Am 1. März 2023 spielte das Klangkollektiv Wien unter Leitung von Rémy Ballot im Großen Saal des Wiener Radiokulturhauses des ORF ein ganz im Zeichen der Wiener Klassik stehendes Programm. Auf Wolfgang Amadé Mozarts Große A-Dur-Symphonie KV 201 folgte die unter dem Namen La Reine bekannte Pariser Symphonie B-Dur Hob. I:85 von Joseph Haydn, bevor Franz Schuberts Symphonie Nr. 5 B-Dur D 485 den Abend beschloss. Der Verfasser dieser Zeilen war nicht selbst anwesend, sondern verfolgte das Konzert mittels Direktübertragung im Netz.
Wer das Konzert des Klangkollektivs im vergangenen November noch in angenehmer Erinnerung hat, als das Ensemble als reines Streichorchester zu hören war (nur in einem Werk durch die Soloflöte ergänzt), konnte sich nun davon überzeugen, dass es auch in größerer Besetzung vortrefflich spielt. Dirigent Rémy Ballot animierte die Bläser nicht weniger als die Streicher zu Höchstleistungen musikalischen Zusammenwirkens. Mit großer Liebe zum Detail sorgt er dafür, dass die Mittelstimmen nicht im Geschehen untergehen, dass man auch die langen Töne der Hörner und Holzbläser als Gesänge hört, die Teil am Ganzen haben. Er gehört zu denjenigen Dirigenten, die ihren Musikern vermitteln können, aufeinander zu hören. Alle wissen, wann sie wie stark hervorzutreten haben, wann sie führen, wann nur begleiten sollen, und sind während der Aufführung füreinander da. Ja, es ist echter Gemeinschaftssinn in diesem Orchester, dank Ballot, den man einen Meister des Ausbalancierens der Klanggruppen nennen muss.
Erfreuen konnte man sich auch an der kultivierten Artikulation des Orchesters. Man erlebte ein elegantes, lichtdurchflutetes Musizieren, aber ohne dass etwas glattgebügelt oder ruppig um der Ruppigkeit willen vorgetragen wurde. Hörte man Folgen von Staccato-Tönen, so waren es wirkliche Staccati, und doch herrschte ein Gefühl für die melodische Linie. Dieser Sinn für Melodie ließ auch die kontrapunktischen Stellen aufblühen. Das Klangbild war bei aller Grazie, die dem Ganzen inne wohnte, von einer angenehm kernigen Deutlichkeit. Solch ein Durchleben, solche Verlebendigung der Wiener Klassiker kann man nur wünschen in der heutigen Zeit häufiger zu hören.
[Norbert Florian Schuck, März 2023]