Archiv für den Monat: Mai 2023

Erich Skoczek: die Wiederentdeckung eines Impressionisten der Orgel

Selbstverlag Andreas Willscher, Hamburg 2021; ISBN: 978-3-9823800-0-1

Die Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts kennt die Namen zahlreicher Musiker, die durch Krieg, Vertreibung und politische Verfolgung einen gewaltsamen Tod gefunden haben. Mit der Auslöschung ihrer physischen Existenz ging in der Regel die Zerstörung ihres künstlerischen Erbes einher. Auch zahlreiche wertvolle Dokumente, die über den Lebenslauf der Künstler Auskunft hätten geben können, gingen verloren. Biographie und Schaffen wurden gleichermaßen fragmentiert.

Als ein solches Fragment stehen heute Leben und Werk des sudetendeutschen Komponisten Erich Skoczek vor uns, einem der konsequentesten Adepten des französischen Impressionismus im deutschsprachigen Kulturraum. Der 1908 im mährischen Olmütz geborene Skoczek hatte in Wien studiert und war dort in den späten 1920er Jahren als Orgelvirtuose zu Ansehen gelangt. Neben seinem musikalischen Wirken war er auch als Maler und Schriftsteller tätig. 1941 in seine Geburtsstadt zurückgekehrt, wurde er kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs, im Mai 1945, während einer gegen die deutsche Bevölkerung gerichteten Verhaftungsaktion in das nahegelegene Konzentrationslager Hodolein deportiert, wo er wenig später zu Tode kam. Die tschechischen Behörden ließen seine Wohnung ausräumen, wobei auch die Manuskripte seiner Kompositionen auf den Müll geworfen wurden. Dass immerhin ein winziger Teil von Skoczeks Nachlass erhalten blieb, ist dem Organisten Anton(ín) Schindler zu verdanken, der sich die Bewilligung verschaffte, „zur Stampfe“ vorgesehene Papiere zu sichten. Durch seine Umsicht ist u. a. das umfangreichste heute noch vorhandene Werk Skoczeks, das 1928 komponierte Konzert für Orgel und großes Orchester op. 20, auf uns gekommen.

Nun hat es Andreas Willscher, einer der meistgespielten Orgelkomponisten unserer Zeit, Förderer wenig bekannten Repertoires und ausgewiesener Kenner der sudetendeutschen Musikgeschichte, unternommen, das Wissen über Erich Skoczek zusammenzutragen. Sein im Selbstverlag erschienenes, 170 Seiten umfassendes Buch dokumentiert nicht nur sämtliche bislang bekannte Quellen zu Skoczeks Biographie, sondern macht auch mit dem Großteil seiner erhaltenen Kompositionen bekannt. Nicht weniger als fünf Orgelstücke, die zu Lebzeiten des Komponisten veröffentlicht worden waren, finden sich bei Willscher vollständig abgedruckt, zwei davon auch in Fassungen für Klavier. Es sind:

Basilica di Roma op. 33

Eine holländische Mondnacht. Sinfonisches Intermezzo op. 39 (auch Fassung für Klavier 4-händig)

Deux piéces polytonales op. 42, Nr. 1: À Claude Debussy. Poème symphonique

Deux piéces polytonales op. 42, Nr. 2 Chanson

Eine Seelenwanderung op. 55 (auch Fassungen für Klavier 2-händig)

Studiert man diese Kompositionen, die zusammen etwa 2/3 des Bandes ausfüllen, wird sofort deutlich, dass Skoczek, der spätestens seit op. 42 seinen Vornamen zu „Eric“ französisierte, unter den deutschen und österreichischen Orgelkomponisten seiner Zeit eine der originellsten Erscheinungen gewesen ist. Sein großes Vorbild war offensichtlich Claude Debussy, dessen freie, von der klassischen Funktionsharmonik gelöste Akkordbildung und Stimmführung er auf die Orgel überträgt. Auch hinsichtlich der Registrierung gibt Skoczek sehr differenzierte Anweisungen. So nimmt es nicht Wunder, dass sich aus diesen Stücken ein wahres Füllhorn aparter, zauberischer Klänge ergießt.

Auszugsweise macht uns Willscher mit dem Orgelkonzert op. 20 und der Apotheose des Namens BACH op. 26 bekannt, einem Orgeltriptychon, in dessen Finale ein Sopransolo „Bach’s Verklärung im Himmel“ schildert. Als weitere musikalische Dokumente finden wir noch die einzig erhaltene Bassstimme des Chorwerks Christi Geburt op. 27 sowie den Anfang des von Skoczek erstellten Klavierauszugs einer Opernouvertüre von Arthur Johannes Scholz (1883–1945) mitgeteilt.

Als Musikschriftsteller lernen wir Skoczek mit einer kurzen Einführung in Beethovens letzte drei Klaviersonaten kennen, von der leider die Besprechung des Finales von op. 111 fehlt, sowie mit einem für eine Olmützer Zeitung verfassten Aufsatz über „Musik im Radio“, in welchem sich der Komponist zu den Verwendungsmöglichkeiten der verschiedenen Instrumente unter den Bedingungen des damaligen Rundfunks äußert und zu dem Schluss kommt: „Um die Feinheiten des Werkes feststellen zu können, muß man dieses aus erster Hand hören, das nur im Konzertsaal möglich ist, nicht durch den besten Radioapparat.“

Neben der Biographie des Komponisten, einem Verzeichnis seiner Werke (das 62 Opuszahlen umfasst), einer Übersicht über die Interpreten seiner Musik, und einer Sammlung zeitgenössischer Konzertkritiken, enthält der reich bebilderte Band weiterhin einen kurzen Abschnitt, in welchem sich Willscher kritisch mit den Thesen des Musikschriftstellers Anton Popovici auseinandersetzt, der 1935 eine kleine Monographie über Skoczek veröffentlicht hatte. Besonders dieser Teil des Buches lässt ahnen, über welch umfassende Kenntnisse der Orgelliteratur Andreas Willscher verfügt. Im Anhang finden sich außerdem das von Skoczek in seinem op. 26 vertonte Gedicht „Bach’s Verklärung“ von Grete Jank, sowie drei Improvisationsthemen, die der Retter des Orgelkonzerts, Anton Schindler, für Willscher aufgezeichnet hat.

Kritisch anzumerken wäre, dass das Buch besser hätte lektoriert werden müssen, denn leider sind einige Druckfehler stehen geblieben. Der erste findet sich bereits auf dem Einband, wo der Name des Komponisten „Scoczek“ geschrieben wird (was dazu führen kann, dass das Buch bei einer Suche schwerer gefunden wird). Auf S. 159 erfahren wir zwar die genauen Lebensdaten und einen knappen Lebenslauf des Komponisten des „Phantasiegemäldes mit Gesang in drei Aufzügen“ Der Zeitgeist oder Ein Besuch aus der Vorzeit von 1841, nicht aber dessen Namen Adolph Müller. Auch hätte man sich im Verzeichnis der Werke Skoczeks präzisere Angaben gewünscht. Zwar liest man dort die Titel aller bekannten Kompositionen (einige Opuszahlen konnten nicht zugeordnet werden) und auch, welche davon zu Lebzeiten gedruckt wurden, doch wird bei den anscheinend Manuskript gebliebenen nicht klar, welche verschollen und welche erhalten sind. So erhält man zum erhaltenen Orgelkonzert und zur fragmentarisch überlieferten Christi Geburt nicht mehr Informationen als zu anderen Kompositionen, deren Uraufführungsdatum bekannt ist. Gerade weil uns aus dem ganzen Buch die Liebe entgegenschlägt, mit der der Autor es geschrieben und gestaltet hat, wirken diese Einzelheiten störend! Dennoch muß betont werden, dass es sich um eine außerordentlich wichtige Veröffentlichung handelt, die Beachtung verdient. Musikwissenschaftler sollten sich davon zu weiteren Forschungen über Erich Skoczek anregen lassen, und Musiker dazu, seine Werke wieder zu Gehör zu bringen. Den Organisten hat Willscher hier genug Material an die Hand gegeben. Mögen sie es nutzen!

