JohannSebastian Bach: Goldberg-Variationen; Anne-CatherineBoucher (Cembalo)
NAXOS, Art.-Nr.: 8.551405 / EAN: 730099140539
Eines dieser musikalischen Wunderwerke, die bei jeder Interpretation immer wieder neue Seiten offenbaren, sind Johann Sebastian Bachs„Goldberg-Variationen“. Es existieren buchstäblich Hunderte Einspielungen vondiesem musikalischen Welt-Erbe, einem der grundlegenden Meilensteine der Musikfür Tasteninstrumente.
Wie bei so vielen Werken Johann Sebastian Bachs gibt es gewisse fundamentale Unsicherheiten, die sogar bis zu der Ur-Frage zurückreichen, für welches Instrument Johann Sebastian Bach diese Werke eigentlich komponiert hat. Naxos hatte in diesem Jahr schon eine sehr beeindruckende Aufnahme der „Goldbergs“ veröffentlicht, die sich dadurchauszeichnete, dass sie die Weltersteinspielung des Stücks auf einem Instrumentnamens „Lautenwerck“ war. Wolfgang Rübsam, der Interpret der Aufnahme und einerder versiertesten Bach-Kenner überhaupt, legte in seinen Gedanken zum Stück nahe, dass Bach (der nachweislich selbst zwei Lautenwerke besaß), die Goldberg-Variationen wahrscheinlich für dieses Instrument geschrieben haben könnte.
Andererseits sollte man nicht vergessen, dass der Zyklus ein Auftragswerk gewesen sein soll. Und somit ist es auch nicht unwahrscheinlich,dass Johann Sebastian Bach womöglich doch eher das wesentliche und wohl ammeisten verbreitete Tasteninstrument seiner Zeit, das Cembalo, im Sinn gehabt hat, als er seine Variationen komponierte.
Auf dem Cembalo spielt Anne-Catherine Boucher nun – ebenfalls für Naxos – die Goldberg-Variationen und stellt sich damit in den Wettbewerb mit so namhaften Größen wie etwa Mahan Esfahani (Deutsche Grammophon) oder Christine Schornsheim (Capriccio), um nur zwei Beispiele zunennen.
Reden wir nicht lange um den heißen Brei herum: Anne-Catherine Boucher hält sich im Vergleich mehr als wacker, hat nach meinem Dafürhalten sogar die Nase vorn in diesem illustren Trio von Cembalistinnen/Cembalisten. Zwar offenbart ihr Vortrag, der überwiegend auf eher moderate bis langsame Tempi setzt, durchaus die eine oder andere technische Schwäche, überzeugt jedoch durch eine so ausgesprochen musikalische, wohlphrasierte Darbietung, dass man diese Neu-Einspielung der Goldberg-Variationen von dieser Warte herwärmstens empfehlen möchte.
In einer Zeit, in der die Goldberg-Variationen oft lieblosvirtuos heruntergenudelt werden, ist dieses Album ein wunderbarer Beitrag zusanglicher Spielkultur, bei dem die leichten spieltechnischen Abzüge kaum ins Gewicht fallen. Der Aufnahmeklang ist ebenfalls bestechend klar, vielleichteine Spur zu nah mikrofoniert, sodass man neben dem wunderbar disponierten Instrumentvon Matthias Griewisch nach Dulcken auch dessen Mechaniken hören kann, wasmanch feines Gehör durchaus als störend empfinden könnte.
Aber das ist Meckern auf hohem Niveau: Vielmehr ist hiereine wunderbar musikalische und sanglich phrasierte Goldberg-Variationen-Einspielungzu begrüßen, und das ist auch in einem unüberschaubar großen Konkurrenzumfeld doch noch immer etwas Besonderes – vor allem auf dem Cembalo, auf dem einflüssig-sanglicher Vortrag besonders schwierig zu realisieren ist.
Grete Catus, Dezember 2018