Alba, ABCD 445; EAN: 6 41513 104455
Janne Oksanen spielt das gesamte Klavierwerk des finnischen Komponisten Toivo Kuula: 3 Stücke op. 3b, Virta Venhettä Vie op. 37/1, Barcarolle op. 37/2, Air Varié, Invention, Vanha Syyslaulu op. 24/3, Schottis, Juhlamarssi op. 13b, 6 Stücke op. 26, Lampaanpolska und Satukuva op. 19.
Toivo Kuula gilt nach wie vor als der größte finnische Komponist neben Jean Sibelius und seine beiden Eteläpohjalainen Sarja (Suiten aus Südösterbotten) werden gelegentlich auch außerhalb Finnlands gespielt; abgesehen von diesen Suiten gilt seine Musik als Rarität.
Das Klavier begleitete Kuula beinahe sein ganzes – wenngleich viel zu kurzes – Leben: Mit 15 schrieb er seine ersten Klavierstücke, die letzten entstanden zwei Jahre vor seinem Tod, entsprechend ergibt sich ein Raum von 18 Jahren. Kaum eines der Stücke überschreitet die fünf-Minuten-Marke, keines knackt die zehn; außerdem gibt es kein größeres zyklisches oder mehrsätziges Werk, alle Stücke stehen für sich allein oder sind lose unter einer Opusnummer gebündelt. Stilistisch reichen sie von spätromantischen Charakterstücken bis hin zu impressionistisch angehauchten, beinahe französisch wirkenden Miniaturen. Die Form hält Kuula meist schlicht, baut umso mehr auf harmonisches Feingefühl und Melodienreichtum. Die Musik lebt nicht von virtuosem Effekt, sondern von innerem Affekt und wellenförmigen Steigerungen wie Rückgängen.
Noch vor seinem 25. Geburtstag spielte Janne Oksanen das gesamte Klavierwerk Kuulas mit einer Spielzeit von etwa 80 Minuten auf CD ein. Oksanen präsentiert sich als tiefgründiger und feinfühliger Musiker, der in die Musik hineinhorcht und sie von innen heraus erforscht. Manch eine vollgriffige Passage tönt noch zu hart und somit zu vertikal für die horizontal-melodiebezogene Musik, doch dies ist nur ein geringer Makel bezogen auf die sonstige Musikalität, die hier zutage tritt. Auffällig ist die präzise Abstimmung der beiden Hände, wodurch die Harmonien plastisch zutage treten. Schlichtheit und Offenheit zeichnen die Aufnahme aus. Die Tontechnik kommt dem leider nicht immer entgegen, manches wirkt zu fern oder dumpf für eine facettenreiche Klanggestaltung.
[Oliver Fraenzke, Februar 2020]