicht von einem Mitglied der Jury überreicht, sondern standen sämtlich von Anfang an auf einem langen Tisch vor der Bühne, von wo sie von den Ausgezeichneten nach und nach abgeholt wurden. Die Verschiebung des Termins brachte es allerdings mit sich, dass ein verhältnismäßig hoher Anteil der Preisträger nicht in Vaduz erscheinen konnte. So vermisste man Edita Gruberova, die für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wurde, genauso wie Pablo Heras-Casado, der den Preis für den Künstler des Jahres, und Kian Soltani, der einen der beiden vom gastgebenden Orchester vergebenen Orchestra Awards erhielt.
Nicht persönlich in Empfang genommen werden konnten auch die Preise für folgende Audio- und Video-Produktionen:
-Alte Musik: Simone de Bonefont: Missa pro Mortuis (Huelgas Ensemble, Paul van Nevel), Cyprés
-Barock Instrumental: The Berlin Album (Ensemble Diderot, Johannes Pramsohler), Audax
-Barock Vokal: La Francesina (Sophie Junker, Le Concert de l’Hostel Dieu, Franck-Emmanuel Comte), Aparté
-Zeitgenössische Musik: Thomas Adès: In Seven Days (Kirill Gerstein, Tanglewood Music Centre Orchestra, Thomas Adès), Myrios
-Programmzusammenstellung: Ludwig van Beethoven: Klavierkonzert Nr. 4, Coriolan, Prometheus-Ouvertüre (Kristian Bezuidenhout, Freiburger Barockorchester, Pablo Heras-Casado), Harmonia Mundi
Besonders traurig war es zu erfahren, dass Dmitrij Kitajenko, der im Vaduzer Preisträgerkonzert zum ersten Mal seit eineinhalb Jahren wieder ein Orchester dirigiert hätte, seine Teilnahme an der Veranstaltung absagen musste, da ihm nach seiner Impfung gegen Covid-19 Nebenwirkungen schwer zugesetzt hatten. Es sei ihm deshalb an dieser Stelle von Herzen eine baldige Genesung gewünscht, wie auch die Möglichkeit einer raschen Wiederaufnahme seiner Dirigententätigkeit!
Die Mehrheit der vergebenen Preise konnte jedoch persönlich in Empfang genommen werden. Außerdem wurden einzelne noch von der Verleihung herrührende Preise vergeben, die 2020 in Sevilla nicht hatte stattfinden können. Zu letzteren gehörten die Auszeichnungen für den Komponisten Ivan Boumans (Composer Award 2020, ein entsprechender Preis wurde 2021 nicht vergeben) und den Dirigenten John Axelrod (Special Achievement Award 2020).
Die Violinistin Chouchane Siranossian nahm die Auszeichnung für ihr gemeinsam mit dem Venice Baroque Orchestra unter Andrea Marcon für Alpha eingespieltes Album mit Violinkonzerten Giuseppe Tartinis entgegen (Barock Instrumental), wobei sie ihrer Hoffnung Ausdruck gab, dem Schaffen des lange unterschätzen Komponisten mit ihrer CD zu größerem Ansehen zu verhelfen.
In der Rubrik Vokalmusik wurde die bei Opera Rara erschienene CD Anima Rara ausgezeichnet, ein Album mit Arien aus französischen und italienischen Opern des späten 19. Jahrhunderts. Die für ihre „große dramatische Künstlerschaft“ gelobte Sopranistin Ermonela Jaho, die es zusammen mit dem Orquestra de la Communitat Valenciana unter Leitung Andrea Battistoni aufgenommen hat, nahm den Preis mit den Worten an sich: „In diesen schwierigen Zeiten merken wir alle, wie sehr wir Kunst brauchen.“
Als beste Chormusik-CD wurde Ivan Repušićs Aufnahme des Kroatischen glagolitischen Requiems von Igor Kuljerić (1938–2006) mit dem Münchner Rundfunkorchester und dem Chor des Bayerischen Rundfunks prämiert, die bei der Hausproduktion des Bayerischen Rundfunks, BR Klassik erschienen ist. Der Dirigent nahm den Preis gemeinsam mit einem Sprecher des Chores in Empfang. In ihren Dankesworten merkten sie an, dass der der CD zugrundeliegende Konzertmitschnitt unmittelbar vor der pandemiebedingten Unterbrechung der Chor- und Orchesterarbeit entstanden ist. Die Veranstaltung der ICMA sei ihnen nun „Ermutigung daran zu glauben, wieder großformatig Musik machen zu können“. Die Musiker zeigten sich stolz darauf, dass sie Kuljerićs Werk 2020 noch realisieren und damit zum deutsch-kroatischen Kulturaustausch beitragen konnten.
