Zauberhaft, authentisch, berührend – Yamilé Cruz Montero und Christos Asonitis spielen kubanische Musik

Die 1985 in Havanna geborene Pianistin Yamilé Cruz Montero spielt in der Mohr-Villa in Freimann im Münchner Norden Werke kubanischer Landsleute, teilweise in Kollaboration mit dem griechischen Schlagzeuger Christos Asonitis. Neben Zeitgenössischem, darunter zwei vertrackten Kompositionen der bekanntesten kubanischen Komponistin Tania León und zwei Eigenkompositionen von Frau Cruz Montero, spielte sie auch Klassiker von Ernesto Lecuona und, als Zugabe und einziges Werk des 19. Jahrhunderts, Ignacio Cervantes.

Schon kürzlich berichtete the-new-listener.de von einem Konzert, in welchem Yamilé Cruz Montero ausschließlich zeitgenössische Werke von Komponistinnen, darunter mehrere Uraufführungen, vortrug. Und schon da war erstaunlich, mit welcher Ernsthaftigkeit, filigranen Feinnervigkeit, rhythmischem Groove und natürlicher Sanglichkeit sie agierte. Das Konzert in der Mohr-Villa – in eher etwas indifferenter Akustik auf einem zwar nicht makellosen, da nur bedingt modulationsfähigen, aber doch auch nicht allzu unbefriedigenden Hohner-Flügel – begann sie denn auch mit eben jener Danzón von der in Holland lebenden Keyla Orozco und den zwei virtuosen Stücken ‚Momentum’ und ‚Tumbao’ von Tania León, die sie bereits zuletzt im Programm führte. Und es war erfreulich, hören zu können, wie die Werke unter ihren Händen weiter reifen. Neu dann ‚Reencuentro’ von dem 1958 geborenen, komponierenden Klaviervirtuosen Ernán López Nussa, nunmehr unter so dezenter wie stimulierender Mitwirkung von Asonitis am Percussion-Set. Man darf staunen, wie wunderbar die beiden aufeinander eingespielt sind, und diese durchaus auf traditionellen karibischen Elementen aufbauende Musik swingte nicht nur in transparenter Zartheit, sondern entfaltete eine improvisatorische Anmut. Eine von geschmackvoller Sensitivität getragene Musik, die man gerne wieder hören möchte. Es schlossen sich vor der Pause noch, nunmehr wieder für Klavier solo, die Variationen über ein (innig romantisches) Thema von Silvio Rodriguez aus der Feder von Andrés Alén an – 1950 geboren, hat er sich einst auch seine Sporen als Pianist verdient. Man merkt seinem Zyklus an, dass er aufmerksam die großen Vorbilder in der Gattung studierte, und in einer Variation scheint tatsächlich Brahms eine kleine Stippvisite zu machen. Allerdings wirkt das Werk insgesamt auch etwas bemüht scholastisch und ist nicht von einem durchgehenden Spannungsbogen getragen. Yamilé Cruz Montero bemühte sich nach Kräften, der nicht allzu überzeugenden Entwicklung den durchgehenden Lebensimpuls einzuhauchen.

Was noch zu wünschen wäre: dass sie ihren sehr liebevoll und offenherzigen Einführungsworten etwas mehr Information über die hierzulande ja völlig unbekannten Komponisten hinzufügt.

Nach der Pause folgte, was Länge, Gehalt und stilistische Vollendung betrifft, zunächst das Hauptwerk des Abends, zwar kubanischer Herkunft, aber doch auch das einzige nicht kubanische Werk des Abends: die sechssätzige Suite Andalucia vom Nationalkomponisten Ernesto Lecuona. Hier konnte Yamilé Cruz Montero ihr ganzes Können ausspielen, in feinen Schattierungen und unwiderstehlichen Rhythmen, und es ist Musik, die ohnehin Vergnügen bereiten möchte und nur darauf wartet, dass jemand wie hier sein ganzes Herz und seine Ausdrucksstärken in ihren Dienst stellt. Ganz besonders zauberhaft die Sätze ‚Alhambra’ und ‚Malagueña’, und ganz besonders quirlig die ‚Gitanerias’. Danach erwarteten wir gespannt zwei Eigenkompositionen der Pianistin: ein schlichtes, erstaunlich fein gesponnenes und in den Fortschreitungen durchaus kraftvolles Stück, das im Verhältnis von Können und Wollen stimmig erschien. Danach, nun wieder unter Mitwirkung des Schlagzeugs, das Schauspielmusik-Extrakt ‚El dragón en la luna’, mit vielen zündenden Momenten, aber auch nicht so organisch etwickelt wie das vorangehende Solo-Präludium, sondern eher eine geschickte Montage unterschiedlicher Elemente. Die beiden boten dann noch von dem afro-kubanischen Jazzmusiker Aldo López Gavilán ‚El pájaro carpintero’ dar, sehr zur Freude des begeistert mitgehenden, zahlreich erschienenen Publikums, das mit dieser Musik so richtig „in Fahrt“ gekommen war und gar keine Anstalten machte, nach Hause gehen zu wollen. Also folgte noch einmal Lecuona, diesmal mit einem kubanischen Tanz unter Mitwirkung des etwas zu kräftigen Schlagzeugs (dadurch werden vor allem die tiefen Register des Klaviers sehr übertönt), und zum Schluss Yamilé Cruz Montero alleine mit einem populären Klassiker von Cervantes.

Beide Künstler verdienen den Enthusiasmus, der ihnen entgegenschlug. Christos Asonitis ist ein so einfallsreicher wie unaufdringlicher, hochkultivierter und hellwacher Schlagzeuger, der dem kleinen Set einen großen Reichtum an Nuancen entlockt und nicht in routinierte Mechnizität abgleitet. Und Yamilé Cruz Montero wünscht man noch sehr viel Erfolg, und dies wahrlich aus mehr Gründen als der durchaus zauberhaften Erscheinung wegen! Was wir so oft vermissen auf dem Podium: ein durchweg aufrichtiger Mensch und authentischer Künstler, ohne jegliche Prätention, gewiss zu menschlich und bescheiden für das Ellenbogen-Business der Starkult-Klassikwelt, dafür berührend und echt in allem, was sie tut. Und durchaus auch mit dem Potential für eine Virtuosin von Rang versehen. Wir sind gespannt, was sie noch alles für uns entdecken wird.

[Lucien-Efflam Queyras de Flonzaley, Mai 2016]

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