Um einen Eindruck von Skoczeks Klangwelt zu vermitteln, sei noch auf Auszüge einer Aufführung seines Orgelkonzerts durch die Mährische Philharmonie unter Petr Šumník mit Kateřina Chroboková an der Orgel hingewiesen:

Erich Skoczek – Concerto for Organ and Orchestra 1 – YouTube

Erich Skoczek – Concerto for Organ and Orchestra 2 – YouTube

Norbert Florian Schuck [Mai 2023]

Die Rückkehr orchestraler Opulenz – Werke von Lim, Verunelli und Dusapin bei der musica viva

Liza Lim und Franck Ollu © Astrid Ackermann/BR

Anschließend an die – für 2021 nachgeholte – Verleihung der „Happy New Ears“ Preise in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste spielte am 12.5.2023 das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks im Herkulessaal bei der musica viva den 2. Teil des Annunciation Triptychs: „Mary / Transcendence after Trauma“ der Preisträgerin für Komposition, Liza Lim. Anschließend erklangen die Uraufführung von Francesca Verunellis „Accord, chord and tune“ für Akkordeon und Orchester (Solist: Krassimir Sterev) sowie „Morning in Long Island“ von Pascal Dusapin. Es dirigierte Franck Ollu.

Auch die Verleihung der im 2-Jahres-Turnus vergebenen Happy New Ears Preise der Hans und Gertrud Zender-Stiftung für 2021 konnte coronabedingt erst jetzt in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste nachgeholt werden. Wolfgang Rathert hielt die Laudationes und betonte bei der Preisträgerin für Komposition, der Australierin Liza Lim, die Weltbezogenheit und das politische Engagement ihrer Musik. Der Preisträger für Publizistik zur Neuen Musik, der italienische Musikwissenschaftler Gianmaria Borio, wurde für sein umfangreiches Schaffen beiderseits des Atlantiks – darunter eine 4-bändige Geschichte der Darmstädter Ferienkurse – gewürdigt. Die kurzen, umso prägnanteren Danksagungen der Ausgezeichneten hielten diese in perfektem Deutsch – und erstmals in diesem Rahmen erklang ein kleiner musikalischer Beitrag: Matthew Sadler spielte Lims faszinierendes Trompetensolo Wild Winged-One.

Das Symphoniekonzert beginnt mit Liza Lims 2. Teil ihres Annunciation Triptychs: Mary / Transcendence after Trauma (2020/21), mit dem nun hoffentlich die Reihe der „verpassten“ musica viva Uraufführungen – das Triptychon wurde stattdessen 2022 in Köln von Cristian Măcelaru aus der Taufe gehoben – endet. Ganz im Gegensatz zu Lims zuletzt im Herkulessaal gespielter, hochpolitischer Performance instrumentalen Theaters Extinction Events and Dawn Chorus (wir berichteten) beschäftigt sich Lim hier mit dem Mysterium von Mariä Verkündigung und bedient sich dabei einer gewaltigen Palette orchestraler Klangfarben, deren Opulenz sie mit einer Meisterschaft beherrscht, die in jedem Detail absolut überzeugt. So gut wie nichts ist dabei konventionell oder gar ein Rückgriff in die Kiste der Neo-Romantik. Vom zarten Beginn der Spring Drums und Streicher bis zu ehrfurchtgebietenden Blechbläserglissandi – die die Komposition inspirierenden Texte schlagen von der Geschichte der Verkündigung eine Brücke bis zur Reflexion der Offenbarung – zeugt das gesamte, ca. 18-minütige Stück von tiefer spiritueller Versenkung, auch gerade in eher lauten Abschnitten. Ergreifend der kurze, zentrale Moment Her wild consent – nur mit Basstrommel, Horn und Klavier und die folgenden apokalyptischen Visionen. Lim benutzt gekonnt vierteltönige Einfärbungen und beeindruckende spektrale Klänge, besonders in den Bläsern. Dies alles kontrolliert der französische Spezialist Franck Ollu – er dirigiert ohne Taktstock und mit links – mittels klarer Impulse und genauer dynamischer Führung, bleibt dafür emotional recht unbeteiligt, vor allem im folgenden Beitrag.

Francesca Verunelli (*1979) erhielt 2020 den Förderpreis der Ernst von Siemens Musikstiftung. In ihrem Uraufführungsstück mit dem technischen, neutral erscheinenden Titel Accord, chord and tune geht die Komponistin entschieden radikalere Wege: Konsequente Mikrotonalität erhält hier eine im wahrsten Sinne des Wortes unerhörte Bedeutung. Der Solopart wurde eigens auf das spezielle Viertelton-Akkordeon Krassimir Sterevs abgestimmt. Ein Solistenkonzert im traditionellen Sinne hören wir jedoch nicht: Die besondere Klanglichkeit wird in einen einheitlichen Organismus von Solist und Orchester integriert; das Akkordeon tritt praktisch kaum jemals in den Vordergrund. Aus den nahezu unbegrenzten Möglichkeiten werden beständig neuartige Klänge synthetisiert, wo lediglich die Harfen stellenweise vertraute Akzente setzen. Mit seiner Überladenheit an instrumentalen Effekten, wodurch immerhin ein unterbrechungsloser, stimmiger Klangstrom gelingt, gehört Verunellis Stück zu den vielen „überinstrumentierten“ Orchesterwerken der letzten Jahre, die dann doch ohne jede Emotionalität irgendwie auf der Stelle treten. Das Publikum ist allerdings wohl anderer Meinung und bedenkt die Beteiligten mit großem Applaus.

Nach der Pause kommt Pascal Dusapin mit seinem gut halbstündigen „Konzert Nr. 1 für großes Orchester“ Morning in Long Island von 2010 zum Zuge. Dusapin (geb. 1955), Schüler u. a. von Iannis Xenakis, gehört seit langem zu den wichtigsten Komponisten Frankreichs; entsprechend groß ist seine Souveränität im Umgang mit dem Orchester. Inspiriert durch einen Spaziergang an den eiskalten Strand Long Islands im Jahre 1988 schildert Dusapin nicht etwa konkrete Naturstimmungen, sondern setzt die Erinnerungen an seine damaligen Empfindungen musikalisch um. Der stark durch Literatur – namentlich Flauberts – geprägte Komponist begibt sich auch hier auf eine Metaebene, nie simpel programmatisch. So etwas mag heutzutage dennoch altmodisch wirken – gute Musik ist es trotzdem. Nun ist Franck Ollu, höchst vertraut mit Dusapins Schaffen, endgültig in seinem Element, geht insbesondere im rhythmisch mitreißenden, positiv energetischen Schlussabschnitt (swinging) mit seinen amerikanischen Tanzrhythmen voll mit. Dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks muss man an erster Stelle aber für eine höchst gelungene Darbietung des langen, langsamen Mittelteils (simplement) danken, der farblich ungemein ausdifferenziert herüberkommt. Ollu scheint nun glücklich mit dem ganzen Abend zu sein und erhält zusammen mit dem Komponisten verdient begeisterte Zustimmung.

