Aparté, AP238; EAN: 5 051083 162159
Fabrizio Chiovetta hat für Aparté die drei letzten Klaviersonaten Ludwig van Beethovens (E-Dur op. 109, As-Dur op. 110, c-Moll op. 111) aufgenommen.
Nachdem er in den letzten Jahren je eine CD mit Werken Bachs, Mozarts und zeitgenössischer osteuropäischer Komponisten vorgelegt hatte, widmet sich der schweizerische Pianist Fabrizio Chiovetta mit der vorliegenden Einspielung erstmals dem Schaffen Ludwig van Beethovens. Das Programm besteht aus den um die Jahreswende 1821/22 kurz hintereinander entstandenen drei letzten Klaviersonaten opp. 109–111.
In den Sonaten op. 109 und op. 110 gelingen Chiovetta sehr ausgewogene Kopfsätze, was nicht zuletzt an seiner Fähigkeit zu kantablem Spiel liegt. Sein Anschlag ist nie grob, auch die kraftvoll vorzutragenden Abschnitte wahren die Noblesse. Die langen Melodiebögen im Moderato des op. 110 entfalten sich unter seinen Händen ungezwungen und ganz natürlich. Im Kopfsatz des op. 109 begreift er Beethovens Tempowechsel zwischen Vivace (Anfangsthema) und Adagio (Seitensatz) völlig zurecht nicht als Aufforderung, dem Stück ein zerrissenes Erscheinungsbild zu verleihen. So richtet er die Eingangstakte gezielt derart aus, dass sie im Beginn des Seitensatzes ihren Höhepunkt finden, und hält in den Adagio-Takten die Spannung aufrecht, indem er das metrische Schwer-Leicht-Gefälle hörbar macht. Chiovettas dezente Rubati verwischen nie das jeweilige Grundtempo und wirken im Kontext stets geschmackvoll. Die raschen Mittelsätze beider Sonaten haben den nötigen Schwung. Zu Beginn des Allegro molto von op. 110 ließe sich der „Frage-und-Antwort“-Effekt noch etwas stärker herausgearbeitet denken. Dafür überzeugt der rezitativische Beginn des Schlusssatzes der gleichen Sonate umso mehr. In der Fuge behält Chiovetta durchweg die Übersicht über das polyphone Geschehen.
Angesichts der andernorts so trefflich eingesetzten Gesanglichkeit verwundert die Art ein wenig, mit der Chiovetta die Themen der finalen Variationssätze von op. 109 und op. 111 vorträgt. Beide wirken vergleichsweise statisch, da dem Pianisten die einzelnen Zählzeiten der Takte offenbar wichtiger sind als die Gewichtung der Takte untereinander. Allerdings verschwindet in beiden Sätzen dieser Eindruck sofort mit der ersten Variation, wenn der Komponist beginnt, die Melodie mit stärkerer Binnenbewegung zu füllen. Ansonsten lässt sich über Chiovettas Darbietung der Variationen nur Gutes sagen. Dies gilt auch für den ersten Satz des op. 111. Im Bezug auf die Einleitung ist namentlich der Spannungsaufbau in der zweiten Hälfte samt zielgerichteter Überführung ins Allegro zu nennen. Im Allegro selbst zeigt sich der Pianist erneut als meisterhafter Tempogestalter, der die sanfteren Episoden bruchlos in ein ansonsten unwiderstehlich stringentes Gesamtgeschehen einzufügen weiß.
Im Großen und Ganzen bietet Fabrizio Chiovettas Auseinandersetzung mit den letzten Beethoven-Sonaten also sehr erfreuliche Ergebnisse. Die Anfang 2020 aufgenommene und im Herbst desselben Jahres erschienene CD gehört ohne Zweifel zu den gelungenen Beiträgen zum Beethoven-Jubiläum.
[Norbert Florian Schuck, März 2021]