Zur besten Kammermusik-Aufnahme wurde das bei Audite herausgekommene Album Fantasque mit Violinsonaten von Fauré, Debussy, Ravel und Poulenc, eingespielt von Franziska Pietsch (Violine) und Jou de Solaun (Klavier), gekürt. Franziska Pietsch, die in Begleitung des Chefs von Audite, Ludger Böckenhoff, erschien, berichtete in ihrer Dankesansprache u. a. von ihren Erfahrungen aus ihrer Jugendzeit in der DDR und erwähnte die Wichtigkeit, welche das Hören von Musik für Menschen gerade in schwierigen Zeiten haben kann.
Timo Hagemeister, der Manager von Berliner Philharmoniker Recordings, nahm für sein Label mehrere Preise entgegen: die Auszeichnung als Label des Jahres 2021, den im letzten Jahr verliehenen Preis für die beste Historische Aufnahme (für Wilhelm Furtwänglers Rundfunkaufnahmen 1939–1945) und den diesjährigen in der Rubrik Symphonische Musik (für Kirill Petrenkos 5-CD-Packung mit Symphonien von Beethoven, Pjotr Tschaikowskij und Franz Schmidt sowie Rudi Stephans Musik für Orchester). Gerühmt wurden von der Jury namentlich Petrenkos „phänomenale Aufführung“ der Siebten Symphonie Beethovens und die „raffinierte Transparenz“ des Orchesterspiels.
Günter Hänssler dankte für die Auszeichnung der bei seinem Label Profil erschienenen „wirklich herausragenden Zusammenstellung“ mehrerer Einspielungen der 24 Präludien und Fugen von Schostakowitsch (mit Swjatoslaw Richter, Emil Gilels, Tatjana Nikolajewa und dem Komponisten selbst) als beste Historische Aufnahme.
Matthias Lutzweiler, der Geschäftsführer von Naxos Deutschland, und sein Mitarbeiter für Presse und Öffentlichkeitsarbeit, Salvatore Pichireddu, nahmen die Preise entgegen, die zwei bei Naxos erschienene Video-Veröffentlichungen erhalten hatten: eine Produktion von Ambroise Thomas‘ Hamlet unter der Regie von Cyril Teste und der musikalischen Leitung von Louis Langrée (als beste Video-Aufführung), und Martin Mirabels Dokumentarfilm Lucas Debargue – To music (als beste Video-Dokumentation). In ihrer Ansprache betonten sie, dass die Menschen sich in der Pandemiezeit verstärkt über Tonträger mit Musik beschäftigten, was die Wichtigkeit dieses Mediums deutlich hervortreten ließ. Allgemein habe die Krise gezeigt, dass „Musiker, Publikum und Politiker“ (mit einem Blick auf die anwesenden Vertreter des Liechtensteinischen Staates) alle im selben Boot sitzen: „Wir haben alle erfahren, welche Bedeutung Musik hat.“
Für die beste Video-Aufführung wurde ein weiterer Preis an eine DVD des Lucerne Festival Orchestra vergeben, das unter Leitung von Riccardo Chailly mit Denis Mazujew am Klavier für Accentus Music ein reines Rachmaninoff-Programm aufgenommen hat. Zusammen mit dem Luzerner Festspielintendanten Michael Haefliger nahm Chailly die Auszeichnung an, die er zugleich als Ehrung seiner langen, durch viele DVDs dokumentierten Zusammenarbeit mit Accentus empfand.
Als Junger Künstler des Jahres wurde der 24-jährige Pianist Can Çakmur prämiert, der bereits im letzten Jahr aufgrund seines bei BIS erschienenen Debüt-Albums den Preis in der Rubrik Solo-Instrument gewonnen hatte, und deswegen nun zwei Preise in Empfang nehmen konnte.
Der Discovery Award, ein Preis der als Ergänzung zum Young Artist of the Year eingeführt wurde, um Nachwuchskünstler unter 18 Jahren zu ehren, ging an die 2006 geborene Geigerin Maya Wichert wegen ihrer „feinen Technik und ihres nuancenreichen, zutiefst musikalischen Spiels“.