[Martin Blaumeiser, Mai 2023]

Markus Bellheim zelebriert András Hamarys exzellenten Préludes-Zyklus

NEOS 12305 + 52301 (CD+DVD); EAN: 4 260063 123054

András Hamarys Zyklus von 24 Préludes für Klavier (2021/22) ist nun, gespielt vom Widmungsträger Markus Bellheim, in Koproduktion mit BR Klassik bei NEOS erschienen. Die Musik wie ihre Darbietung können nur als herausragend betrachtet werden.

András Hamary (*1950) kam nach ersten Studien in Budapest bald nach Deutschland, wo Hans Leygraf (Klavier) in Hannover und Thomas Ungar (Dirigieren) in Stuttgart seine wichtigsten Lehrer waren. In beiden Fächern wurde er mehrfach ausgezeichnet, so beim Debussy-Wettbewerb in Paris oder für seine Interpretation von Adriana Hölszkys Oper Bremer Freiheit bei der 1. Münchner Biennale. Von 1986 bis zu seiner Emeritierung hatte Hamary in Würzburg eine Professur für Klavier und Kammermusik inne und lebt nun in Berlin. Als Dirigent konzentrierte sich der Künstler ganz auf die Neue Musik und widmete sich dann seit Mitte der 1970er Jahre auch – zunehmend erfolgreich – der Komposition. Den Pianisten Markus Bellheim, seit 2011 Professor an der Münchner Hochschule für Musik und Theater, lernte er bereits in dessen Würzburger Zeit kennen. Während der Corona-Einsamkeit entstand – ausgehend von zunächst wenigen Einzelstücken – nach und nach ein Zyklus von 24 Préludes für Klavier, der Bellheim gewidmet ist und von ihm uraufgeführt und inzwischen mehrmals öffentlich gespielt wurde.

Mit 24 Klavierpréludes tritt man fast unweigerlich in die Fußstapfen einer Reihe historischer Vorbilder: Im Falle Hamarys sind dies vor allem Chopin, Skrjabin, Rachmaninoff, Debussy und Schostakowitsch (op. 34). Daneben spürt der Hörer Einflüsse diverser, nicht nur Klavierkomponisten, die keine Prélude-Zyklen geschrieben haben. In ihrer rhythmischen Komplexität oder Motorik weisen manche Abschnitte auf Hamarys Landsmann György Ligeti – insbesondere dessen Klavieretüden. Auch Schubert, Schumann, gar Mahler oder Nancarrow schimmern stellenweise durch. Nicht, dass der Komponist im gut 70-minütigen Werk aus 2 x 12 Stücken wörtlich daraus zitierte; jedoch gibt es zahlreiche Allusionen, die an konkrete musikalische Situationen bei jenen Kollegen anknüpfen, die hier natürlich nicht alle aufgezählt werden können und sollen. Klar ist, dass sich Hamary diesem nicht wegzudenkenden musikhistorischen Bewusstsein stellt, ohne Elemente simpel zu imitieren oder „einzubauen“. So wird aus dem vermeintlichen „Ballast“ eine Quelle für ganz eigene Inspiration. Literatur bildet bei zumindest zwei Préludes den Ausgangspunkt: Attila Jószefs Gedicht Ringató für das „Wiegenlied“ (1. Heft, Nr. 7) und die Erzählung El milagro segreto des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges (2. Heft, Nr. 2).

Das besondere Problem, bei relativ wenig Zeit – die einzelnen Préludes dauern hier zwischen 1‘20“ und knapp 5 Minuten – ohne Umschweife sofort zum Punkt kommen zu müssen, erfordert große Klarheit des musikalischen Materials und eine geradezu plastische Vorstellung der damit erzeugten Klangwelten. Hamary scheut in den meisten der Miniaturen keineswegs tonale Anklänge: Gleich im ersten Prélude haut er die Hörer quasi übers Ohr, indem er deren Erwartungen bezüglich angedeuteter Dominantseptakkorde und der Leittonwirkung des Tritonus zum Mäandern durch den gesamten Quintenzirkel irreführt.

Ihre erstaunliche Überzeugungskraft gewinnt Hamarys Musik allerdings auffällig mittels extrem durchdachter und konsequenter Einbeziehung von Resonanzen und Obertoneffekten, was virtuose Nutzung aller Möglichkeiten des Sostenuto-Pedals verlangt. Allseits überraschen stimmige Modifikationen sogar während des Verklingens, eines ja sonst als eher statisch wahrgenommenen Klangphänomens, die dann immer den Raum mit einbeziehen.

Dies öffnet in einer Reihe von Préludes („Zyklus im Zyklus“ [Hamary]), darunter die drei Funerals des ersten Hefts, eine schon erschütternde emotionale Tiefe: Musik sozusagen als Vorbote des Totenreichs – und Aufarbeitung des eigenen Pandemie-Traumas? Im zweiten Heft unterstreichen zudem wiederkehrende Fragmente des anfänglichen Chorals (Track [13]) dessen zyklische Anlage. Weiterhin finden sich einige bildhafte (Terramoto [„Erdbeben“], Der Trommler) sowie heitere, „helle“ Stücke mit einer gehörigen Prise Humors: z. B. Paganini met Gershwin on 5th Avenue (2. Heft, Nr. 10), das Paganinis Caprice Nr. 9 La caccia pianistisch höchst wirkungsvoll paraphrasiert.

Markus Bellheim spielt diese Tour de Force absolut kongenial. Der ihm quasi auf den Leib geschriebene, enorm anspruchsvolle Klaviersatz wirkt unter seinen Händen – und Füßen! – trotzdem nie angestrengt. Bellheims Konzentration und hochdifferenzierte Anschlagskunst, wie man sie ja längst von seinen Messiaen-Aufführungen kennt, kommt bei jedem der 24 Stücke voll zur Geltung. Die rasanten Nummern (etwa Nr. 10 Csillagszóró [„Wunderkerzen“] oder die zunächst an Ligeti erinnernde, später hemmungslos tonale Nr. 12 Mandolin), aber genauso die perfekt dargebotenen, oft wie eine Fata Morgana erscheinenden besagten Oberton-Kunststücke gelingen ihm staunenswert. Die unmittelbare Entfaltung der musikalischen Ideen hinter den Einzelstücken und das Erfassen des großen Ganzen – oft fordert Hamary Attacca-Übergänge zwischen zwei Préludes – gehen stets Hand in Hand und erhalten den Spannungsbogen unentwegt aufrecht: Empathie, die sich sofort auf den Hörer überträgt.

Interessant, dass als Instrument bei der im März 2023 entstandenen Aufnahme aus dem Reitstadel in Neumarkt (Oberpfalz) ein Steingraeber Grand Piano E zum Einsatz kommt, wo gerade die basslastigen Préludes (Terramoto: Heft I, Nr. 4 oder Schwarze Trompeten: Heft II, Nr. 3) einerseits etwas weicher, zugleich jedoch bedrohlicher klingen als auf den gewohnten Steinways. Aufnahmetechnisch ist die CD makellos, das Booklet mit Liner Notes vom Komponisten und Detlef Heusinger – wie von Neos gewohnt – sehr ansprechend aufgemacht. Als entbehrliche Zugabe erweist sich die DVD: 24 mit computergenerierter Musik unterlegte Videoanimationen Hamarys aus den letzten 15 Jahren, die in keinem Zusammenhang mit den Préludes zu stehen scheinen. Der Komponist präsentiert sich damit – sowie dem Cover-Gemälde – zusätzlich als bildender Künstler.

