Hans Koessler (1853-1926): Chorwerke
Cantabile Regensburg; Matthias Beckert
Helbling HI-C7937CD
9 783990 355251
Schon oft erwähnt: Einer der großen Vorzüge des Mediums CD ist die überaus große Bereicherung des Repertoires seit Jahrzehnten. Von Musikern bekommen wir zu hören, die oft der Vergessenheit oder der Ignoranz zum Opfer fielen, gäbe es nicht immer wieder neue Entdeckungen, für die man den Firmen stets aufs Neue Dank sagen muss.
So auch für diese CD mit Werken eines mir bis dato unbekannten Komponisten namens Hans Koessler (1853-1926), des Begründers der großen ungarischen Schule, aus welcher in nächster Generation Dohnányi, Bartók, Kodály, Leo Weiner, Fritz Reiner und Lajtha hervorgehen sollten, und aus deren Budapester Schule wiederum die prägenden Dirigenten Szell, Dorati, Fricsay, Solti, Kertesz usw. Die große ungarische Schule, geboren aus der Tätigkeit eines einzigen Mannes. Auch wenn ich selber jahrelang in verschiedensten Chören gesungen habe, selber Chorleiter bin, war mir dieser Herr bisher nicht geläufig. Was ein Fehler ist, wie diese CD mit dem Regensburger Chor Cantabile unter seinem Dirigenten Matthias Beckert beweist. Denn die Werke, die wir zu hören bekommen, sind Chormusik vom Feinsten. Dazu gibt das sehr umfassende Booklet Auskunft über einen Musiker, der – entfernter Cousin von Max Reger und wie dieser in der Oberpfalz geboren – sein Glück machte, als ihn Franz Liszt 1882 nach Budapest an die ungarische Landesmusik-Akademie berief. Dort wurde er der prägende Lehrer in der Nachfolge seines sächsischen Vorgängers Robert Volkmann (1815-1883).
Koessler selbst hielt sich und seine Kompositionen möglichst im Hintergrund, bis die Musikverlage auf ihn aufmerksam wurden und er den durchaus verdienten Ruhm empfangen konnte. Wenn er auch alles andere als ein Neutöner war – Brahms beehrte ihn mit seiner Freundschaft –, so zeugt seine Musik von absoluter Meisterschaft und ist eine wunderbare Bereicherung des Chor-Repertoires in der Nachfolge Brahms’. Seien es seine neun Lieder nach Texten von Goethe und anderen, seien es seine drei ernsten Chöre oder seine geistlichen Chorwerke und auch die altdeutschen Minnelieder, alles ist meisterlich komponiert und ebenso meisterlich vom Chor Cantabile gesungen. Die Palette reicht dabei vom durchaus kraftvollen Fortissimo bis zum kaum hörbaren – aber eben umso intensiver erlebten – Pianissimo, das Matthias Beckert – seines Zeichens Professor in Würzburg und Hannover – „seinem“ Chor ermöglicht. Der Klang bleibt immer offen, was für mich ein Zeichen ist, dass eben nicht gesungen wird „wie ein Mann“, sondern das Erleben und Gestalten der Musik im Vordergrund steht.
Dass im Booklet alles Informative samt den Liedtexten auf Deutsch, Englisch oder auch auf Lateinisch abgedruckt ist, zeigt, wie wohl durchdacht und überlegt diese CD gestaltet wurde. Der Helbling-Verlag im schwäbischen Esslingen hat übrigens einiges davon auch in Noten neu herausgegeben und veröffentlicht seine CDs in Zusammenhang mit diesen sehr empfehlenswerten Notendrucken.
Eine bedingungslose Empfehlung ist die verdiente Folge solcher Aktivitäten!
[Ulrich Hermann, September 2016]