Beide Träger des diesjährigen Orchestra Awards, der Geiger Marc Bouchkov und der Cellist Kian Soltani, sind beide mit der Internationalen Musikakademie in Liechtenstein eng verbunden und haben wiederholt als Solisten mit dem Sinfonieorchester Liechtenstein konzertiert. Wie oben bereits gesagt, war Kian Soltani terminlich verhindert, sodass nur Marc Bouchkov seinen Preis persönlich an sich nehmen und später im Konzert mitwirken konnte.
Einen Special Achievement Award erhielten Ingolf Turban und Dražen Domjanic. Turban wurde geehrt „als einer der meistaufgenommenen Violinisten unserer Zeit“, dessen Diskographie ein sehr breites Repertoire umfasst, das auch zahlreiche selten gespielte Werke einschließt. „Als virtuoser Spieler und geschätzter Pädagoge ist er stets bestrebt, seine Kenntnisse mit der jüngeren Generation zu teilen.“ In seiner Dankesrede hielt Turban mit gutem Humor kurz Rückschau auf eine 36-jährige Laufbahn, die sich wechselweise im Sitzen (als Konzertmeister unter Celibidache), dann im Stehen (als Solist) und wieder im Sitzen (als zuhörender Lehrer) abgespielt hat. Diese weiterzuführen sei ihm der Preis Motivation.
Dražen Domjanic hat sich in zahlreichen Funktionen, besonders aber als Gründer der Internationalen Musikakademie und des Kammerorchesters Esperanza sowie als Geschäftsführer des Sinfonieorchesters, um den Aufbau des Liechtensteinischen Musiklebens während des letzten Jahrzehnts verdient gemacht. Mit der Verleihung des Preises ehrte man seine „äußerst dynamische und inspirierte Leitung, unter welcher sich die Internationale Musikakademie in Liechtenstein zu einer Brutstätte international erfolgreicher junger Musiker entwickelt hat, welche konstant das internationale Musikleben bereichern“. Domjanic, dem attestiert wurde, das Fürstentum „auf die Weltkarte der Musik gebracht zu haben“, richtete in seiner Ansprache den Blick auf zukünftige Vorhaben: So werde 2024 für die Musikakademie ein Campus zur Verfügung stehen. Außerdem brachte er seinen Wunsch nach einer verstärkten finanziellen Unterstützung des weitgehend von Eigeneinnahmen und Sponsoren getragenen Sinfonieorchesters durch den Liechtensteinischen Staat zum Ausdruck.
Die musikalischen Darbietungen
In seinem Grußwort zur Preisverleihung hatte der Bürgermeister von Vaduz, Manfred Bischof, Igor Strawinsky zitiert: „Es reicht nicht, dass man Musik nur hören kann, man muss Musik auch sehen können.“ Ein Konzert sei ein Ereignis, das alle Sinne anspricht. „Sie alle“, sprach er zu den anwesenden Musikern, „machen Musik für unsere Sinne.“ Gewiss war dies allen Anwesenden, den zuhörenden wie den musizierenden, aus dem Herzen gesprochen! Entsprechend gespannt war man allgemein auf das der Preisverleihung folgende Galakonzert. Die Vorfreude wurde genährt durch zwei kammermusikalische Duo-Darbietungen, die im Verlauf der Verleihung zu hören waren. Zur Aufführung kamen Bohuslav Martinůs Variationen über ein Thema von Rossini für Violoncello und Klavier sowie Camille Saint-Saëns‘ Caprice in Walzerform op. 52/6 in Eugène Ysaÿes Bearbeitung für Violine und Klavier. In beiden Werken saß Tatiana Chernichka am Klavier, die, was bei einer Schülerin Eliso Virsaladzes nicht verwundert, energisch und robust in die Tasten griff. Cellistin in Martinůs Variationen war die 16-jährige Friederike Herold. In den raschen Außenteilen des Werkes stellte sie mit Kraft und Grazie unter Beweis, dass sie keinerlei technische Hürden zu fürchten braucht, und bezauberte im langsameren Mittelabschnitt mit ausdrucksstarkem Cantabile. Ihr Vortrag ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass man es hier mit einem bedeutenden Talent zu tun hatte, von dem man für die Zukunft viel erwarten kann. Dasselbe lässt sich auch von dem 20-jährigen Geiger Simon Zhu sagen, der die Saint-Saëns-Caprice mit einer Souveränität vortrug, die verriet, dass er sich das Stück ganz zu eigen gemacht hatte. Physische Kraft und sensible Artikulation verbanden sich in seinem Vortrag mit Sicherheit in allen Graden einer reich abgestuften Dynamik. Angesichts der technischen Schwierigkeiten des Virtuosenstücks büßte sein Spiel nirgends an Eleganz ein; alles klang leicht, fein und charmant. Simon Zhu und Friederike Herold sind Stipendiaten der Internationalen Musikakademie in Liechtenstein.
