Alle Beiträge von Ulrich Hermann

Klezmer-Musik aus dem Shtetl

Joachim Stutschewsky (1891-1982)
Kammermusik
Works for Cello and Piano, Klezmer Wedding Music, Hassidic Fantasy
Musicians of the Pittsburgh Jewish Music Festival
Aron Zelkowicz, cello; Luz Manriquez, piano; Jennifer Orchard, violin; Marissa Byers, clarinet

Toccata Classics TOCC 0314
5 060113 443144

Joachim Stutschewsky? Noch nie gehört? Dann geht’s Ihnen so wie mir. Als allerdings die ersten Takte seiner Musik erklangen, das war es um mich und meine Ohren – nein, nicht nur die – geschehen! Wer war dieser Unbekannte? Das hervorragende Booklet gibt erschöpfend Auskunft über den Musiker, der eine kurze Zeit 1924 in Wien Cellist des berühmten Kolisch-Quartetts war. Dann aber sich doch lieber seiner eigentlichen Bestimmung neben seinem Cello-Spiel widmete: der Komposition seiner ureigensten Musik, die auf der Herkunft aus einer Klezmer-Familie im Shtetl fußt. Und die er nach seiner Übersiedlung 1948 nach Palästina auch im neuen Staat Israel bekannt machen wollte. Aber wenig bis gar kein Interesse wurde seinen Plänen entgegen gebracht, die modernen seriellen und zwölftönigen Komponisten waren im neuen Kulturbetrieb gefragt, niemand wollte die alten jiddischen Weisen hören. Aufbruch zu neuen Unfern war die alleinige Devise. Und so kämpfte, spielte, missionierte Stutschewsky fast 20 Jahre lang, bis er die Renaissance seiner Musik und damit auch der ostjüdischen Tradition miterleben konnte.
Heute ist die Musik der Klezmorim weltweit bekannt und geliebt, was viele dementsprechenden Musikerinnen und Musiker in ihren Konzerten hören und spüren.

Die vier Musiker des Pittsburgh Jewish Music Festivals spielen Stutschewskys Musik, als wäre die Tinte auf den Notenblättern gerade trocken geworden. Mit Leib und Seele, mit Herzblut und Leidenschaft ertönen die Stücke, sei es für Klavier und Cello bei den allermeisten Stücken von 1933 bis 1962, oder für Klavier-Trio bei der Klezmer Wedding Music,  oder für Klavier, Cello und Klarinette in der Hassidic Fantasy. Natürlich verwendet Joachim Stutschewsky vor allem die Tonsprache seiner überlieferten Melodien, allerdings ist insbesondere die Klavierbegleitung deutlich farbiger und chromatischer, rhythmisch sehr pointiert und spannend. Es ist eine wahre Freude, diesen spielfreudigen und musikalisch-musikantischen Musikern zuzuhören, sich von der tiefen Emotionalität der Melodien mitnehmen zu lassen und immer aufs Neue einzutauchen in die Welt der Jahrhunderte alten Klezmer-Tradition, die uns heute in ihrer Unmittelbarkeit ganz besonders ansprechen kann. Auch wenn er die zeitgenössische Musik eines Schönberg, Berg und Webern direkt vor Ort in Wien miterlebt hat, sie sogar mit aus der Taufe hob, war Stutschewsky doch bald bewusst, dass sein Weg ein anderer, ein scheinbar rückwärts gewandter und doch andererseits so zutiefst menschlich verbundener war und sein würde, was seine Musik – zumal, wenn sie so überzeugend und hinreißend dargeboten wird – zu einer berührenden, überzeugenden Musenoffenbarung macht.

[Ulrich Hermann, Juli 2016]

Nun kennen wir Paul Coles!

FIRE DANCE
Ian Watt plays the Music of Paul Coles

Nimbus Alliance 6329; EAN: 0 710357 632921

Musik von Paul Coles ist auf Ian Watts neues CD „Fire Dance zu hören: Fire Dance – Danza del Fuego, Impromptu –Papillon, A Sunny Day – Un Dia Soleado, Serenade – A Song Without Words, Lost Love, Cradle Song, Coniston Suite (Bluebird, Elegy, Reflections), Lonely as a Cloud (Daffodils by William Wordsworth), Musicas Latinas (Ritmos de Danca, Romantica, Folia, Sonhos de Bolivia, Samba de Rio), Irish Suite (The Kingdom of Cruachain (Air), The Kingdom of Mumhan (Jig), The Kingdom of Laigin (Air), The Kingdom of Midhi (Air), The Kingdom of Uladh (Reel), Pilgrim’s Tale), Venezuelan Suite (Carnival el Callao, Medanos de Coro, Danza de Caracas, Variation  Upon a Sea Shanty).

Sie kannten die Musik von Paul Coles bisher noch nicht? Diese CD kann und wird das ändern. Paul Coles – das Booklet gibt dürftigste Auskunft und präsentiert ihn als reinkarnierten Komponisten des 19. Jahrhunderts – Google weiß ein wenig mehr, lässt ihn 1952 in Pembrokeshire, South Wales geboren werden und weist ihn als Autodidakten aus. 1978 gab er sein Debut als Gitarrist  in Malvern.

Auf dieser CD allerdings – wie auf einigen anderen auch – wird seine Musik vom jungen Gitarristen Ian Watt gespielt, und wie! Das ist sowohl kompositorisch als auch musikalisch eine wunderbare Entdeckung. In der ab und an öden Gitarren-Landschaft ein echter Lichtblick! Dieser Mann spielt nicht Gitarre, er musiziert und lässt die Musik eben auf diesem Instrument entstehen. Melodiös und intensiv erstehen aus den Klängen der ach so oft verkannten und so schwierigen und doch so verbreiteten „Klampfe“ Musikstücke, die man übrigens, wie das Booklet verrät – bei Gefallen auch selber bestellen und „nachspielen“ kann. Besonders gut haben mir die Stücke der Irish Suite gefallen. Doch auch die Coniston Suite – über den Lake District in Cumbria, wo Donald Campbell bei dem Versuch, den Geschwindigkeits-Weltrekord für Wasserfahrzeuge zu brechen ums Leben kam, was zu dieser Komposition Anlass gab – ist wie fast alle anderen Stücke auch gediegenste Musik auf allerhöchstem Niveau, was man sonst von den wenigsten Gitarre-Kompositionen der letzten 100 Jahre sagen kann. Aber aus Wales kommt seit Jahrhunderten gute Musik im Überfluss, und die Musik von Paul Coles bildet da keine Ausnahme, besonders, wenn sie von einem so guten, urmusikalischen Spieler realisiert wird.

