Schlagwort-Archive: Brunnenhof der Residenz

Motto „Sommermärchen“

Sonntag, 21. Juli 2019 Konzert der „Wilden Gungl“ im Brunnenhof der Residenz

Musik von W.A. Mozart, Carl Reinecke und Franz Schubert.

Solistin: Ivanna Ternay, Querflöte; Dirigent: Michele Carulli

Foto (c) M. Hallersleben

     Wenn Engel Musizieren, spielt auch Petrus mit! So konnten alle Besucher – anders als im Vorjahr – in den Genuss des Sommerkonzerts im Freien kommen, was die „Wilde Gungl“ in diesem Sommer unter dem Motto „Sommermärchen“ in der lauen Sommernacht ertönen ließ. Mit Mozarts Ouvertüre zur „Zauberflöte“ begann – nach der glücklicherweise üblichen, sehr informativen, stimmigen und anregenden Anmoderation durch Konzertmeister Arnim Rosenbach – die „Klangrede“ zur wohl bekanntesten Oper Mozarts. Ein gelungener Auftakt, der doch immer wieder überrascht, wenn die berühmten drei Akkorde ertönen.

     Zum zweiten Stück, dem Flötenkonzert in D-Dur des Komponisten Carl Reinecke (1824-1910), das er mit 84 Jahren  komponierte, erschien die Solistin Ivanna Ternay auf der Bühne. Dass dieser Komponist 30 Jahre lang das Leipziger Gewandhausorchester geleitet hat und als Lehrer von vielen bekannten Musikern wie Grieg oder Janacek (und vielen anderen) als Komponist genau wusste, wie ein Solokonzert zu sein hatte, wurde auch in diesem Werk sehr eindrücklich vermittelt: Nie übertönt das Orchester die Flöte, wenn es in den drei Sätzen übrigens hervorragend und behutsam begleitet; hat es selbst etwas Wichtiges im Forte zu sagen, ist es federführend ohne die Solistin. Der wunderbare Flötenton von Frau Ternay kam also mit einer Vielzahl von erlesenen Melodien genau so zum Tragen wie der Klang der „Wilden Gungl“ unter der Stabführung seines Dirigenten Michele Carulli. Eine Begegnung mit einem selten gespielten Flötenkonzert, das im Sommerabend genau die richtige Stimmung verbreitete.

     Nach der Pause war die Musik von Franz Schubert federführend, wieder einmal wurde klar, wie sehr Schuberts Musik durchaus auch opernhaft dramatisch klingen konnte, neben der Melodienseligkeit, die immer wieder entzückt und begeistert. Es stand neben der Ouvertüre zur verschollenen Oper „Die Zauberharfe“ einiges aus „Rosamunde“ auf dem Programm. All die leisen und lauten Töne, immer wieder überraschend in ihrer Klanglichkeit und der teilweise kühnen, sogar in einem Stück schon auf Bruckner hinweisende Harmonik, machten wieder einmal klar, was für ein Genie dieser jung verstorbene Musiker war. Gerade auch im Wettstreit mit dem damals in Wien zu Superstars emporgejubelten beiden Italienern Rossini und Paganini, der Schubert durchaus bewusst war. Die Atmosphäre ließ Orchester und Dirigent zu Hochform auflaufen, großer Beifall, den der Dirigent selbstverständlich mit den verschiedensten, besonders hervorgehobenen Musikerinnen und Musikern teilte und der mit zwei Zugaben von Edvard Grieg belohnt wurde:  Aus Peer Gynt „Anitras Tanz“ und „In der Halle des Bergkönigs“. In diesen beiden Stücken zeigte sich auch das enorme komödiantische und tänzerische Talent von Maestro Michele Carulli, der sich der Musik mit der ihm eigenen Begeisterung, mit Leib und Seele hingab. Blumen und gute Wünsche für die Zeit bis zum September.

