Gefühlvolle Titel – belangloser Inhalt

Solo Musica SM337; LC: 15316; EAN: 4260123643379

Die in Luxemburg gerade auch in der Förderung jugendlicher Musiktalente äußerst umtriebige, aus Bulgarien stammende Komponistin Albena Petrovic hat bei Solo Musica eine CD mit neuer Klaviermusik vorgelegt, die von der ebenfalls bulgarischen Pianistin Plamena Mangova dargeboten wird. Halten die blumigen Titel: Surviving Bridges of Love, Island of Temptations, Crystal Dream, Mystery Dream, Twinkling Dream, River of Dreams und Hidden Letters, was sie versprechen?

Es fällt nicht leicht, die allesamt aktuellen, zwischen 2013 und 2019 entstandenen Klavierwerke von Albena Petrovic Vratchanska (*1965) stilistisch genauer einzuordnen. Die Musik ist sicher nicht tonal; aus relativ konzentriertem Material entstehen wenige – oft nur zwei bis drei – meist kontrastierende musikalische Elemente mit eindeutigem Wiedererkennungswert, die sich dann in ständigem Wechselspiel fast manisch wiederholen und nur teilweise neue farbliche Beleuchtung erfahren. Eine formale Entwicklung findet ebenso wenig statt wie eine wirkliche, emotionale Zielgerichtetheit. Man darf wohl unterstellen, dass das kompositorische Material – bei den hier präsentierten Werken häufig aus Tonfolgen gebildet, die sich aus Buchstabenfolgen ableiten, welche in Zusammenhang mit den Namen einer Widmungsträgerin – etwa P, L, A, M, E, N, A (Island of Temptation) – oder einer zyklischen Idee (ROMEO in Verborgene Briefe) stehen – konsistent Verwendung findet: Petrovic hat auch mal Musikinformatik studiert. Der Tonumfang des Klaviers wird voll genutzt. Die verschiedenen Register agieren dabei als Vermittler gegensätzlicher musikalischer Schichten; so kommt etwa dem Bass in der Regel eine eher perkussive Rolle zu. Dazu gibt es einige Gimmicks: Teilweise wird im Flügel gezupft, abgedämpft, und die Pianistin muss außerdem, rechts und links neben dem Instrument platziert, eine tibetische Klangschale bzw. ein Tamburin bedienen (u.a. in Surviving Bridges of Love).

Insgesamt sind die hier erforschten Klangwelten zwar interessant, wenn auch wenig abwechslungsreich; in Island of Temptation finden sich immerhin zwischen geheimnisvoll meditativen Abschnitten solche mit rhythmischer Zugkraft. Das ständige Wiederholen innerhalb der einzelnen Segmente auf statischen Tonhöhen wirkt allerdings sehr schnell ermüdend, besonders bei den Traum-Stücken. So erinnert die Musik Petrovics äußerlich ein wenig an die enigmatischen Klaviersonaten von Galina Ustwolskaja – von deren beinahe schamanischer Wirkung, der fast unerträglichen Penetranz und schockierender Konsequenz ist die Bulgarin freilich Welten entfernt. Die Tatsache, dass gerade die beiden längsten Werke mit jeweils ca. 9 Minuten einerseits über Strecken langweilen, die Zeit dabei jedoch im Fluge vergeht, so dass man versucht ist, sich auf dem Display des CD-Players zu vergewissern: Es waren wirklich 9, nicht etwa 3 Minuten, spricht nicht gerade für tiefer gehende Substanz! So verwundert es nicht, dass der fünfteilige Zyklus Hidden Letters aus recht kurzen Stücken vielleicht noch am überzeugendsten ist. Hier versteht man auch Petrovics Ästhetik im Titel des letzten Stücks: O like Obsession.

Den übrigen, blumigen Titeln – schade, dass das Booklet die zugehörigen Opuszahlen unterschlägt – kann ich nur wenig abgewinnen. Zu willkürlich, um nicht zu sagen: beliebig, erscheinen diese gewählt, mögen aber durchaus Anregung für die Interpretin Plamena Mangova gewesen sein. Diese war unter anderem 2. Preisträgerin beim Concours Reine Elisabeth 2007 und erweist sich hier als einfühlsame Künstlerin, die über die gesamte CD klanglich differenziert, allen Details gegenüber aufmerksam, agiert. Alles klingt sonor, nie grob, obwohl sie bei den obsessiven Stellen auch immer die nötige Energie entfaltet. Ihr gelingt es trotzdem nicht, der Musik Petrovics nachvollziehbar Emotion zu entlocken. Crystal Dream geriet der damals erst 14-jährigen Zala Krava auf ihrem sensationellen Debütalbum [zur Rezension] deutlich spannungsreicher.

Die Aufnahmetechnik ist übrigens wirklich großartig – der Flügel ist räumlich wie dynamisch perfekt eingefangen, und man hört unverzerrt jedes Detail gerade beim Spiel im Instrument. Leider bleibt so der Gesamteindruck bei Petrovics Klavierwerken dennoch der von fast easy listening dahinplätschernden Belanglosigkeiten, die den Hörer eher kalt lassen – trotz einiger hübscher Ansätze ist hier Eintönigkeit vorherrschend.

[Martin Blaumeiser, Juni 2020]

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