[Ulrich Hermann, Juli 2016]

Vom Unerhörten zum Unhörbaren

Hyperion CDA 68 108; EAN: 0 34571 28108 7

Steven Osborne spielt Stücke von Morton Feldman* und George Crumb**:
Intermission 5*,   Processional**,   Piano Piece 1952*,   Extensions 3*,   A Little Suite for Christmas A.D. 1979** ,  Palais de Mari*.

Als ich 1991 im Rahmen des Münchner Pfingstsymposiums zum ersten Mal ein Stück für Violine und Klavier von Morton Feldman hörte, war der Eindruck äußerst stark und nachhaltig. Seinen Band mit Essays musste ich deswegen sofort haben, allerdings lag er dann eben – wie das manchmal so geschieht – jahrelang unbeachtet herum. Die CD mit Klaviermusik von Feldman und Crumb holte dies Buch endlich ans Licht und es erwartete mich wiederum eine ganz besondere Überraschung: Nicht nur die Musik  von Morton Feldman fesselte mich wie eh und je, auch er als Schreiber und Denker, als Essayist ist ein überaus spannender und beeindruckender Kopf, der nicht nur mit unzähligen Malern und Musikern Kontakt hatte oder sogar befreundet war, es macht auch verständlich, wie er selbst seine Rolle als zeitgenössischer Komponist sah und gesehen haben wollte. Ein besonders lesenswertes Buch zur Musik des 20. Jahrhunderts, nicht nur der amerikanischen.

Die CD selbst „prunkt“  mit einem ausgezeichneten Booklet – dreisprachig natürlich –, in dem zu allen Stücken Verständliches gesagt wird. Selbstredend muss ein Pianist, der diese „utopische“ Musik realisieren möchte, nicht nur sein Handwerkszeug beherrschen, was klar ist, er muss die Utopie der Musik von Feldman und Crumb, die sich jenseits der ausgefallensten Klavierstile des 20. Jahrhunderts bewegt, zum Klingen bringen, besser gesagt, Klang werden lassen, denn das ist eine der Voraussetzungen für diese „Musik“, die ans „Unhörbare“ grenzt und grenzen will. Sie will den Rahmen des „normalen“ Komponierens oder auch „Aufführens“ sprengen und den Hörer mit „seinem“ Hören alleine lassen. Wie uns die moderne Malerei oftmals auch mit der Unendlichkeit einer einzigen Farbe in die Irritationen des Gegenständlich-Abstrakten stürzen möchte, wo es keine Erklärung oder keine hilfreichen Definitionen mehr geben kann.

Kein Wunder, dass in New York um 1950 – Morton Feldman und John Cage wohnten eine Weile im selben Hochhaus – alles in Bewegung war, im Aufruhr, denn man wollte endlich die eingefahrenen – sehr oft europäisch ererbten – Kriterien von Kunst und Können, bzw. Müssen, hinter sich lassen.

Alles wird relativiert und in Frage gestellt, Zeit und Ort der Aufführung, Dauer und Art – einige Stücke von Morton Feldman dauern über 4 Stunden – und der einzelne Ton, der einzelne Klang wird in seine ursprüngliche Unfassbarkeit und „Wunderlichkeit“ zurückgeführt.

Kein Wunder also, dass nach dem Anhören dieser Musik, dieser Klänge bis hin zum Unhörbaren eine neue Sensibilität für alle andern Arten sich einstellen kann und möchte. Die große Frage, die sich nach dem Anhören dieser „Musik“ stellt, ist die, ob Klänge oder Klangerlebnisse dieser Art überhaupt aufgeschrieben bzw. komponiert werden müssen, oder ob sich solches Erleben nicht viel besser und adäquater im Augenblick, das heißt, in der Improvisation gültig macht – Musik ist eine „Zeitkunst“, der hörbare (oder unhörbare) Moment ist das Wesen solcher Kunst!

Ob allerdings dieser Weg ein Echo findet in der heutigen – alles ist machbar, Herr Nachbar! – Welt, ist mehr als fraglich, doch umso begrüßenswerter ist diese CD.

(Allein die Gelassenheit und Zeit, die solche Stücke fordern, lässt das ganze Projekt sehr idealistisch und notwendig erscheinen!)

[Ulrich Hermann, Juli 2016]

Schöner als eine Gitarre!

A Tribute To The Mighty Handful
The Russian Guitar Quartet

César Cui (1835-1918)
Cherkess Dances
Cossack Dances

Modest Mussorsky (1839-1881)
Potpourri from „Boris Godunov“

Mily Balakirev (1836-1910)
Mazurka No. 3
Polka
Balakireviana

Alexander Borodin  (1833-1887)
Polovetsian Dances

Nikolay Rimsky-Korsakov (1844-1908)
Sheherazade In Spain

Delos; EAN: 0 13491 35182 7

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Natürlich blühte auch in Russland die Musik für Gitarre, besonders im 19. Jahrhundert. Und die sogenannte Russische Gitarre hatte nicht wie die „normale“ klassische spanische Gitarre sechs Saiten, sondern sieben, oder sogar noch mehrere Basssaiten wie etwa die Wiener Schrammel-Gitarre.

So  spielt auf dieser CD mit Adaptionen ursprünglich für Klavier oder für Orchester geschriebener Musik das Russische Gitarren-Quartett, bestehend aus den Herren Dan Caraway, Alexej Stepanov, Vladimir Sumin und Oleg Timofeyev, zwei Gitarren mit Bass-Saiten und dazu zwei Quart-Gitarren. Und der Musik des „Mächtigen Häufleins“ ist diese CD gewidmet, den fünf prominenten russischen Komponisten, die sich 1862 in Sankt Petersburg zusammenschlossen, um eine neue nationalrussische Musik zu schaffen.

Alle Stücke sind Bearbeitungen, teils von Oleg Timofeyev, teils von Alexej Stepanov, teils auch von Victor Sobolenko (http://vk.com/id4007255), über den sich das Booklet ausschweigt. Alles über die Kompositionen und über das Russische Gitarren-Quartett kann man aber gut informierend nachlesen.