Hamarys Zyklus seiner 24 Préludes ist, verglichen mit mancher – polemisch ausgedrückt – „Massenware“ z. B. aus den ehemaligen Sowjetrepubliken, ein echter Markstein in der Gattungsgeschichte, offenkundig ein sensibles Meisterwerk mit – hoffentlich – nachhaltiger Repertoirefähigkeit. Der Rezensent kann jedenfalls das Erscheinen der Notenausgabe (Musikverlag V. Nickel, München) kaum erwarten. Die CD-Einspielung hat jetzt schon eine vorbehaltlose Empfehlung an alle Freunde der Klaviermusik verdient.

[Martin Blaumeiser, Mai 2023]

Von Bruch zu Tveitt, von Violine zu Hardangerfiedel

Berlin Classics, LC06203 0302757BC, EAN: 8 85470 02757 9

Auf ihrem neuesten Album beschreibt die junge norwegische Violinistin Ragnhild Hemsing eine musikalische Route von konzertanten Werken für Violine und Orchester, die von der Romantik bis in die Musik des 20. Jahrhunderts sowie von Deutschland nach Norwegen reicht und schließlich auch die Hardangerfiedel als Soloinstrument mit Orchester einsetzt. Begleitet wird sie vom Philharmonischen Orchester Bergen unter der Leitung von Eivind Aadland.

Ein Markenzeichen, das einen signifikanten Teil der CD-Veröffentlichungen der 1988 geborenen Norwegerin Ragnhild Hemsing (nicht zu verwechseln mit ihrer etwas jüngeren Schwester Eldbjørg) durchzieht, ist, dass man sie nicht nur auf der Violine, sondern auch auf der traditionellen norwegischen Hardangerfiedel erleben darf. Die Hardangerfiedel, benannt nach der Region Hardanger in Westnorwegen, verfügt neben vier gestrichenen Saiten auch noch über eine Reihe von unter dem Steg verlaufenden Resonanzsaiten, die für ein ganz eigenes, obertonreiches Timbre sorgen; nebenbei sei bemerkt, dass die Instrumente in der Regel bereits optisch durch ihre reichen Verzierungen einen prächtigen Eindruck hinterlassen. So kombiniert auch Hemsings neueste CD drei konzertante Werke für Violine von Max Bruch, Johan Svendsen und Sigurd Lie mit einem Konzert für Hardangerfiedel und Orchester von Geirr Tveitt.

Grundsätzlich also eindeutig ein Album mit Schwerpunkt auf norwegischer Musik, beginnt die CD allerdings mit einem der populärsten Violinkonzerte der deutschen Romantik, nämlich dem Violinkonzert Nr. 1 g-moll op. 26 von Max Bruch (1838–1920). Einerseits möchte Hemsing dadurch eine „historische Linie“ von Bruch bis hin zu Tveitt aufzeigen, andererseits ist Bruch in einem Programm mit folkloristischem Einschlag natürlich per se alles andere als eine abwegige Wahl, und zwar noch wesentlich tiefgreifender als im Beiheft diskutiert (das sich auf die Nennung seiner Schottischen Fantasie und Kol Nidrei beschränkt). Tatsächlich hat sich Bruch auch mit skandinavischer, in seinem Fall schwedischer Folklore befasst, wovon die in diversen Besetzungen vorliegenden Schwedischen Tänze op. 63, die Suite für Orchester Nr. 2 nach schwedischen Volksmelodien (posthum unter dem Titel Nordland-Suite publiziert) und die Serenade nach schwedischen Melodien für Streichorchester zeugen; daneben hat er sich (natürlich neben deutscher) u. a. mit russischer (op. 79, op. 79b), keltischer (op. 56), italienischer (op. 88b) und rumänischer (op. 83) Folklore befasst. Bezeichnend, wie er es selbst in einem Brief an seinen Verleger Simrock in Worte fasste: „In der Regel ist eine gute Volksmelodie mehr werth als 200 Kunstmelodien. Ich hätte es nie in der Welt zu etwas gebracht, wenn ich nicht seit meinem 24. Jahr mit Ernst und Ausdauer und nie endendem Interesse die Volksmusik aller Nationen studiert hätte. Denn an Innigkeit, Kraft, Originalität und Schönheit ist nichts mit dem Volkslied zu vergleichen.“

Natürlich ist sein erstes Violinkonzert sein um Längen am häufigsten gespieltes Werk (und Bruchs Unmut darüber ist vielfach zitiert worden), sodass sich Hemsings Neueinspielung in eine kaum zu überschauende Phalanx von Aufnahmen einreiht. Insgesamt schlägt sie sich dabei sehr beachtlich: Hemsing und Aadland haben beide eine tendenziell temperament- und kraftvolle, beherzt zupackende Vorstellung von dieser Musik, ohne dabei in Extreme zu verfallen. Den rhapsodischen Passagen (etwa im ersten Satz) gibt Hemsing viel Raum und Zeit, und überhaupt wirken die Tempi zwar manchmal straff, aber nie gehetzt. Die großen gesanglichen Linien des langsamen Satzes vollzieht Hemsing expressiv, dabei stets geschmackvoll und niemals sentimental nach, und ganz generell zeigt sie sich als sehr agile, wache Solistin, die zahlreiche Details (der Agogik, der Artikulation) ausgesprochen bewusst und sorgfältig realisiert.

Was der Einspielung – auf hohem Niveau! – etwas abgeht, ist ein gewisses Maß an Ruhe sowie der (orchestrale) Schmelz, der für diese Musik so charakteristisch ist. Bruch ist zuvorderst ein Melodiker, ein Lyriker, was er nicht einmal dann verleugnen kann, wenn er etwa in seiner Zweiten Sinfonie ein explizit dramatisches, wuchtiges, expressives und konflikthaftes Werk anstrebt, denn auch hier ist der Übergang zum dritten Satz, wenn der Himmel sich lichtet und in ein freundliches, gelöstes Finale mündet, im Grunde genommen das Analogon eben jenes Moments der lyrischen Katharsis, den Bruch in seinen (famosen) Konzertstücken für Streichinstrument und Orchester perfektionierte. Insofern kann man diese Musik zwar sicher etwas kühler, mit einem stärkeren Fokus auf ihren dramatischen Seiten interpretieren, aber das Muster bleibt eben doch die Wärme, der melodisch-kantable Fluss, wie ihn zum Beispiel ein Arthur Grumiaux ganz außergewöhnlich zu gestalten wusste. Es sei aber betont, dass es sich dabei um eine Kritik im Kontext von Spitzeneinspielungen handelt; insgesamt liegt hier fraglos eine hochrangige Neuaufnahme vor.

Mit der Romanze G-Dur op. 26 (1881) von Johan Svendsen (1840–1911) folgt einmal mehr das deutlich populärste Werk seines Schöpfers; dass es sich dabei eigentlich um eine Gelegenheitsarbeit handelt, wird im Beiheft durch eine hübsche Anekdote illustriert. Überhaupt: natürlich ist Svendsen als Komponist bei weitem nicht so bekannt wie sein fast exakter Zeitgenosse und Freund Edvard Grieg. Ein Blick auf seinen Werkkatalog verrät aber auch, dass diese Romanze bereits eines seiner letzten Werke ist, denn die Majorität seines Schaffens entstand in einem Zeitraum von kaum mehr als 15 Jahren von Mitte der 1860er (damals noch als Student u. a. von Reinecke in Leipzig) bis zu den frühen 1880er Jahren. Sein Einfluss auf seine Zeitgenossen als Dirigent (ab 1883 in Kopenhagen) und Persönlichkeit des Musiklebens war indes sein Leben lang immens.

