MDG 937 2111-6; EAN: 7 60623 21116 9
Auf der vorliegenden CD finden wir eine Aufnahme der gesamten Schauspielmusik op. 84 von Ludwig van Beethoven zu Goethes Trauerspiel Egmont. Die einzelnen Nummern der Musik werden durch Texte miteinander verbunden, die Tilmann Böttcher und Matthias Brandt aus Originalversen Goethes zusammengestellt haben und die die Handlung des Dramas in aller Kürze zusammenfassen. Es spielt das Beethoven Orchester Bonn unter Dirk Kaftan, Matthias Brandt übernimmt die Rolle des Sprechers und Olga Bezsmertna singt die Sopranpartie.
Das Konzept dieser Aufnahme ist stimmig: Das Problem an Darbietungen von Schauspielmusiken liegt nämlich zumeist daran, dass wir sie ohne das unterliegende Schauspiel nur partiell verstehen können; hören wir jedoch das gesamte Stück, so fokussieren wir uns in erster Linie auf den Text und nehmen die Musik lediglich als Randerscheinung wahr. Entsprechend gewandt erweist sich die Lösung dieser Aufnahme, die Texte kurz und bündig zusammenzufassen und dazu noch ausschließlich originale Verse zu verwenden: So kann der Hörer die Handlung mitverfolgen und nimmt die zentralen Aspekte des Dramas wahr, die Beethoven in seiner Musik umsetzte.
Die Zusammenfassung des Schauspiels durch Tilmann Böttcher und Matthias Brandt greift das Wesentliche heraus und bleiben zugleich prägnant in ihrer Kürze. Brandt rezitiert sie in der nötigen Distanz, nüchtern, aber einfühlsam und die Stimmung treffend.
Die Musik hängt da etwas hinterher, sie kann der Präsenz des Sprechers nicht gleichkommen. Allgemein entsteht der Eindruck, der Musik fehle der Boden unter den Füßen, sie habe keine Stabilität im Hier und Jetzt, sondern eile innerlich schon voraus. Kaftan beachtet durchaus die Transparanz der Stimmen und meißelt die feinen Klangeffekte aus der Partitur heraus, die Beethoven teils äußerst subtil in den Noten versteckt hat; und dennoch gerät die Musik bei schnelleren Tempi unverzüglich ins Wanken, stagniert dafür in den Ruhepolen. Wenig inspiriert gestaltet sich auch die Sopranpartie von Olga Bezsmertna, die in den Höhen schnell kreischig wird und manchen Tönen (vor allem dem f“) eine eigene Charakteristik verleiht, die immer wiederkehrt, wenn sie diese erreicht – zu Ungunsten des dynamischen Flusses der Musik.
[Oliver Fraenzke, März 2019]