Antonio Vivaldi (1678-1741): Concertos op. 8 Nr. 1-4 „Le quattro stagioni“ 1725; Roxanna Panufnik (*1968): Four World Seasons 2007-2011
BBC Symphony Orchestra; Graham Bradshaw, Tibetian Singing Bowl; Bradley Creswick, Leader; David Wright, Harpsichord; TASMIN LITTLE, Violin & Conductor
Chandos, CHSA 5175; EAN: 0 95115 51752 9
„Oh, je! Schon wieder eine CD mit Vivaldis Jahreszeiten“, seufzt der befangene Rezensent, allerdings gekoppelt mit einer Komposition von Roxanna Panufnik, der 1968 geborenen Tochter des polnisch-englischen Komponisten Andrzej Panufnik (1914-91), das ist natürlich etwas anderes, oder? Und in der Tat, dies ist nicht die x-te Runterspielung des Violinvirtuosen-Stücks par excellence, da hat sich die Geigerin – und Dirigentin – Tasmin Little eine ganze Menge Gedanken gemacht, die sie im sehr gut produzierten Booklet auch ausführlich zum Besten gibt.
Und herausgekommen ist: Eine Neueinspielung, die einen sofort mitnimmt, die überzeugt und begeistert. Natürlich ist das alles bekannt bis in die…. eben nicht! Denn das ist ja ein Verdienst der CD, dass sie es ermöglicht, verschiedenste Aufnahmen miteinander zu vergleichen und sich die subjektiv ansprechendste auszuwählen. Und diese neue gehört auf jeden Fall in die Kategorie „Lieblings-Aufnahmen“.
Das liegt sicher am Beitrag des Cembalisten David Wright, der seinen Part eben auch dazu verwendet, eigene Ideen in die sonst so langweilige Partie zu bringen.
Ein wenig anders sieht es allerdings beim zweiten Stück der CD aus: bei der Komposition „Four World Seasons“ von Roxanna Panufnik. Die Idee, verschiedene Jahreszeiten und ihr musikalisches Korrelat vier verschiedenen Ländern zuzuordnen, ist sehr schlüssig. Die Reihenfolge der Jahreszeiten folgt eben nicht der üblichen, auch von Vivaldi verwendeten, sondern beginnt im Herbst und in Albanien. Der erste Satz – „Autumn in Albania“ ist ihrem Vater gewidmet, der, wie sie schreibt: „… geboren, geliebt und gestorben im Herbst“. Er verwendet als Grundlage zwei albanische Melodien, einen Tanz und ein Liebeslied, und ergibt eine Komposition, die Orchester und Solistin wunderbar realisieren.
Dann die Winterzeit – es wird eine alte tibetanische Melodie auf zweifache Weise herangezogen, einmal in einer kunstvollen, dann in einer Nomaden-Version. Als Grundklang wird eine tibetische Klangschale verwendet. Das Stück fasziniert und nimmt gefangen.
Die beiden weiteren Stücke „Spring in Japan“ und „Indian Summer“ sind zwar durchaus spannende Kompositionen, die mich persönlich allerdings nur teilweise begeistern, denn die Strukturen sind – verglichen mit den beiden ersten Stücken – zu zerfahren oder „beliebig“, was vielleicht aber auch an den tonalen Vorlieben des Rezensenten liegen mag.
Im Ganzen offeriert diese CD ein Hörerlebnis, das neue Wege zu scheinbar altbekannten Stücken und zu Unbekanntem öffnet.
[Ulrich Hermann, Oktober 2016]