Svendsen Romanze ist in ihren Außenteilen ein echtes Idyll und legt insbesondere ein beredtes Zeugnis von der Orchestrierungskunst ihres Schöpfers ab. Man beachte etwa die Wiederkehr des Anfangs (das Stück ist – natürlich – in ternärer Form gehalten): hier wird der Solist, der das Hauptthema in variierter, mit allerhand Ornamenten versehener Form vorträgt, von einem Teppich aus Tremoli sul ponticello und Pizzicati begleitet, ergänzt um einige helle Flötentupfer, was alles zusammen ein ausnehmend apartes Klangbild ergibt. Im bedeckteren Mittelteil in g-moll beschleunigt sich das Tempo, eine Art Volkstanz; das Ende der Romanze ist Verklärung. Hemsings Ton ist insgesamt hell und lyrisch-expressiv; speziell in den Außenteilen gibt sie der Musik wiederum viel Zeit zur Entfaltung, zur runden gesanglichen Linie, und scheut auch die große Geste nicht, die in dieser Musik durchaus inbegriffen ist. Bemerkenswert dabei zudem, wie sie im Mittelteil sehr bewusst ihren Ton variiert und der Musik gekonnt eine wesentlich nervösere, flüchtigere Aura verleiht.

Der eindeutig am wenigsten bekannte Komponist auf diesem Album ist der in Drammen geborene Sigurd Lie (1871–1904), ein Schüler von Iver Holter und dann (wiederum!) von Reinecke in Leipzig. Der berühmte Mathematiker Sophus Lie war sein Onkel, wohingegen mir eine verwandtschaftliche Beziehung zum Komponisten Harald Lie (1902–1942, wie Sigurd Lie jung an Tuberkulose verstorben) nicht bekannt ist. Eingespielt ist hier Lies Konzertstück über die norwegische Volksweise „Huldra aa’n Elland“ (1894/95). Das besagte Volkslied taucht bereits in den Døleviser von Edvard Storm (1749–1794) auf, eine Geschichte über den jungen Elland, der ermattet von der Sommerhitze Rast sucht und von einer Huldra, also einer kuhschwänzigen Waldnymphe, bezirzt wird (was selbstverständlich zum Scheitern verurteilt ist). Dabei besteht das Lied aus zwei Teilen, nämlich Ellands Klagelied und dem Lied bzw. Tanz der Huldra; den ersten Teil findet man auch in Griegs Norwegischen Melodien für Klavier EG 108 (dort Nr. 100), den zweiten in Svendsens (orchestraler) Norwegischer Rhapsodie Nr. 2.

Lie überführt dies in ein dreiteiliges Konzertstück in e-moll, dessen Eckteile auf Ellands Klage basieren, während der lebhafte Mittelteil in G-Dur auf dem Lied der Huldra beruht. Grundsätzlich ist Lies Tonsprache speziell harmonisch nicht wesentlich avancierter als Bruchs oder Svendsens Musik, eine Ausnahme bilden allerdings die übermäßigen Akkorde in der Coda, die dem Konzertstück für einen Moment einen geradezu leicht übernatürlichen Hauch verleihen. Im Vergleich zu Svendsens Romanze wirkt Lies (ebenfalls grundsätzlich langsames) Konzertstück atmosphärisch fast wie ihr Negativ: hier Idyll, dort Elegie, hier eine kurze Eintrübung in der Mitte, dort eine temporäre Aufhellung. Außerdem zeugt gerade dieses Werk von der intelligenten Zusammenstellung der CD, denn im Mittelteil scheint hier und da durchaus das Finale von Bruchs g-moll-Konzert als Vorbild durch, während an anderen Stellen die Violinstimme an eine Hardangerfiedel denken lässt. Das Konzertstück ist bereits vorher auf einem Album des norwegischen Labels 2L eingespielt worden, das zur Gänze Sigurd Lies Orchesterwerken gewidmet ist. Im Vergleich überzeugt die Neueinspielung durch Hemsings sattes, kraftvolles Spiel, ein exzellentes Orchester und eine etwas direktere Akustik; ich möchte aber auch die Alternativeinspielung explizit empfehlen, allein schon um Lies sehr hörenswerte Sinfonie a-moll kennenzulernen.

Am Ende des Programms steht mit dem großen Norweger Geirr Tveitt (1908–1981) ein Komponist, der um die Jahrtausendwende durch eine ganze Reihe von Veröffentlichungen der Labels Naxos, BIS und Simax einige Präsenz auf dem Tonträgermarkt erhalten hat; in den letzten Jahren ist dies leider etwas abgeebbt (sodass man auf CDs mit Werken wie seiner Sinfonie Nr. 1 Julabend oder auch seinem Violinkonzert offenbar bis auf weiteres noch vergeblich warten muss). Umso erfreulicher ist die vorliegende Neueinspielung seines Konzerts für Hardangerfiedel und Orchester Nr. 2 op. 252 „Drei Fjorde“ aus dem Jahre 1965. Auch Tveitt studierte (wie alle auf diesem Album versammelten Komponisten) in Leipzig (bei Grabner), dann in Wien bei Wellesz und anschließend in Paris bei Honegger und Villa-Lobos, eine sehr illustre Schar von Lehrern also. Grundsätzlich tief in der norwegischen Folklore verwurzelt, die er sammelte, arrangierte oder auch einfach mehr oder weniger selbst komponierte, ist es ganz besonders die französische Musik (des Impressionismus), die in den schillernden Farben und der faszinierenden Atmosphärik seiner Partituren ihren Niederschlag gefunden hat. Tragischerweise brannte im Jahre 1970 sein Hof nieder, sodass eine erhebliche Anzahl seines auch zahlenmäßig eindrucksvollen Œuvres unwiederbringlich verloren ging – ein Jammer, wenn man bedenkt, was dort alles in den Flammen aufgegangen sein muss.

Der erste Komponist, der die Hardangerfiedel mit einem Orchester kombinierte, war Johan Halvorsen in seiner Fossegrimen-Suite (1904); der erste Komponist, der ein Konzert für Hardangerfiedel und Orchester schrieb, war offenbar Tveitt (1955). Dass er zehn Jahre später ein zweites folgen ließ, ging auf einen Kompositionsauftrag zurück. Dabei ist sein zweites das etwas kompaktere der beiden Konzerte, eigentlich eine Folge von drei Tonbildern, die jeweils einem norwegischen Fjord gewidmet sind. So blüht im ersten Satz nach einem kurzen orchestralen Vorhang eine Landschaft mit dem Hardangerfjord regelrecht vor dem Hörer auf, gleich einem großen, weiten Panorama. Tveitts exquisiter Klangsinn ist in den fein ausgehörten, leise verklingenden Schlusstakten exemplarisch zu bestaunen: hier ist jeder Ton, jedes Detail der Orchestrierung ein kleines Ereignis. In den Eckteilen des dem Sognefjord gewidmeten langsamen zweiten Satzes steht die schlichte Weise der Hardangerfiedel sich bedrohlich auftürmenden Blechbläserfiguren wie schroff in die Höhe ragenden Berggipfeln gegenüber. Und schließlich steht am Ende mit dem Nordfjord ein Satz, den Tveitt selbst gegenüber Sigbjørn Bernhoft Osa, dem Solisten der Uraufführung, mit den Worten „Her kan du bare juble på“ in Worte fasste: nichts als jubilieren soll das Soloinstrument hier. Und abgesehen von einer kurzen Reminiszenz an den zweiten Satz ist tatsächlich das ganze Finale von urwüchsigem Optimismus bestimmt, eine Musik in nahezu ungetrübtem (stark modal, insbesondere lydisch bzw. mixolydisch gefärbtem) D-Dur, festlich-ausgelassen und voller Lebensfreude.

