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Eine Perle in einem Meer aus Halbgarem

Claude Debussy
Sonate für Violine und Klavier
Sonate für Cello und Klavier
Sonate für Flöte, Viola und Harfe,
„Syrinx“ für Flöte Solo
Boston Symphony Chamber Players

Pentatone remastered classics, PTC5186226; EAN: 827949022661

Grete4

Zwar bin ich ein ausgesprochener Fan der Surroundtechnik, gleichwohl muss ich zugeben, dass mich die meisten der viel gepriesenen Wiederauflagen älterer Quadro-Einspielungen noch nie überzeugen konnten. Anders ist es mit diesem Album, das von vorn bis hinten überzeugt.

Ganz vorn mit dabei beim Wiederauflebenlassen der Quadro-Vierkanaltechnik ist das niederländische Label pentatone, faktisch ein Nachfolgeunternehmen des in den 1990er-Jahren in Würde verblichenen Philips Classics-Labels. Schon zu den allerersten Projekten der Anfang der 2000er-Jahre nach dem Philips-Exitus neu gegründeten Firma zählten Re-Issues von Quadro-Aufnahmen des einstigen Vorgängerlabels. Neuerdings haben sich die Niederländer das Archiv der Deutschen Grammophon vorgenommen, und was von dort aus bislang zutage trat, das war in aller Regel mehr als ernüchternd. Die Deutsche Grammophon war sowieso noch nie ein Label, das Hifi-Ansprüche zu erfüllen vermocht hätte – und das hat sich ja auch bis heute (leider!) so erhalten.

Die Quadro-Aufnahmen aus dem Keller der DGG, die bei pentatone bislang erschienen sind, waren deswegen auch alles andere als „Hingucker“ oder gar „Hinhörer“.

Überwiegend handelte es sich um Material aus der Zeit von Mitte der 1970er bis Anfang der 1980er, als die Deutsche Grammophon – sagen wir es offen – schon ihre besten Jahre hinter sich hatte. Sicher, Sternstunden hier und da. Aber das Gros der Veröffentlichungen triefte schon damals vor Langeweile.

Nun ist in der pentatone-Reihe der DGG-Quadro-Remasters doch noch ein veritables Highlight erschienen. Zwar ist es technisch ebenso wenig audiophil wie alle anderen Deutsche Grammophon-Platten aus dieser Zeit, aber interpretatorisch und vom Repertoire ist das erschienene Album sehr interessant.

Die „Boston Symphony Chamber Players“ spielen auf dieser Vierkanalaufnahme aus dem Jahr 1970 einen Großteil der Kammermusik Claude Debussys. Nun stutzt man angesichts des gesichtslosen Namens „Boston Symphony Chamber Players“. Wer genau spielt denn da bitteschön? Das Booklet der SACD klärt uns auf: Hier greift zum Beispiel der heute als Dirigent berühmte Michael Tilson Thomas in die Tasten und niemand Geringeres als Joseph Silverstein spielt die Solovioline. Zusammen bilden die beiden bei Debussys geradezu erotisch-freigeistiger, mit Orientalismen und Arabesken durchzogenen Violinsonate ein Duo, wie man es sich besser nicht vorstellen kann.

Der Gedanke an so etwas wie spieltechnische Hürden kommt gar nicht erst auf. Die hatten Silverstein und Tilson Thomas sowieso im Griff – …und konnten sich auf das Wichtige konzentrieren: Die Musik hinter den Noten, das irisierende Schillern dieser Musik, die tausend Farbschattierungen dieser Weltklassesonate.

Die anderen Solisten auf diesem Album wie Jules Eskin (Cello), Doriot Anthoy Dwyer (Flöte), Burton Fine (Viola) und Ann Hobson (Harfe) mögen weniger klangvolle Namen tragen als Silverstein und Tilson Thomas, sie pflegten aber bei dieser Aufnahme dieselbe Philosophie, wenn man so will: Äußerst beseelte, nachgerade hinreißende Einspielungen haben sie auf dieser insgesamt fantastischen Platte von der Cellosonate und der Sonate für Flöte, Viola und Harfe hinterlassen. Zu all dem kommt noch das kurze, aber zeitlos moderne „Syrinx“ für Flöte solo.

Wenn auch die anderen „Ausgrabungen“ aus dem Deutsche Grammophon-Archiv bei pentatone nicht viel Brauchbares hervorgebracht haben mögen, so ist doch wenigstens diese faszinierende Einspielung etwas für’s Leben. Wer diese Einspielung hat, kann damit immer glücklich sein. Es wird Alternativen geben, andere gelungene Einspielungen dieser herrlichen Musik. Aber übertreffen werden kann diese von vorn bis hinten einfach nur großartige Aufnahme aus Boston eigentlich nicht. Sie ist fast schon ein Gesamtkunstwerk, eine Einspielung, bei der man zu jeder Sekunde das Gefühl hat: So, genau so muss es sein. Eine Seltenheit und eine willkommene Wiederveröffentlichung in einer Flut von zu viel Halbgarem.

[Grete Catus, Dezember 2015]