Das Preisträgerkonzert des Sinfonieorchesters Liechtenstein bot in seinen zehn Nummern nicht nur ein vielfältiges Programm, sondern machte darin auch mit einer nicht minder großen Vielfalt von Musikercharakteren bekannt. Passend zum Anlass wurde es mit der „bestgeeigneten, feierlichsten, freudigsten Musik“ eröffnet, mit der man diesen Preis zelebrieren könne. So hatte Riccardo Chailly während der Verleihung das Vorspiel zu Richard Wagners DieMeistersinger von Nürnberg genannt, welches er nun dirigierte. Strahlend und schwelgerisch entfaltete sich der Klang des Orchesters unter Chaillys Händen. Bei aller Opulenz ließ es der Dirigent aber nicht an der Liebe zum Detail fehlen, wie die zahlreichen schön herausgearbeiteten Dialoge zwischen den Orchestergruppen, namentlich den hohen und tiefen Streichern bewiesen. Die Schlusssteigerung gelang grandios.
Einen deutlichen Kontrast bot die anschließende Aufführung des Finalsatzes aus Pjotr Tschaikowskijs Violinkonzert. Das Orchester spielte nun unter Yaron Traub, dem, mit Ausnahme zweier Programmnummern, die musikalische Leitung des ganzen restlichen Abends oblag. Konnte man Chaillys Dirigat als ein Musizieren aus der Üppigkeit des Tuttis heraus bezeichnen – wozu das Meistersinger-Vorspiel freilich einladen kann –, so baute Traub den Orchesterklang auf eine kammermusikalische Weise auf. Bei Chailly kam es an wenigen Stellen dazu, dass wichtige Themeneinsätze stark zugedeckt wurden, wobei der Maestro jedoch immer sofort die Tonstärken auszubalancieren vermochte. Bei Traub hingegen erschien diese Balance als die Grundlage seines Musizierens. Die einzelnen Gruppen reagierten unter seiner mit sparsamen, prägnanten Gesten arbeitenden Leitung aufeinander wie die Mitglieder eines Streichquartetts. Dies schloss einen kräftigen Tutti-Klang nicht aus, aber man erlebte diesen immer als ein Zusammenfinden selbstständiger Stimmen. In der 15-jährigen Maya Wichert stand ihm bei Tschaikowskij eine kongeniale Partnerin zur Seite. Diese Geigerin, die über ein meisterliches, organisches Rubato verfügt, weiß im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen, versteht sich aber nicht weniger gut darauf, dem Orchester sein Recht zu lassen, wenn dieses etwas zu sagen hat. Ihre Fähigkeit, den anderen Musikern zuhören zu können, berührte außerordentlich sympathisch. Sie muss wohl auch eine hervorragende Kammermusikerin sein. Gewiss wird man in Zukunft von ihr hören.