Das Besondere an dieser CD ist nun allerdings vor allem die Art und Weise, wie die vier diese Musik zum Klingen bringen. Dass alle Spieler eben wissen, was eine Melodie ist, und wie man sie auf der Gitarre spielt, dass sie das eben mit Gefühl und enormer Musikalität tun, wobei die Rhythmik überhaupt nicht zu kurz kommt, das ist etwas ganz Besonderes. Und macht das Zuhören zu einem – leider bei vielen Gitarren-CDs so gar nicht eintretenden – Genuss (siehe meine Besprechung des Gitarren-Quartetts „Gala Night“ hier bei The-New-Listener vor einiger Zeit).

Nun denn, diese vier Herren lassen die Stücke des „Mächtigen Häufleins“ so schön und gelassen erklingen – fernab von jeder technischen Selbstdarstellung oder Schnelligkeits-Vergötterung –, dass die Musik erscheint, als wäre sie für die vier Gitarren original komponiert. Das Zusammenspiel ist fabelhaft, der Klang der Instrumente auch, so dass man getrost sagen kann: Was ist schöner als eine Gitarre? Vier Gitarren!

Natürlich haben sich die Musiker über ihr Repertoire Gedanken gemacht und hinreißende Stücke ausgewählt wie zum Beispiel die Tänze von César Cui oder die berühmten Polowetzer Tänze von Alexander Borodin aus der Oper „Fürst Igor“, aber auch alle anderen Bearbeitungen klingen wunderschön und hinterlassen nur einen Wunsch: den nach mehr.

[Ulrich Hermann, Juni 2016]

Lieder zweier Unbekannter

Cornelia Hübsch, Sopran
Charles Spencer, Klavier

Erich Wolfgang Korngold (1897-1957)
Unvergänglichkeit op. 27

Karl Goldmark (1830-1915)
12 Gesänge op. 18
4 Lieder op. 21
4 Lieder op. 34

Capriccio 3004
8 45221 03004 3

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Erich Wolfgang Korngold ist vor allem durch seine Oper „Die tote Stadt“ bekannt geworden. Als jüdischer Komponist musste er in die USA emigrieren und hatte dort große Erfolge als Komponist von Film-Musik. Seine Lieder op. 27 mit dem Titel „Unvergänglichkeit“ sind Teil eines Vokalœuvres, das neben den anderen Kompositionen durchaus seinen Raum einnimmt. Die Texte stammen von einer gewissen Eleonore van der Straten-Sternberg und sind für einen heutigen Hörer eher schwer erträglich, mögen aber damals durchaus zu Vertonungen angeregt haben.

Die Lieder von Karl Goldmark gehören einer anderen Zeit und natürlich auch einem anderen Stil an. Sie hören sich teilweise an wie in Schuberts Nachfolge, ohne sonderlich epigonal zu sein, und sind durchaus eine Bereicherung  des Liedrepertoires.

Allerdings haftet dieser CD – wie vielen anderen, wenn es um Gesang, speziell um Kunstlieder geht – ein erschreckendes Manko an: Man versteht von den gesungenen Texten kein Wort. Nun fehlen auch im beiliegenden „Booklet“, wenn man die beiden einliegenden Seiten überhaupt als solches bezeichnen möchte, sowohl etwas Biographisches über die beiden Tondichter als auch die vertonten Texte. Ein Nachteil, dem die beiden Musiker, Cornelia Hübsch, Sopran und ihr Begleiter am Klavier, Charles Spencer – er wenigstens kein Unbekannter –, zum Opfer fallen, denn das sollte bei einem heutigen vernünftigen CD-Label doch eine Selbstverständlichkeit sein, dass das Booklet über die wichtigsten Inhalte Auskunft gibt.

So bleibt wieder einmal zu beklagen, dass der heutige Gesangsunterricht eben nur Wert zu legen scheint auf die Stimme und ihre Größe bzw. auf das Timbre, dass aber Textgehalt und Wortverständlichkeit völlig zu kurz kommen, was bei dieser CD doppelt ins Gewicht fällt. (Wie gut, dass man wenigstens im Internet die Texte teilweise nachlesen kann, denn in Goldmarks Fall kommen sie wenigstens bei op. 21 vom schottischen Dichter Robert Burns [1759-1796], immerhin!)

Dabei hat doch Hans Gál (1890-1987) in seinem Buch „Franz Schubert oder die Melodie“ so wunderbar beschrieben, was einen wirklich guten Liedvortrag ausmacht: „…und man hat das Recht, bei der Erwägung einer solchen Frage an den vornehmsten Typ eines Interpreten, eines Hörers und an die vollkommenste Wortdeutlichkeit zu denken – , so wird für ihn eine Meistervertonung eines Gedichts von höchster Vollendung ein Erlebnis sein wie kein anderes.“ (S. 86)

Davon ist nun bei dieser CD – wie bei vielen anderen auch, wenn es um den heutigen Liedgesang geht – nicht einmal die Andeutung eines Anscheins zu vernehmen.

[Ulrich Herman Mai 2016]

Die Gitarre? Ein noch sehr junges Instrument!

Smaro Gregoriandou
EL ALEPH
20th and 21th Century Guitar Music

Open source Guitars
Helmut Oesterreich, conductor

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Fernande Peyrot (1888-1978)
Préludes pour Guitare

Agustin Barrios (1885-1945)
Prélude in C-moll
Las Abejas
Aire de Zamba
Danza Paraguaya

Manuel Ponce (1882-1942)
Thème varié et Finale

Hans Werner Henze (1926-2012)
Drei Tientos

Nikita Koshkin (* 1956)
Toccata

Sean Hickey (*1970)
Tango Grotesco

René Eespere (*1953)
Tactus Spiritus

Stepan Rak (*1945)
Temptation Of The Renaissance

Smaro Gregoriadou (* ?)
El Aleph (for Guitar Ensemble)

Delos 4390
0 13401 34902 2

Dass die Gitarre ein noch sehr junges – und damit relativ unausgereiftes – Instrument ist, verglichen mit Geige, Flöte oder ähnlichen „alten“ Instrumenten, ist bekannt und oft beklagt worden. Daher ist es kein Wunder, dass sich unzählige Neuentwicklungen, Erfindungen und Prototypen finden, die diesem „Miss-Stand“ abhelfen sollen. So auch die griechische Gitarristin Smaro Gregoriadou, die mit den von Kertsopoulos entwickelten Instrumenten diese CD mit Musik des 20. und 21. Jahrhunderts einspielt. Was das im Einzelnen für Instrumente sind, beschreibt das Booklet, allerdings nur auf englisch – vor allem aber Youtube, wo man diese Gitarren auch hören und sehen kann.