Ragnhild Hemsings Spiel auf der Hardangerfiedel ist ungemein klangvoll, sonor und reich an Resonanzen; die improvisatorischen Passagen spielt sie frei und mit großer Selbstverständlichkeit, als würde die Musik in diesem Moment gerade entstehen. Im Vergleich zur Alternativeinspielung mit Arve Moen Bergset (BIS) fallen eine Reihe von kleineren Freiheiten wie Ornamenten auf, die Hemsing offenbar selbst eingebaut hat (vgl. etwa die Solopassagen zu Beginn des zweiten Satzes), ein wenig wie ein eigener Zungenschlag. Eine rhythmisch pointierte, kraftvolle, in der Leistung des Orchesters in vielen Details prägnantere Einspielung als die BIS-Aufnahme (Hemsings Spiel ist ohnehin spektakulär gut und extrem idiomatisch), sodass man hier entschieden von einer neuen Referenz sprechen kann. Faszinierend, und allein deswegen schon den Kauf voll und ganz Wert.

Das Beiheft vom Grieg-Experten Erling Dahl jr. ist insgesamt solide, obwohl man an einigen Stellen noch stärker ins Detail gehen könnte (z. B. im Falle der Werke von Lie und Tveitt). Dass Bruchs Beziehung zur Volksmusik weniger „tief“ war als diejenige Tveitts, mag erst einmal trivial richtig sein; Bruchs Blick auf die Volksmusik anderer Länder ist eben der eines deutschen, akademisch geprägten Romantikers, was im Übrigen völlig ohne Wertung zu verstehen ist. Die von Ragnhild Hemsing aufgezeigte Linie zwischen Bruch und Tveitt würde ich vielleicht vorwiegend als eine Reihe von Parallelen, ähnlicher Schwerpunkte und Konstellationen begreifen, eine direkte, unmittelbar zwangsläufige Linie zwischen den beiden (im Übrigen auch von mir persönlich hochgeschätzten!) Komponisten sehe ich eher nicht. Die Tonqualität entspricht sehr guten zeitgenössischen Standards.

Alles in allem ein sehr empfehlenswertes Album.

[Holger Sambale, Mai 2023]

Gordon Sherwood zum 10. Todestag

Der Lebenslauf Gordon Sherwoods darf mit Fug und Recht als einer der ungewöhnlichsten gelten, die sich in der Musikgeschichte finden lassen. Frühzeitig preisgekrönt und mit einer Aufführung an exponiertester Stelle ins Licht der Öffentlichkeit gerückt, anschließend in jahrelangen Aufbaustudien bei besten Lehrern ausgebildet, entschied sich der 1929 geborene US-Amerikaner schließlich gegen eine Laufbahn im etablierten Musikbetrieb und zog jahrzehntelang rastlos kreuz und quer über den Globus. Er sah über 30 Länder auf fünf Kontinenten und durchstreifte als Künstler die Musikkulturen der Welt ebenso wie das klassische Erbe der abendländischen Musik. Den Entbehrungen eines strapaziösen Wanderlebens zum Trotz schuf er, unablässig weiter komponierend, ein sich auf nahezu alle Gattungen der Instrumental- und Vokalmusik erstreckendes Gesamtwerk von bemerkenswerter stilistischer Vielfalt. Vor zehn Jahren, am 2. Mai 2013, endete dieses abenteuerliche Leben im oberbayerischen Peiting. Anlässlich seines Todestages sei hiermit ausführlich an Gordon Sherwood erinnert!

Gordon Holt Sherwood kam am 25. August 1929 in Evanston nahe Chicago zur Welt. Seine musikalische Begabung zeichnete sich früh ab, doch legten seine Eltern keinen Wert darauf. Stattdessen ließen sie ihn zwischen seinem zwölften und fünfzehnten Lebensjahr in Kadettenanstalten unterbringen. Der Drang des empfindsamen Jungen zur Musik wurde durch den militärischen Drill, den er über sich ergehen lassen musste, aber nur gesteigert. Nachdem er 1944 zum ersten Mal Beethovens Siebte Symphonie gehört hatte, stand für ihn fest, dass er Komponist werden würde. 1950 nahm er ein Musikstudium an der Western Michigan University in Kalamazoo auf, das er 1953 mit dem Bachelor of Music abschloss. Ab 1954 studierte er an der University of Michigan in Ann Arbor und erwarb dort 1956 den Master of Music. Bereits während seiner Studienzeit gewann er 1955 den 1. Preis beim nationalen Wettbewerb für junge Komponisten der National Federation of Music Clubs. Während seines Studiums erschloss sich Sherwood die Vielfalt der zeitgenössischen und historischen Kompositionsstile abendländischer Musik. Die stärkste Wirkung übte das Schaffen Johann Sebastian Bachs auf ihn aus, doch beschäftigte er sich intensiv auch mit allem anderen, was ihm an Musik begegnete, bis hin zu Bartók, Stravinsky, Schönberg und den Nachkriegsavantgardisten. Aus einer Prüfungsaufgabe heraus entstand seine Erste Symphonie op. 3, deren letzte beide Sätze er als „Introduction and Allegro“ 1957 zum 12th Gershwin Memorial Award einreichte. Sherwood erhielt den Preis, wobei die Stimme von Dimitri Mitropoulos den Ausschlag gab, der das Werk anschließend mit dem New York Philharmonic Orchestra in der Carnegie Hall uraufführte. Dies schien der Beginn einer vielversprechenden Karriere zu sein. Sherwood konnte sich in Tanglewood kurzzeitig bei Aaron Copland weiterbilden, und, mit Stipendien ausgestattet, den Sprung über den Atlantik wagen. Seine Studienaufenthalte an der Hamburger Musikhochschule bei Philipp Jarnach und in Rom an der Accademia Santa Cecila bei Goffredo Petrassi krönte er 1967 mit einem weiteren Kompositionspreis.