Es folgte ein Programmpunkt, der aus dem nicht zustande gekommenen Sevillaner Konzert von 2020 hinübergerettet wurde: Der damals als Komponist des Jahres ausgezeichnete Ivan Boumans – 1983 in Madrid geboren, seit 1998 in Luxemburg ansässig – hatte durch die Uraufführung seines Orchesterwerks Organic Beats unter Leitung von John Axelrod geehrt werden sollen. Diese wurde nun in Vaduz nachgeholt, sodass mit Axelrod, der den Veranstaltungen der ICMA eng verbunden ist und bislang mehr Galakonzerte dirigiert hat als jeder andere, der dritte Dirigent dieses Abends zu hören war. Organic Beats ist ein opulent instrumentiertes Werk, Boumans verschmäht es keineswegs, das Orchester gelegentlich glitzern, glänzen und bunt schimmern zu lassen. Er verliert sich aber nicht in klanglichen Spielen und Aneinanderreihungen effektvoller Einzelheiten, sondern komponiert so, dass das Stück seinem Namen alle Ehre macht. Die dissonante, aber durchweg als tonal zentriert wahrnehmbare Musik entfaltet und entwickelt sich, spannt große Bögen, atmet ein und aus, pulsiert. Mehrfach wechselt das Tempo, rasche und langsame Abschnitte, letztere mit veritablen Streicherkantilenen, alternieren miteinander. Es entsteht aber kein Bruch, alles geht ungezwungen auseinander hervor, die unterschiedlichen Tempi zeigen ein lebendiges Wesen in verschiedenen Daseinszuständen. Das Geschehen mündet in einen hochpoetischen Schluss: Unter leisen Glocken- und Trommelschlägen entschwindet die Musik mit ins Geräuschhafte hinüberspielenden hohen Pfeiftönen. Das ist ein Werk, dem man gern im Konzertsaal erneut begegnen möchte, und dem man entsprechende Verbreitung wünscht! Der Komponist hatte während der Aufführung ungewöhnlicherweise direkt neben dem Dirigenten auf der Bühne gesessen. Gegen Ende des Stücks zeigte sich warum: Während einer Fermate übergab Axelrod, mit ihm die Plätze tauschend, den Stab an Boumans, der nun seine Komposition weiter dirigierte. Ganz am Schluss kam auch Axelrod wieder zum Pult hinauf, Komponist und Dirigent hielten einander umfasst und dirigierten die letzten Töne des Werkes gemeinsam. Wahrlich, eine anrührende Demonstration inniger Verbundenheit von Schöpfer und Interpret!
Das nächste Stück kam ohne Dirigenten aus. Von einem reduzierten Orchester begleitet, spielte Chouchane Siranossian den zweiten Satz (Largo andante) aus Giuseppe Tartinis Violinkonzert D 96. Ihr Vortrag machte den Eindruck, die Künstlerin, die ein Kind erwartet, spiele für dieses. Alles klang nach innen gerichtet. Die Geigerin nahm Tartinis Verzierungen, die sich auch in diesem ruhigen, stillen Satz reichlich finden, nicht als Hauptsache, sondern spielte sie flüchtig, wie beiläufig – was natürlich ihre technische Virtuosität und ihre Vertrautheit mit dem Werk erst recht zum Vorschein brachte. Die Musik wirkte entrückt, unwirklich, leicht dahinschwebend, wie ein Traum. Es folgte zum Abschluss der ersten Konzerthälfte erneut ein starker Kontrast: Marc Bouchkovs Darbietung von Tschaikowskijs Valse Scherzo op. 34 holte die Zuhörer auf den Boden zurück, nämlich auf den Tanzboden, wo es in den folgenden Minuten quicklebendig zuging, immer auf der Grenze zwischen rustikalem und salonhaftem Charme bleibend, keiner Seite ganz zuneigend, beides geschmackvoll ineinander übergehen lassend.
Der zweite Teil des Konzerts begann mit dem Kopfsatz von Robert Schumanns Klavierkonzert mit Can Çakmur als Solisten. Diese Aufführung wirkte nicht ganz so sehr aus einem Guss wie die übrigen des Abends. Çakmur, dessen pianistische Meisterschaft außer Frage steht, gestattete sich an mehreren Stellen, an denen er allein zu spielen hatte, Rubati, die den Fluss der Musik ein wenig hemmten und wirkten, als drohte dem Pianisten, im jeweiligen Moment des roten Fadens verlustig zu gehen. Dirigent Yaron Traub zeigte sich jedoch auch hier als idealer Partner, der es schaffte, seinen Solisten immer wieder aufs Neue mitzunehmen und die Musik unaufdringlich wieder in Bewegung zu bringen. In der Kadenz überzeugte Çakmur restlos. Franziska Pietschs Vortrag von Maurice Ravels Rhapsodie Tzigane klang unerbittlich streng. Sich des Verlaufs der Komposition in jedem Moment bewusst, entwarf sie zielsicher ein herbes und unsentimentales Stimmungsbild, das an keiner Stelle Raum für romantische Zigeuner-Klischees bot.