Recht zwiespältig bleibt die Scheibe trotzdem. Der Klang der verschiedenen Gitarren ist bei den meisten Stücken sehr faszinierend und beeindruckend. Über die französische Komponistin Fernande Peyret (1888-1978) erfuhr ich hier zum allerersten Mal etwas. Auch zu den nach 1945 geborenen Komponisten, die mit ihren Stücken vertreten sind, gibt das Booklet erschöpfend Auskunft. Besonders gelungen sind die Stücke von Agustin Barrios, denen die neuen Klänge sehr entgegenkommen. Auch die drei Tientos des damals noch jungen Hans Werner Henze (1926-2012) gewinnen sehr. Die eigene Komposition der Gitarristin, die sie 2013 für ein Gitarren-Ensemble der Staatlichen Musikhochschule Trossingen komponierte, gefällt mir leider nicht, denn das geht über ein merkwürdiges Konglomerat an Geräuschen und Klängen nicht erkennbar hinaus.

Ob dieser neue Weg der verschiedensten Gitarren hin zu einer neuen Musik und einer neuen Beurteilung führt – ein Werbetext spricht in dem Zusammenhang von Glen Gould oder Wanda Landowska und Vladimir Horowitz –, das bleibt abzuwarten.

Jedenfalls eine sehr interessante, wenn auch nicht rundum zu empfehlende Neuerscheinung.

[Ulrich Hermann Mai 2016]

Oper mal ganz anders

Oper mal ganz anders

GILBERT & SULLIVAN

HMS PINAFORE

Scottish Opera
Richard Egarr, Conductor
Tim Brooke-Taylor, Narrator

John Mark Ainsley, Elizabeth Watts, Toby Spence, Hilary Summers, Neal Davies, Andrew Foster-Williams, Gavan Ring, Barnaby Rea, Kitty Whately

Linn CKD 522
6 91062 05222 1*

Free Template Photoshop File

Arthur Sullivan (1842-1900) und sein Librettist William Schwenck Gilbert (1836-1911) waren das erfolgreichste Duo der englischen Operngeschichte, auch wenn es bei den beiden nicht immer ohne Zank und Zoff abging. ‚HMS Pinafore’ war jedenfalls ihr erster großer „Hit“ und steht auch heute noch regelmäßig auf dem Programm britischer – in diesem Fall schottischer – Bühnen. Für die Live-Aufnahme beim Edinburgh International Festival vom 23. August 2015 kam ein glänzendes Ensemble zusammen, dem man die Sing- und Spielfreude und Begeisterung auch auf der CD-Aufnahme anmerkt und anhört.
Natürlich ist die Musik nicht von Mozart oder von Schubert, aber Arthur Sullivan – er wollte sich am allerliebsten als Komponist ernster geistlicher Musik sehen – ist in seiner eigenständigen Art stets ein hörenswertes Vergnügen, dem solche Solisten wie John Mark Ainsley oder Hillary Summers natürlich noch ihre ganze Kunst und ihr Können dazu geben. Zusammen mit dem Erzähler Tim Brooke-Taylor, der in tadellosestem Englisch – wie schön kann gesprochenes Englisch klingen! – den Faden der Geschichte weiterbringt von  der Kapitänstochter, die einen anderen liebt als den, den ihr Vater für sie ausgewählt hat, die alte Story also…

Dazwischen hinreißende Chöre und Ensembles, kurzum ein Vergnügen, das diese Live-Aufnahme durchaus adäquat einfängt. Natürlich erinnert das sicher viele auch an spätere Filme mit Fred Astaire wie z. B. „Follow The Fleet“, aber das muss ja nun wirklich kein Minuspunkt sein.

[Ulrich Hermann Mai 2016]

Zwei Klaviere und Max Reger

Musikproduktion Dabringhaus und Grimm, MDG 330 0765-2

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Max Reger
Werke für zwei Klaviere
Piano Duo Trenkner-Speidel

Variationen und Fuge über ein Thema von W.A. Mozart op. 132a
Variationen und Fuge über ein Thema von Ludwig van Beethoven op.86
Introduktion, Passacaglia und Fuge op.96

Evelinde Trenkner und Sontraud Speidel sind als Klavierduo schon gut bekannt und haben in ihrem Repertoire nicht nur die Standardwerke, sondern auf dieser CD zum 100.  Todestag des Komponisten Max Regers Gesamtwerk für zwei Klaviere eingespielt.

Alle drei Kompositionen überzeugen sowohl von der Musik her als auch vom Spiel. Was mich immer wieder aufs Neue überrascht ist die Tatsache, wie anders zwei Klaviere klingen – wie anders als zum Beispiel ein Klavier zu vier Händen. Die Aufnahme von der Musikproduktion Dabringhaus und Grimm ist klanglich exzellent und das Anhören der beiden „alten“ Steinways von 1901 ein Vergnügen. Und die Ausführungen sind sehr kompetent und eröffnen einen neuen Zugang zu Werken von Max Reger, dessen Musik man ja oft Monstrosität und klangliche Überfrachtung nachsagt. Nicht aber in diesem Fall, wo die andere, die „leichte“ Seite des Komponisten zu ihrem Recht kommt, was sich natürlich besonders bei den Variationen über das Thema aus Mozarts „Frühlings-Sonate“ hörbar macht, die in einer herzbewegenden Gelassenheit und Fröhlichkeit daher kommt, der auch der „Moll-Teil“ nicht sonderlich Abbruch tut, wie auch die jedem Variationenzyklus folgende Fuge nicht. Sie zeigt eben obligatorisch den Meister auf seinen polyphonen Höhenflügen, die jedes Mal erstaunlich sind. Die Beethoven-Variationen und das Opus 96 sind auf dem selben exzellenten Level.

Zum Gedenken  an den sich jährenden Todestag des Komponisten Max Reger ist diese CD sehr gut zusammengestellt und kann nur wärmstens empfohlen werden.

[Ulrich Hermann Mai 2016]

Alte Musik – Neu erlebt

ALTE MUSIK – NEU ERLEBT

REIS GLORIOS
L’influence de la musique arabe dans la mytholigie occitane

Les Saqueboutiers
Ensemble de cuivres anciens de Toulouse

Pierre-Yves Binard, baryton
Renat Jurié, baryton, récitant

Jean-Pierre Canihac, cornet à bouquin
Philippe Canguilhem, chalmie, bombarde, flûtes à bec médievales
Daniel Lassalle, sacqueboute
Lucile Tessier, bombarde, flûtes à bec médievales
Jodël Grasset-Saruwatari, Luth médiéval, rebec, oud, psaltérion à archet
Florent Tisseyre, tambour, daf, pandereta, derbouka, bûche, cloches

Musiciens invités:
Pierre Hamon, flûtes à bec médievales, flûte double, frestel, bansouri, cornemuse
Driss El Moloumi, oud, chant

Bertran de Born, Bernard de Ventadorn, Buhuri Zade Mustafa Hiri, Girau de Bornhelh, Johannes Ciconia, Livre vermeil de Montserrat et anonyme.

