Delos, DE 3498; EAN: 0 13491 34982 4
Bratschenmusik von Ernest Bloch hören wir auf der neuen Veröffentlichung des Duos Paul Neubauer und Margo Garrett. Auf dem Programm stehen die Suite für Bratsche und Klavier (1919), die unvollendete Suite für Bratsche Solo (1958), die Suite Hébraïque (1951) sowie Meditation and Processional (1951).
Die frühe Karriere des aus der Schweiz stammenden jüdischen Komponisten Ernest Bloch weist gewisse Eigenwilligkeiten auf: Trotz außergewöhnlicher Begabung im Violinspiel und Unterricht bei namhaften Musikern wie Eugène Ysaÿe wollte Bloch einfach nicht der Durchbruch gelingen. Immer wieder erlebte er Misserfolge; durch einen solchen strandete er schließlich mittellos in Amerika. Trotz unterschiedlichster Unterstützungen stellte sich weiterhin kein Erfolg ein, und erst die Drei Jüdischen Gedichte brachten ihm rasante Popularität, als sie von Dirigenten wie Leopold Stokowski und Karl Muck aufgeführt wurden. Mit neuem Mut versehen, reiste er zurück nach Europa, um seine Familie mit nach Amerika zu bringen, und schloss einen Vertrag mit dem New Yorker Verlag Schirmer ab. Zurück in den USA, erhielt er eine Lehrstelle an der renommierten Mannes School of Music. Bis heute zählt Bloch in Amerika zu den führenden Komponisten, wird in Europa allerdings eher als Randerscheinung wahrgenommen.
Wenn heute etwas mit Ernest Bloch verbunden wird, dann ist es das Jüdische in der Musik. Tatsächlich ist dies auch zentrales Element seiner Musik und scheint in jedem Werk – selbst in den nicht explizit danach benannten – unverkennbar durch. Bloch genießt die ruhigeren Tempi in dunkel schwelgerisch brütendem Gestus, nimmt sich Zeit, seine kühnen Harmonien zu entfalten. Punktierte Rhythmen und 3-gegen-2-Konflikte verleihen der Musik eine prägnante Würze. Im Klavier gehören wellenartige Bewegungen und eigenständiger Kontrapunkt gegenüber dem reinen Melodieinstrument zu den wesentlichen Charakteristika.
Paul Neubauer und Margo Garrett konzentrieren sich in erster Linie auf den atmosphärischen Aspekt in Blochs Musik. Sie tauchen förmlich ein in die hebräischen Klänge und kosten sie voll aus, reißen so auch den Hörer mit. Etwas verloren geht darüber allerdings die strukturelle Feingliedrigkeit der Musik mittels dynamischer Finessen: Die subtilen Crescendi und Decrescendi werden unzureichend realisiert, extreme Dynamiken nivelliert. Auf diese Weise ergibt sich eine gewisse Gleichförmigkeit. Positiv hervorzuheben ist die Klarheit der Bratschenstimme, die nicht im Vibrato ertränkt wird, sondern sich feinhörig auf die musikalischen Situationen einzustellen vermag. Garrett stimmt sich aufmerksam auf ihren Violapartner ein, überrumpelt ihn nicht durch übertriebene Lautstärke und erweist sich doch als gleichwertiger Partner in den kontrapunktischen Verflechtungen.
[Oliver Fraenzke, März 2018]