Während der Preisverleihung hatte Remy Franck Ermonela Jaho dem Publikum als die seines Erachtens größte Tragödin seit Maria Callas vorgestellt. Entsprechend gespannt war man auf ihren Auftritt mit der Arie „Addio, del passato“ aus Giuseppe Verdis La Traviata. In der Tat schlug die Sängerin das Publikum vom melodramatischen Beginn an in ihren Bann und hielt es erst recht während der eigentlichen Arie gefesselt. Vollkommene Identifikation mit der leidenden Violetta verband sich mit außerordentlicher künstlerischer Gestaltungskraft. Bei allem Hineinsteigern in ihre Rolle hielt Ermonela Jaho klug Maß mit ihren Kräften, sodass es ihr immer wieder möglich war, ausdrucksstarke Momente mit noch intensiveren zu übertreffen. Besonders gut gelang ihr das Ende der Arie: Den langen Abschlusston hielt sie im Mezzoforte aus und ließ ihn dann jäh abreißen. Yaron Traub entlockte dem begleitenden Orchester einen betont kargen Klang, was die bedrückende Stimmung der Musik noch unterstrich. Nach dem Verklingen des letzten Tones herrschte einen Augenblick lang betroffene Stille im Saal, dann erhob sich das Publikum zu stehendem Applaus – durchaus zurecht!
Die hier erreichte qualitative Höhe wurde in der nächsten Programmnummer gehalten. Ingolf Turban war der Solist in Saint-Saëns‘ Introduction et Rondo capriccioso op. 28, und vom ersten Takt an war klar, dass es sich bei dieser Aufführung um ein besonderes Fest für die Ohren handelte. Turbans Vortrag zeigte jene bestechende, unaufdringliche Natürlichkeit eines Musikers, der sich mit einem Werk aufs Innigste vertraut gemacht hat. Er weiß offenbar um die Rolle jeder einzelnen Phrase im Gesamtverlauf, jeder Moment des Stückes ging zwanglos aus dem vorigen hervor und zog den folgenden wie selbstverständlich nach sich. Alles war wunderbar aufeinander abgestimmt und von bestechendem organischem Zusammenhalt. Natürlich hörte man auch, dass dieses Rondo ein Virtuosenstück ist, aber Turban bewältigte die Schwierigkeiten mit so leichter Hand, dass er sich ganz aufs Herausarbeiten der musikalischen Feinheiten konzentrieren konnte. Alles Technische war Nebensache und stand im Dienste des Ausdrucks. Turbans Rolle in dieser Aufführung war die eines Primus inter Pares, der dem Orchester zuhört und dessen bedeutenden Anteil an der Gesamtwirkung respektiert, der mit ihm musiziert und nicht neben ihm. Damit kam er ganz Traubs Auffassung entgegen. So herrschte hier eine seltene Harmonie von Dirigent und Solist, sie wirkten in diesem Stück wie ein Herz und eine Seele. Das klingende Ergebnis war musikalische Hochkultur! Auch dafür gab es stehenden Applaus.
Zum Abschluss erklang, wie zu Beginn, ein reines Orchesterstück: die Jubel-Ouvertüre op. 59 von Carl Maria von Weber. 1818 zu Ehren des sächsischen Königs entstanden, zitiert das Werk am Ende die Melodie von „God save the Queen“, die damals mit dem Text „Gott segne Sachsenland“ als sächsische Königshymne diente. Kein Liechtensteiner wird jedoch bei ihrem Erklingen zuerst an diese Worte denken, denn mit dem Text „Oben am jungen Rhein“ ist die Melodie Nationalhymne Liechtensteins. Webers Werk war also durchaus am rechten Platz. Yaron Traub und das Sinfonieorchester Liechtenstein leisteten zum Ausklang des Abends auch in diesem Stück Vortreffliches.
Die durchgehend hohe Qualität dieser Aufführungen, sowohl der kammermusikalischen, als auch der orchestralen, stellte dem Musikleben des Fürstentums Liechtenstein ein denkbar gutes Zeugnis aus. Es wurde deutlich, dass an der Internationalen Musikakademie höchst fähige Kammermusiker und Solisten herangebildet werden, und dass das Sinfonieorchester zu außerordentlichen Leistungen fähig ist. Die Veranstalter der ICMA haben jedenfalls gut daran getan, den Fokus der Musikwelt auf das kleine Land am jungen Rhein zu lenken. Möge die Liechtensteiner Kulturarbeit, die solch günstige Ergebnisse gezeitigt hat, auch in Zukunft reiche Früchte tragen!