Flora 3916
3 149028 082920

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Um den arabischen Einfluß auf die abendländische Musik des frühen Mittelalters, darum geht es auf dieser CD des französischen Ensembles „Les Sacqueboutiers“. Die Musikerinnen und Musiker spielen – wie in Ensembles mit alter Musik oft – verschiedenste Instrumente, die und deren Spielweise sie teilweise neu entdecken.

Über all die Hintergründe – und auch die gesungenen Texte – gibt das Booklet ausführliche Informationen, wenn auch nur auf französisch und englisch.

Das eigentlich faszinierende an dieser neuen CD aber ist die Musik, die in einer fabelhaften Art und Weise dargeboten wird. Das „groovt“ und „swingt“ daher, fährt einem nicht nur in die Ohren, sondern in die Beine und in den Leib, dass es eine wahre Wonne ist. Wenn „Alte Musik“ so lebendig und überzeugend gespielt wird, dann ist der alte Staub, der musikalischen Darbietungen dieser Art oft anhaftet, wie weggeblasen. Auch die Stimme des Sängers Driss El Moloumi, angenehm und doch kraftvoll und verständlich, trägt zum positiven Eindruck dieser so lang zurückliegenden Musik bei.

So wird aus der „Alten Musik“ eine unerhört „Neue Musik“. Dem Ensemble ist weitere Popularität zu wünschen, und uns Zuhörern noch mehr Entdeckungen dieser hinreißenden Art.

[Ulrich Hermann Mai 2016]

Gefilde der seligen Geister

Matinée am 5. Mai 2016 um 11 Uhr im Prinzregententheater
Symphonieorchester Wilde Gungl München
Dirigent: Michele Carulli; Moderation: Arnim Rosenbach

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Am strahlenden Himmelfahrtstag ein strahlendes Konzert im ausverkauften Saal des Prinzregententheaters, das ist ein treffliches Zusammenkommen. Und solch ein Konzert können die Münchner nur mit „ihrer“ WILDEN GUNGL erleben! Aufforderung zum Tanz hieß das Motto nach dem berühmten Stück von Carl Maria von Weber – das natürlich auch zu hören war im bunten Strauß der Stücke, die dieses Himmelfahrts-Konzert ausmachten. Viele davon waren die sogenannten Reißer, der Blumenwalzer aus dem „Nußknacker-Ballett“ von Tschaikowsky, der Kaiserwalzer von Strauß, Kontretänze des jungen Beethoven, zu Beginn ein Mozart-Menuett aus dem Divertimento KV 317. Also alles Stücke, die man durchaus kennt und sicher auch schon oft gehört hat. Auf CD, im Radio oder sonst wo. Aber:

So, wie sie heute die Musikerinnen und Musiker des Symphonieorchesters Wilde Gungl entstehen ließen, wie es eben doch nur bei einem Live-Konzert zu erleben ist, das hat wieder einmal die ganze Kraft und Energie der Tonkunst gezeigt. Keine noch so gute Aufnahme, kein noch so guter Mitschnitt kann eben das leibhaftige Entstehen von Musik ersetzen, da hatte Maestro Celibidache einfach Recht.

Und wie die Kompositionen heute entstanden! Anmoderiert auf seine unnachahmlich charmante Art vom Konzertmeister Arnim Rosenbach ergab sich aus dem Programm mit den vielen Einzelstücken ein wunderbarer Bogen von Mozart bis zu den zwei Zugaben, die sich das begeisterte Publikum erklatschte. Und gerade bei den scheinbar ach so oft gehörten „Ohrwürmern“ kam durch die Klangentfaltung und durch das Wahrnehmen der einzelnen Orchestergruppen oder Solisten das „Gungl-Wunder“ – wie es der Präsident Kurt-Detlef Bock hinterher beschrieb – eben jene Magie auf, die Musiker und Zuhörer gleich verzauberte und mitnahm in die „Gefilde der Seligen Geister.“

Natürlich hatte Maestro Michele Carulli daran den Anteil, den er als Dirigent an all den drei Konzerten, die ich bisher das Vergnügen hatte, zu hören, als „Anfeuerer“, als tänzerischster „Begeisterer“ eben einfach hat. Seine intensive und mitreißende Körpersprache, sein völliges Aufgehen im Augenblick der Gestaltung eines Stückes, sind umwerfend, eben con anima e corpore, wie ich schon einmal schrieb. Nur waren es heute eben Aufforderungen zum Tanz, die ein leider zum Stillsitzen verurteiltes Publikum eben nur innerlich – immerhin – erleben konnte. Der schon beim letzten Konzert im Herkulessaal ausnehmend weiche und dennoch füllende Klang der Streicher wurde aufs Schönste und Passendste ergänzt und gesteigert durch die Bläser und in einigen Stücken natürlich auch durch die Pauke, die Harfe (!) und verschiedenste „Schlagzeuge“. Den Solistinnen und Solisten galt denn auch nach jedem Stück Maestro Carullis Dank, den er – wie zum Schluss auch einigen Damen des Orchesters die Rosen – vollendet „gentlemanlike“ zum Ausdruck brachte.

Im letzten Stück des offiziellen Programms – einem Ausflug nach Brasilien mit der Komposition „Tico-Tico“ von Zequinha de Abreu – brach ein Beifallssturm los, den das Orchester zusammen mit Maestro Carulli mit zwei Zugaben beantwortete. Im letzten, einem Galopp des Namensgebers des Orchesters Josef Gung’l machte er sich mit perfekt geschauspielertem „Entsetzen“ über seine „Rolle“ als Dirigent lustig: nach dem Goethe’schen Motto „Wer sich nicht selbst zum Besten halten kann, der ist gewiß nicht von den Besten!“

Und das kann man von ihm und „seinem“ Orchester“ nach diesem wunderbaren, herzbewegenden Konzert sicher nicht sagen.

(Ceterum censeo: Auch die Münchner Presse täte langsam gut daran, die Konzerte der „Wilden Gungl“ endlich einmal angemessen zur Kenntnis zu nehmen und zu würdigen!)