    Im Übrigen: Ceterum censeo, aber das ist ja inzwischen leider Usus beim Münchner Feuilleton…

[Ulrich Hermann, Juli 2019]

Melodienzauber

Open-Air-Konzert „Sommerserenade“ am 22. Juli 2017 um 20 Uhr im Brunnenhof der Residenz
Symphonieorchester Wilde Gungl München Dirigent: Michele Carulli; Moderation: Dr. Arnim Rosenbach

Ulrich0063
Fotos: Matthias Hallensleben

Am Morgen war es noch bedeckt, am Abend allerdings wurde es ein traumhafter Sommerabend. Und dazu diese Sommerserenade im Brunnenhof, der fast voll war, Herz, was willst Du mehr? Das Orchester begann – wie üblich und bei „normalen“ Konzerten leider eben nicht mehr üblich – mit der Anmoderation des Konzertmeisters Arnim Rosenbach. Auf seine sehr ansprechende und informative Art führte er das erste Stück von Gioacchino Rossini ein, die Ouvertüre zu seiner Oper „Il Signor Bruschino“, bei dem der Dirigent Michele Carulli natürlich voll in seinem Element war. Ein wundervoller sommerlicher Auftakt dieses Abends. Als kleines „Schmankerl“ hatte Rossini in diese Instrumentierung für die zweiten Geigen ein Extra hineinkomponiert, denn die durften sich zeitweise als „Klopf-Geister“ mit ihren Bögen auf einem Brett, das sie auf den Schoß gelegt hatten, austoben. Als zweites Stück des Abends stellte Arnim Rosenbach das Trompetenkonzert Es-Dur von Joseph Haydn vor und den Solisten, den 22-jährigen Valentin Hammerl. Der junge Trompeter verzauberte mit seinem strahlenden, aber immer weichen und schönen Ton. Vom Orchester wurde er besonders intensiv und gefühlvoll begleitet, kein Wunder, denn Michele Carulli – selbst mit 19 Jahren Soloklarinettist an der Mailänder Scala – weiß natürlich genau, welch eine Rolle die einfühlsame Begleitung bei einem Solo-Konzert spielt. Besonders der langsame überaus melodiöse zweite Satz geriet zu einem musikalischen und klanglichen Höhepunkt. Schade, dass dieses Konzert fast 150 Jahre lang nach seiner Uraufführung in der Versenkung verschwunden war, es ist ein absolutes Meisterwerk seiner Gattung. Dem jungen Solisten kann man für seinen weiteren Weg nur alle Daumen drücken. Nach der Pause – in der ich mit dem Solisten einige Worte wechselte, und der unter anderem darauf bestand, dass sein Name mit W und nicht wie bei seinem berühmten Namensvetter Karl V. mit Vau ausgesprochen wird – erläuterte Arnim Rosenbach einiges zum folgenden Stück: Johannes Brahms und seiner Orchester-Serenade op. 11. In dem nun folgenden 45 Minuten langen Werk zeigten die Musiker der „Wilden Gungl“ alles, was in ihnen steckt. Die sechssätzige Serenade – fast schon eine Vorstufe zu Brahms’ späteren Symphonien – fordert den Musikern alles ab an Spielfreude, an intensivem Aufeinander-Hören, an Extremen in der Dynamik und an den typisch Brahms’schen rhythmischen Finessen. Und wie das Orchester, in denen einzelne solistisch sehr gefordert waren, z. B. der Paukist, die Bläser, die Kontrabässe, diese Musik sich entfalten und sie so entstehen ließ, war einfach großartig. Und brachte dem Dirigenten Michele Carulli und „seinem“ Orchester großen Beifall und mehrere „Bravos“. Zum Abschluss dieses famosen Musik-Abends erklang noch einmal der Beginn der Reprise des vorletzten Satzes. Und damit ging ein herrlicher Sommerabend im wunderschönen Münchner Brunnenhof zu Ende. Seit ich dieses Orchester und seine Konzerte mitverfolge, wird immer auffälliger, dass natürlich alles besser und intensiver wird, aber besonders auffällig ist die stetige Steigerung bei den Streichern, die mir schon in den letzten Aufführungen sehr deutlich wurde. Schon jetzt freue ich mich auf die nächsten Konzerte mit der „Wilden Gungl“.

Ceterum Censeo: Auch wenn das gesamte berühmte Münchner Zeitungs-Feuilleton diese Konzert wieder mal mit intensiver Nicht-Zur-Kenntnis-Nahme gewürdigt hat, dennoch: Wann wachen die bestimmten Damen und Herren auf und nehmen dieses inzwischen gar nicht mehr zu überhörende Münchner Orchester mit seinem über 153-jährigen Bestehen endlich zur Kenntnis.

[Ulrich Hermann, Juli 2017]