Den scheinbar folgerichtigen Schritt, sich mit diesen optimalen Voraussetzungen um eine feste Position im öffentlichen Musikleben zu bemühen, tat Sherwood jedoch nie. Anstatt in Europa oder Amerika eine abgesicherte Existenz, etwa als Kompositionsprofessor, zu führen, ging er gemeinsam mit seiner Ehefrau Ruth, einer Sängerin aus Hamburg, in den Nahen Osten. Zunächst zogen sie nach Kairo, wo Sherwood die Musik zu Fatin Abdel Wahabs Spielfilm Ard el Nifaq (Land der Heuchelei) komponierte. Von 1968 bis 1970 hielten sie sich in Beirut auf – damals, vor den Verheerungen des Libanesischen Bürgerkriegs, weithin als „Paris des Nahen Ostens“ gerühmt – und verdienten ihren Lebensunterhalt u. a. durch gemeinsame Auftritte in Hotels. Als Bar- und Kinopianist entdeckte Sherwood während dieser Zeit die Welt des Blues, Ragtime und Boogie-Woogie für sich. Nach einem weiteren Aufenthalt in Ägypten und einer Reise durch Griechenland, wandten sich die Sherwoods 1972 nach Kenia und ließen sich in Nairobi nieder, wo sie, unterbrochen durch kürzere Aufenthalte in Mombasa und Nakuru, acht Jahre lang lebten. Hier begann Gordon Sherwood ein Studium in Kisuaheli, das er mit Diplom abschloss. Er bemühte sich um eine Förderung durch die Familie des Staatspräsidenten Jomo Kenyatta, doch letztlich ohne Erfolg. Zunehmende Ehekonflikte und das Auslaufen der Aufenthaltsgenehmigung ließen ihn 1980 einen Schlussstrich unter sein bisheriges Leben ziehen. Er trennte sich von Ruth und begab sich, vom Buddhismus begeistert, auf eine Reise durch Südostasien. Mit seinem letzten Geld flog er von Singapur nach Oslo, von wo man ihn nach London abschob. Nachdem er dort erstmals gebettelt hatte, wurde er in die USA ausgewiesen und fand sich schließlich in einem New Yorker Obdachlosenheim wieder. Nach kurzzeitiger finanzieller Unterstützung durch seinen früheren Studienkollegen George Crumb ging Sherwood 1982 nach Paris.

Zunächst versuchte er dort an ein Geschäftsmodell anzuknüpfen, das er bereits während seiner Zeit im Libanon praktiziert hatte: seine Kompositionen an Passanten zu verkaufen. Bald allerdings merkte er, dass er mehr Geld verdienen konnte, wenn er die Leute direkt um Almosen bat. So entschied er sich für ein Leben nach dem Vorbild buddhistischer Bettelmönche und wurde „Selbst-Sponsor“. Seine Zeit teilte er dabei streng ein: Einen Teil des Jahres widmete er dem Gelderwerb auf der Straße; war er finanziell gut genug abgesichert, zog er sich in Domizile zurück, die ihm Freunde zur Verfügung stellten, um ungestört zu komponieren, oder ging auf Reisen, um sich in fernen Ländern zu eigenem Schaffen inspirieren zu lassen, stets mit einem Diktiergerät und einer Stimmgabel im Gepäck. Vom offiziellen Musikleben mittlerweile völlig abgeschnitten, als Komponist nur einer Anzahl kreuz und quer über die Welt verstreuter Eingeweihter bekannt, wurde er 1995 durch Erdmann Wingerts Filmportrait Der Bettler von Paris einem deutschen Publikum vorgestellt. Die in Deutschland lebende russische Pianistin Masha Dimitrieva sah die Dokumentation zufällig im Fernsehen und nahm sofort Kontakt mit Gordon Sherwood auf, der sich zu dieser Zeit bevorzugt in Costa Rica aufhielt. Ihrem begeisterten Einsatz für sein Schaffen verdanken nicht nur mehrere Kompositionen Sherwoods ihre Entstehung, es gelang ihr auch 2004 dem fast 75-jährigen Komponisten zu seinem CD-Debüt zu verhelfen: Für cpo hatte das Bayerische Landsjugendorchester unter der Leitung Werner Andreas Alberts neben der Ersten Symphonie die Sinfonietta op. 101 und, mit Masha Dimitrieva als Solistin, das Klavierkonzert op. 107 aufgenommen. Nachdem bereits im Jahr 2000 sein in Zusammenarbeit mit der Weltmusikgruppe Die Dissidenten entstandenes, oratorienartiges Werk Memory of the Waters op. 113 (Das Gedächtnis des Wassers, die originale Gattungsbezeichnung lautet „Dokumentar-Oper“) in Berlin erfolgreich uraufgeführt worden war, konnte Sherwood schließlich noch erleben, wie seine Musik allmählich bekannt zu werden begann. Seit 2005 lebte er in der diakonischen Kolonie Herzogsägmühle in Peiting, wo man sein Gesamtwerk digitalisierte. Solange es seine Gesundheit zuließ, unternahm er auch von dort noch Reisen. Er starb 2013, kurz nachdem er die Zusage zur Uraufführung seiner Dritten Symphonie op. 118, der Blues Symphony, erhalten hatte.

Gordon Sherwood war ein unabhängiger Künstler, der ausschließlich Musik schuf, die seinen eigenen Vorstellungen von Schönheit und künstlerischer Vollendung entsprach. So wenig es ihn reizte, auf das Rücksicht zu nehmen, was er einmal als Tagesmode oder Konvention erkannt hatte, so breit gestreut waren seine musikalischen Interessen: Indische Ragas, japanische Tempel- und arabische Volksmusik konnten ihn genauso in ihren Bann schlagen wie Johann Sebastian Bach und die Wiener Klassiker; Thomas „Fats“ Waller und Thelonious Monk nicht weniger als Arnold Schönberg, Béla Bartók und Paul Hindemith. Abneigungen hegte er lediglich gegen primitive Militärmusik und die sentimentalen Lieder Stephen Fosters, die ihn an die traumatischen Erfahrungen seiner Jugendzeit erinnerten und ihm als klingende Entsprechungen materialistischer Weltsicht und entseeltem Funktionierenmüssens erschienen. Reizte ihn dagegen ein klingendes Phänomen zur künstlerischen Auseinandersetzung, so reagierte er darauf ohne Berührungsängste, sei es Musik von der Straße oder Beethovens op. 111.

Eine Entwicklung von einem „Früh-“ zu einem „Spätwerk“ lässt sich bei Sherwood nicht feststellen. Er ist bereits in seinen ersten gültigen Werken ein ebenso stilsicherer wie technisch virtuoser Komponist. Die Vorliebe für kontrapunktischen Tonsatz, dissonanzreiche Harmonik, chromatische Melodik, markante Rhythmen, unregelmäßige Metren und konzise Formung aus tonalen Spannungen heraus lässt ihn als Vertreter einer für die USA der 1950er Jahre typischen Stilrichtung erscheinen, die der Musikhistoriker Walter Simmons als „Modern Traditionalism“ bezeichnet hat. Sherwood pflegte dieses Idiom sein ganzes Leben lang gewissermaßen als seinen „Grundstil“. Die von Blues und Jazz inspirierten Werke bauen ebenso darauf auf wie die folkloristischen. Lediglich wenn er streng auf den Spuren der Wiener Klassiker oder Johann Sebastian Bachs wandelt, beschränkt sich der Komponist auf die Kunstmittel der traditionellen Funktionsharmonik, handhabt diese allerdings auf so charakteristische Weise, dass bei aller Anlehnung an die Vorbilder ein „echter Sherwood“ entsteht.