[Ulrich Hermann, Mai 2016]

[Rezensionen im Vergleich:] Unsere Welt Swingt!

We’ve Got A World That Swings

Claire Martin
Ray Gelato

David Newton, Piano
Dave Whitford, Double Bass
Sebastian de Krom, Drums and Percussion

Linn Records AKD 524
6 91062 05242 9

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„Nobody would blame you for asking `Does the world really need an album of duets by Claire Martin an Ray Gelato?“

So der erste Satz im Booklet. Und wenn man dann die Scheibe auflegt, verschwindet diese Frage ins Nichts. Natürlich gibt es überflüssige CDs (ich denk da nur an die mit den vier höchst unmusikalischen Gitarristen, die vor kurzem bei Naxos erschien: Eine Rezension davon bei The New Listener), aber diese ist es bestimmt nicht, so groovy, so swingy, so leicht und locker und jede Silbe verständlich und jeder Song erfüllt. (Warum versteht man bei den meisten klassischen Sängerinnen und Sängern kein Wort, und bei den Jazz- und Popsängern jede Silbe- abgesehen vom Gröhnemeyer oder Lindenberg? Irgendwas läuft da völlig falsch in der klassischen Gesangsausbildung!)

Nicht so bei diesem Gesangsduo, wobei Gelato auch als Saxophonist eine gute Figur macht. Es ist ein Vergnügen, den beiden unverkünstelten Protagonisten zuzuhören und ihren drei musikalischen Partnern. Wobei natürlich  von  „We’ve Got A World That Swings“ über „C’est Si Bon“  bis hin zu „Smack Dab In The Middle“ ein bunter Reigen hinreissender Jazz-Songs ausgebreitet wird, bei dem das MitSwingen zum Vergnügen wird.

Die insgesamt 13 Lieder mit den 46 Minuten Spielzeit sind eine Ohren-Weide und entspannen Leib, Seele und Gehör auf’s Schönste. Absolut empfehlenswert!

[Ulrich Hermann Mai 2016]

[Rezensionen im Vergleich] Komponistenportrait Juan José Chuquisengo

22. April 2016 20 Uhr im FM Z

Tango – Inka – Lilburn  – Beethoven
Portrait Juan José Chuquisengo

Ottavia Maria Maceratini Klavier

Symphonia Momentum-Quintett
Rebekka Hartmann, Violine
Anna Möllers, Violine
Shasta Ellenbogen, Viola
Nargiza Yusupova, Violoncello
Artem Ter-Minassian, Kontrabass
Juan José Chuquisengo, Dirigent

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Mariano Mores (1918 – 13.4.2016 arr. J.J. Chuquisengo
Taquito militar (Milonga) für Violine und Klavier

Juan José Chuquisengo
Guerrero Andino für Klavier Solo DEA

Juan José Chuquisengo
Tango-Metamorphosen für Streichquintett UA

Douglas Lilburn (1915 -2001)
Three Canzonettas für Violine und Viola (1943/1958)
Duo Nr. 5 für 2 Violinen (1954)

Ludwig van Beethoven (1770-1827)
Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur op. 15 (1795)
Arr. Für Klavier und Streicher von Vinzenz Lachner (1811-1893)

Welch ein Abend im ausverkauften, proppevollen Konzertsaal des FMZ! Ein Programm von den Anden über „down under“ bis zum Wienerwald, vom peruanischen, in München lebenden Komponisten und Pianisten Juan José Chuquisengo über den Neuseeländer Douglas Lilburn zurück zum Wiener Altmeister Ludwig van …, was für ein musikalischer Bogen! Sehr temperamentvoll gleich der Beginn mit Mariano Mores’ Milonga für Violine und Klavier, die bei Ottavia Maria Maceratini und Rebekka Hartmann in besten Händen war.
Die Erinnerung an einen außergewöhnlichen Mann in den Anden hatte Juan José Chuquisengo zu seinem Klavierstück Guerrero Andino (Andenkrieger) animiert. Da er selbst ein überragender Pianist ist, war die deutsche Erstaufführung dieser Komposition – sie paraphrasiert frei Stilelemente der indianischen Kultur – über die Verwendung des gesamten Klangspektrums des Flügels angefüllt mit virtuosesten Trillerketten und darunter oder darüber liegenden Melodien.
(Mehr über Ottavia Maria Maceratinis sensationelles Klavierspiel kann man auch bei „The New Listener“ nachlesen über ihr Debut in der Züricher Tonhalle vor wenigen Tagen.)
Jedenfalls meisterte sie die immensen Schwierigkeiten gelassen und bravourös, vom leisesten pianissimo zum auftrumpfendsten Fortississimo ist ihr Ton immer kraftvoll und nie hart. Diese Klavierfantasie hat das Zeug. zu einem der ganz großen Repertoirestücke der neuesten Klavierliteratur zu werden. (Allerdings werden es nur wenige Spieler so spielen können, wie wir es an diesem Abend erleben durften.)

Nach dem KlavierKlangErlebnis war die Bühne frei für die Uraufführung von Juan José Chuquisengos „Tango-Metamorphosen“ für Streichquintett von 2014. Die fünf Streicher des Symphonia Momentum-Streichquintetts unter der Leitung des Komponisten selber hoben das Werk aus der Taufe.
Nach einer kurzen Einleitung der Viola, des Cellos und des Kontrabasses beginnt ein rhythmisch äußerst vertracktes Spiel der Streicher, ab und zu unterbrochen durch sanfte, fast schwebende Passagen. Viele Möglichkeiten zu ungewöhnlichen Klangeffekten – z.B. Schläge auf das Holz der Instrumente oder Kratzgeräusche – wechseln ab mit Ausbrüchen verschiedenster melodiöser und rhythmischer Partikel. Oft duettieren auch die beiden Violinen oder Viola und Cello. Quasi kanonische Einsätze wechseln ab mit homophonen Streicherklängen. Die ursprüngliche Konzeption für Streichorchester hatte der Komponist für Streichquintett bearbeitet. Alle Musiker spielten mit Hingabe und  Begeisterung, und wenn es auch an einigen Stellen dieses irrsinnig schwer zu spielenden Stücks noch nicht ganz perfekt klappte, so war die Energie und Lyrik dieser Tango-Metamorphosen doch mit allen Sinnen zu greifen.
Begeisterter Beifall vor der notwendigen Pause.

Die Kompositionen des Neuseeländers Douglas Lilburn sind bei uns so gut wie unbekannt –  trotz der Feiern zu seinem 100. Geburtstag, die allerdings in Deutschland kaum zur Kenntnis genommen wurden. Dabei sind sie bei aller scheinbaren Einfachheit sehr ansprechende und zauberhafte Musik. Davon konnte sich das Publikum vor allem bei den drei Canzonettas überzeugen, die Rebekka Hartmann  und Shasta Ellenbogen auf Violine und Viola intensiv und bewegt-bewegend vortrugen.

Nach diesem Ausflug zu den Antipoden kehrten alle Musikerinnen und Musiker mit dem ersten Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven in der Bearbeitung für Klavier und Streicher von Vinzenz Lachner (er war der jüngste der drei Lachner-Brüder) zurück nach Europa. Und wie! Nach einer kurzen Einleitung übernahm Ottavia Maria Maceratini die Führung und alle sechs Ausführenden ließen sich vom Beethoven‘schen Genius zu feuriger und herzbewegender Musizierkunst anregen. Die drei Sätze mit ihrem unentwegten Wechselspiel aus Melodie, Harmonie und tänzerischster Rhythmik, – was ist dieser Komponist doch für ein überragender Melodiker, immer wieder! – flogen vorüber und beschlossen einen Abend der Superlative, den diese Konzertreihe mit einem so ungewöhnlichen wie längst zu erwartenden Publikums-Zuspruch mehr als verdient hat.

[Ulrich Hermann, April 2016]

Blockflötenkonzerte

German & French Recorder Concertos

Markus Zahnhausen (* 1965)  Recordare (2015)

Fabrice Bollon (*1965)  Your Voice Out Of The Lamb (2014)

Günter Kochan (1930-2009)  Music for alto recorder, 25 string instruments and percussion 2000

Drei Welt-Ersteinspielungen

Michala Petri, Flöte
Odense Symphony Orchestra
Christoph Poppen, Conductor

Our Recordings 6.220614
7 47313 16146 1

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Wie hat sich das Verhältnis zu diesem Instrument im letzten Jahrhundert doch gewandelt! Vom ersten Anfänger-Instrument von der Tante für Kinder – und gerade besonders für Kinder fast immer völlig ungeeignet – zu einem hochentwickelten, spannenden und unglaublich vielseitigen Konzert-Instrument vom Barock bis zu den neuesten Kompositionen eines Markus Zahnhausen. Und Michala Petri hat dem Ganzen mit ihrer Präsenz und grenzenlosen Fertigkeit noch ganz andere, neue Möglichkeiten erschlossen. Vieles davon ist auf dieser Ersteinspielung zu hören und zu bestaunen.

Besonders im ersten Konzert, wo Markus Zahnhausen – selber Blockflötist – nicht nur die Möglichkeiten der verschiedensten Flöten einbaut, sondern auch der Solistin im Orchester-Part die bezwingendsten Begleitungen mitgibt, so z.B.  gleich zu Beginn mit Glockenklängen oder Rhythmen von Schlagzeug und großer Trommel. Glücklicherweise lag mir sogar die gesamte Partitur von zwei der aufgenommenen Stücke vor, ich konnte also die Strukturen auch im Notenbild mit verfolgen, ein ganz besonderer Zusatz-Genuss! Zahnhausens Konzert hat, da auch als zusammenhängende Form sehr gelungen, das Zeug dazu, ein moderner Klassiker für die Blockflöte zu werden.

Nicht nur Werke und Aufführungen sind auf exzellentem Niveau. Hinzu kommt ein außergewöhnlich umfangreiches und informatives Booklet, eine wahre Fundgrube über Anlass der Kompositionen und ihre Schöpfer. Von Günter Kochan hatte ich in einem Liederbuch schon einmal ein Klavierlied gefunden, der war mir also kein ganz Unbekannter mehr. Sein Konzert für Blockflöte, Streicher und  Schlagzeug zeigt seine Beherrschung des Handwerks natürlich ebenso wie seine eigenwilligen kompositorischen Ideen und deren souveräne Umsetzung: Kein Wunder, dass er zu den  besten Komponisten der ehemaligen DDR gehörte, auch wenn vieles seiner Musik  heute fast boykottiert zu werden scheint.

Michala Petri spielt alle Herausforderungen mit ihren unbegrenzten Möglichkeiten souverän aus,  es müssen  eben nicht nur Vivaldi, Händel, Bach oder die modischen Komponisten der Blockflöten-Literatur sein. Gerade moderne Kompositionen, die neue Spielweisen, neue Klänge, neue Herausforderungen an die Musikerinnen und Musiker stellen, zeigen – vor allem, wenn sie so überlegen gemeistert werden wie von der Dänin –, was aus diesem Instrument an Musik noch lange nicht an einem  Endpunkt – die entsprechenden Komponisten vorausgesetzt! – noch zu erwarten und bereits zu erleben ist und sein wird.

Am wenigsten ansprechend war für mich das Konzert von Fabrice Bollon für Flöte und kleines Orchester. Er baut hier auch elektronische Elemente ein, wie Loops und Verstärkung, bezieht sich auf die Rock-Gruppe „Genesis“ und versucht eine Mixtur aus allen möglichen Stil-Elementen der E- und U-Musik. Das mag für die ausführenden Musikerinnen und Musiker sicher spannend sein, mir sagte dieses Stück am wenigsten zu, was dem Komponisten reichlich egal sein dürfte, denn wie seine Musik ankommt, war sicher nicht sein primärer Impetus, diese Komposition zu schreiben. Er selbst vergleicht sich mit einem Koch, der mit verschiedensten Gewürzen aus den verschiedensten Erdteilen jongliert, um eine wohlschmeckende Mahlzeit zuzubereiten.
Ob und wie weit ihm das gelungen ist, muss jede Person beim Hören selbst beurteilen.

Im Ganzen aber ist diese CD eine großartige Bereicherung im Zusammenhang mit einem immer noch weit unterschätzten Instrument.

[Ulrich Hermann, März 2016]

Ärger und Faszination

The Stone People

Lisa Moore, piano and voice

Tukiliiit John Luther Adams 7:13
Ishi’s Song Martin Bresnick 8:58
Compassion Julia Wolfe 7.42
Among Red Mountains John Luther Adams 11.53
Orizzonte Missy Mazzoli 5:19
Sliabh Beagh Kate Moore 12:39
Nunataks John Luther Adams 7:41
Earring Julia Wolfe 1:48

Canteloupe CA 21115
7 13746 31152 0

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Was ist denn das? Selten habe ich eine CD gehört, in der für mich Ärger und Faszination so dicht beieinander liegen wie bei vorliegender mit dem merkwürdigen Titel „The Stone People“, gespielt von der australisch-amerikanischen Pianistin Lisa Moore.