Sherwood war sich sicher, dass sich seine persönliche Ausdrucksweise in jeder seiner Kompositionen zeige, gleich welchen Aufgaben er sich in dem jeweiligen Stück gestellt hatte. Es störte ihn folglich auch nicht, dass sein Werk für manchen Beobachter eklektisch, ja auf den ersten Blick betont uneinheitlich wirken musste. Dabei lag ihm kaum etwas ferner als ein ungefüges Nebeneinander disparater Elemente. Überblickt man sein Gesamtschaffen, so fällt im Gegenteil auf, dass er ganz genau abwog, welche Stile er in seinen Kompositionen wie zusammenbrachte. Das scheinbar ungefilterte Einströmen verschiedenster akustischer Reize gibt es bei ihm sehr wohl. In der autobiographischen Beggar Cantata op. 99, in der er seine Zeit auf den Straßen von Paris thematisiert, dient es ihm als Mittel zur Darstellung des großstädtischen Chaos, mit dem sich der Held des Werkes herumzuschlagen hat. Auf ähnliche Weise lässt er im Gedächtnis des Wassers, ganz unterschiedliche Musikidiome aufeinander treffen, um das kulturelle und historische Erbe der Donauregion zu verdeutlichen. Doch sind dies programmatisch motivierte Einzelfälle. Im Übrigen liegt den Sherwoodschen Kompositionen die Grundidee der Synthese zugrunde: Der Komponist spürt im musikalischen Material Verbindungen auf, um Einheit zwischen verschiedenen Musiksphären zu stiften. Sein Gespür für tonale Zusammenhänge – in klassischem Dur-Moll wie im Blues, im modern-dissonanten Tonsatz wie in nichtabendländischen Volksmusikmodi – ist ihm dabei ein zuverlässiger Kompass. Stets formbewusst, sorgt Sherwood in allen seinen Werken für eine wohlproportionierte Entfaltung der jeweiligen musikalischen Gedanken und tendiert eher zur Kürze als zur Länge. Die meisten seiner sonatenförmigen Instrumentalwerke dauern deutlich weniger als eine halbe Stunde.

Sherwood hinterließ ein Gesamtwerk von 143 Opuszahlen, darunter drei Symphonien, ein Klavierkonzert, mehrere Dutzend Kammermusikwerke vom Solo bis zum Oktett, vier Klaviersonaten und zahlreiche kleinere Klavierstücke, Chormusik von der A-cappella-Motette bis zur symphonischen Kantate und über 80 Lieder. Zehn Jahre nach seinem Tode liegt nur ein kleiner Teil dieses Schaffens gedruckt vor. Fünf Werke (der Klavierzyklus Boogie Canonicus op. 50, die Sonata in Blue für Klavier zu vier Händen op. 66, 4 Duos für Flöte und Viola op. 102, die Blues Symphony op. 118 und 10 Stücke für Altsaxophon solo op. 125) sind bei Ries & Erler erschienen. Die Beggar Cantata und die 3 Stücke für Chor a cappella op. 35 können vom Verlag Sonus Eterna erworben werden. Letzterer hat auch den Großteil der bislang erschienenen Sherwood-CDs veröffentlicht. Unter Federführung Masha Dimitrievas, der Verwalterin des künstlerischen Nachlasses Sherwoods, entstanden bislang jeweils zwei CDs mit Klavierwerken und Liedern (gesungen von Felicitas Breest). In absehbarer Zeit wird sich ihnen eine Aufnahme der Orgelkompositionen, eingespielt von Kevin Bowyer, anschließen. Von Sherwoods Orchestermusik kann man sich durch das bereits erwähnte cpo-Album mit der Symphonie Nr. 1, dem Klavierkonzert und der Sinfonietta ein Bild machen. Für Telos Music haben Matthias Veit und Henning Lucius die Sonata in Blue aufgenommen. Die 4 Stücke für Harfe op. 135 gibt es auf einer Eigenproduktion der Harfenistin Xenia Narati zu hören, das Posaunenquartett op. 87 auf dem Album „Trombonismos“ von Trombones de Costa Rica. Die Dissidenten haben den Uraufführungsmitschnitt von Memory of the Waters herausgebracht. Bei Archipel erschien 2022 die Aufführung des Finales der Ersten Symphonie durch das New York Philharmonic unter Dimitri Mitropoulos aus dem Jahr 1957.

Für weiterführende Informationen stehen Masha Dimitrieva und der Verlag Sonus Eterna zur Verfügung.

[Norbert Florian Schuck, Mai 2023]

Der 4. Internationale Hans-von-Bülow-Wettbewerb in Meiningen

Die frühere herzogliche Residenzstadt Meiningen im Süden Thüringens, Musikfreunden vor allem bekannt durch das ruhmreiche Wirken der Meininger Hofkapelle im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, ist seit 2012 Austragungsort des Internationalen Hans-von-Bülow-Wettbewerbs für junge Pianisten. Eigentlich war vorgesehen, dass der nach dem großen Pianisten und Meininger Hofkapellmeister (1880–1885) benannte Wettbewerb alle drei Jahre abgehalten wird, mithin im Jahr 2021 zum vierten Male hätte stattfinden sollen, doch sorgten auch hier die Einschränkungen im Zuge der Covid-19-Pandemie für einen unliebsamen Aufschub. Nun endlich ist es jedoch wieder so weit: Am Abend des 4. Mai 2023 leitete Balázs Demény, Erster Preisträger in der Kategorie Profis im Jahr 2015, mit einem Konzert in der Meininger Schlosskirche den 4. Internationalen Hans-von-Bülow-Wettbewerb ein.

Der Bechstein-Flügel wird ins Meininger Schloss transportiert. Photo © Doreen Hartwig

Verglichen mit den Wettbewerben von 2012, 2015 und 2018 sind folgende Änderungen anzumerken: Veranstalter ist nun nicht mehr, wie in den früheren Jahren, die Internationale Hans-von-Bülow-Gesellschaft e. V., sondern das Max-Reger-Konservatorium in Trägerschaft des Zweckverbandes Kultur im Landkreis Schmalkalden-Meiningen. Auch werden die Preise, nach Wegfall der Kategorie „Amateure“, diesmal nur noch in drei Kategorien vergeben: „Junioren“ (unterteilt in Teilnehmer bis 13 Jahre und 14–17 Jahre), „Profis“ und „Dirigieren vom Klavier“. Zum diesjährigen Wettbewerb werden sich insgesamt 59 Pianistinnen und Pianisten aus sechs Kontinenten in Meiningen hören lassen. Das Alter der Teilnehmer liegt zwischen 12 und 34 Jahren. Profis und dirigierende Pianisten werden sowohl mit Solostücken, als auch mit Klavierkonzerten zu hören sein. Als Orchester wird die Meininger Hofkapelle zur Verfügung stehen.

Zunächst treten am 5. und 6. Mai im Konzertsaal des Max-Reger-Konservatoriums die Junioren gegeneinander an. Das Preisträgerkonzert dieser Kategorie findet am 7. Mai um 16 Uhr in der Schlosskirche statt. Die Schlosskirche ist zwischen dem 9. und 13. Mai auch Austragungsort für die Kategorie Profis. Am 13. Mai beginnt dort um 17 Uhr der Wettbewerb im Dirigieren vom Klavier, der am 14. in der Schlosskirche und am 15. im Großen Haus des Meininger Staatstheaters fortgesetzt wird. Mit Werken für Klavier solo werden die Teilnehmer dieser Kategorie in einem Konzert am 14. Mai um 16:30 Uhr in der Schlosskirche zu hören sein. Im Staatstheater findet am 16. Mai um 18 Uhr das Finale der Profis (mit Orchester), am 17. um 13 Uhr das Finale im Dirigieren vom Klavier statt. Die Preisträger in letzteren beiden Kategorien geben am 18. Mai um 19:30 im Großen Haus des Staatstheaters das Abschlusskonzert des Wettbewerbs.

Begleitet wird der auf Klavieren der bereits von Hans von Bülow hochgeschätzten Firma C. Bechstein ausgetragene Wettbewerb von Meisterkursen für Junioren und Profis, einer Führung durch die musikgeschichtliche Sammlung des Meininger Schlosses, sowie dem zweiteiligen Seminar „Bechstein & doozzoo“, einer Einführung in die für digitalen Fernunterricht am Klavier genutzte Technologie „doozzoo“.

[Norbert Florian Schuck, Mai 2023]