Name-dropping über Name-dropping, wenn man ihre Website besucht, aber das ist alles hinfällig, wenn man diese merkwürdige CD auflegt: Momente schönster improvisatorischer Ergebenheit mit wunderbaren KlangEntfaltungen auf dem Steinway – she is a Steinway artist, heißt es über sie – wechseln ab mit unerträglichem Lärm, mimimalistische Träumerei mit unerträglicher Langeweile, bei vielen der Stücke stimmen weder Timing noch das Zuhören beim eigenen Spiel, da dominiert die Masche, das Machen, obwohl es doch auch auf einem Steinway „Tasten“ heißt, wenigstens im Deutschen. Im Englischen schließt man mit den „keys“ die Türen oder die Räume auf, in denen Musik werden kann, wenn die Bedingungen stimmen, wie Sergiu Celibidache nicht müde wurde, zu betonen. Und es geht eben bei  der „Musik“ – was von Muse kommt, einer unverheirateten Seelenführerin, wie man bei Peter Orban im seinem Buch „Symbolon“ nachlesen kann – nie ums „Machen“, auch nicht um „making music“, sondern um die innere Bereitschaft, es entstehen zu lassen. Das gelingt Lisa Moore leider nur an den wenigsten Stellen, meistens ist ihr „Wollen“ oder „Machen“ über-mächtig und es entstehen nur mehr oder weniger erlebte Klangfolgen oder auch nur Maschen. Besonders bei den Stücken von John Luther Adams, dem das ganze Album den Impetus verdankt, da gehen der Pianistin die Gäule durch, da wird brutal auf den Flügel eingeschlagen und es wird wieder einmal klar, warum für viele das Klavier ein „Schlaginstrument“ ist. Anders bei Ishi’s Song von Martin Bresnick, einem der wenigen innerlich erlebten und anhörbar schönen Stücke. Ich möchte gar nicht Keith Jarrett zum Vergleich anführen, lieber auf die CD „Reflections“ hinweisen, die der Berliner Pianist und Komponist Martin Torp eingespielt hat, wo 64 Miniaturen eine eindrucksvolle Bandbreite des auf dem Klavier Möglichen zu Gehör bringen mit einem sonst leider allzu selten zu erlebender Gespür für Entstehen – Lassen – Können von Musik.

Der Name „The Stone People“ weist übrigens auf die langjährige Beschäftigung des Musikers John Luther Adams mit der Inuit-Kultur hin, das erste Stück „tukiliit“ bedeutet demnach „the stone people who live in the wind“ und gab der CD auch den Titel.

[Ulrich Hermann, März 2016]

Dichter … Liebe?

Dichter. Liebe
Heine. Schumann

Cornelia Horak, Sopran
Stefan Gottfried, Piano
Christoph Wagner-Trenkwitz, Rezitation

Gramola 99059
9 003643 990593

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„Und kein Dichter ruft einem Fräulein, das den Sonnenuntergang gerührt betrachtet, die Worte zu:
Mein Fräulein, sein Sie munter,
das ist ein altes Stück;
Hier vorne geht sie unter,
Und kehrt von hinten zurück.
Nicht aus Respekt vor dem Fräulein, aber aus Respekt vor dem Sonnenuntergang.“

(Karl Kraus: Heine und die Folgen,  Auswahl aus dem Werk, Seite 183. Kösel-Verlag 1957 Kempten)

So urteilte Karl Kraus in seinem bis heute viel zu wenig beachteten Essay über den angeblich so großen Dichter Heinrich Heine. Ja, er geht noch weiter und schreibt von „jenem Heinrich Heine, der der deutschen Sprache so sehr das Mieder gelockert hat, dass heute alle Kommis an ihren Brüsten fingern dürfen“ (Seite 187)

Ob Robert Schumann bei der Auswahl der Gedichte, die er in seinem Liederzyklus „Dichterliebe“ von Heine vertont hat, nicht mit seinem auch sonst so sicheren Gefühl für den Wert  seiner vertonten Lyrik – man denke nur an op. 39 nach Eichendorff – sich genau an die gehalten hat, die als Lieder vorliegen? Und die ausgespart hat, die eben nicht dazu gehören sollten?  Und nun meinen Cornelia Horak (mit dem ihr eigenen Talent des Singens) und ihr Mann Christoph Wagner-Trenkwitz (mit dem ihm eigenen Talent des Sprechens – so formuliert es das Booklet) mit der zusätzlichen Rezitation der angeblich passenden und vom Komponisten eben eigentlich fälschlicherweise nicht vertonten Gedichte dem Ganzen eine „überraschende Bereicherung“ angedeihen lassen zu müssen. Als hätte der gute Schumann eben nicht die ganze lyrische Tragweite dieser Gedichte – in der ihm eigenen Beschränktheit – übersehen, was hiermit nachgeholt werden muss…

„O tempora, o mores!“ Wenn dann zum sowieso merkwürdigen „Ich grolle nicht“  als nächstes unmittelbar darauf rezitiert wird: „ Ja, du bist elend, und ich grolle nicht…“, dann wirkt das auf mich nun genau so, wie es Robert Schumann eben nicht wollte: Totschlag mit dem Hammer! Und zieht diesen ganzen Zyklus in die banalste Ebene der auch für jeden Tölpel verdoppelt verständlich gemachten Erfassbarkeit. So simpel war der Komponist eben nicht, dass er dieser Verdoppelung auf den Leim gegangen wäre. Und seinem Liederzyklus tut die Balance zwischen romantischer Ironie, die man dem Heine so gerne unterschiebt und der Naivität, die angeblich den Komponisten kennzeichnet, augenscheinlich so gut, dass die dadurch ausgelöste Spannung den Hörer bis zum heutigen Tage beschäftigt

Wenn nun die ausgelassenen Texte eingebaut werden und damit eine ach so korrekte Festlegung stattfindet, ist genau diese Balance zu Gunsten einer peinlich unkünstlerischen Eindeutigkeit aufgehoben. Schade!

Abgesehen davon überzeugt mich auch die sängerische Leistung von Cornelia Horak nicht, denn ihre Wortverständlichkeit wird – wie allzu oft – der Stimme geopfert, ohne Textbeilage wäre man, was die Verständlichkeit des Gesanges angeht, hoffnungslos aufgeschmissen.

[Ulrich Hermann, März 2016]