Liebe Leserinnen und Leser,
mit großer Freude und Genugtuung haben wir den Sturm der Entrüstung über die Kritik von Josef Rottweiler zum Konzert am 22. April im Freien Musikzentrum München zur Kenntnis genommen. Die Forderung, den Artikel doch bitte von der Seite zu nehmen, können wir sehr gut verstehen, und wir stimmen Ihnen zu, dass der persönlich beleidigende, tendenziöse Tonfall auch dem Image von the-new-listener.de in der Öffentlichkeit Schaden zufügen kann.
Auch wir wollten diese Kritik zunächst nicht veröffentlichen. Doch dann haben wir uns nach eingehender Beratung – auch angesichts jüngst vorgekommener Vorfälle, die sehr bedenklich sind und sich zur Staatsaffäre ausweiteten – entschieden, keine Zensur auszuüben, also auch keine Unterdrückung selbst in einem so gravierenden Fall von ehrverletzender Attacke, sondern auch diese Ansichten, so subjektiv sie sein mögen, öffentlich zur Diskussion zu stellen. Wir stimmen mit Ihnen darin überein, dass der Autor (in seinem Debüt-Artikel für the-new-listener.de!) seine Angriffe unter der Gürtellinie ausgeführt hat (oder auch, wie einige schrieben, hinterrücks und feige). Das Gute daran ist, dass der Autor daran unmittelbar erfahren kann, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung unmittelbar mit dem Recht auf öffentliche Hinterfragung und Entlarvung der Motive verbunden ist, und wir hoffen, dass er daraus seine Lehren zieht. Er wurde darüber belehrt, dass dies keine angemessene Haltung für eine Kritik ist, und wir werden sehen, ob er in Zukunft zu unterscheiden lernt zwischen sachlicher Polemik und unsachlichem Austoben von wie auch immer begründeten Abneigungen. Wir bitten Sie jedoch auch um ein gewisses Verständnis, dass hier eben manches öffentlich stattfindet, was sonst vielleicht nur hinter verschlossenen Türen gesprochen würde. Umso größer eventuell die Chance, dass daraus gelernt wird.
Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von Teilen des Inhalts der Kritik von Josef Rottweiler, und jeder Leser kann sich seine eigene Meinung darüber bilden, warum das so ist, indem der Artikel auch weiterhin in dieser Form verfügbar bleibt. Wir sind in diesem Fall sogar so weit gegangen, den hauptsächlich kritisierten Künstler zu fragen, ob er ein Problem damit hat. Er ließ uns wissen, dass er grundsätzlich keine Zensur wünscht und sich freut, wenn die daraus entstehende Dynamik zu einer grundlegenden Debatte über die Werte der Kritik und die Frage konstruktiv beiträgt, inwieweit diese sich darauf berufen kann, subjektive Meinungsäußerung zu sein. (Vielleicht machen wir demnächst ein Interview mit ihm darüber.) Er ließ uns aber auch wissen, dass er sich anders verhalten hätte, wären die am Konzert direkt beteiligten Musiker unter derartigen Beschuss gekommen, und dass er kein Verständnis für die pauschal vernichtende Beurteilung der von uns allen sehr geschätzten Musik von Douglas Lilburn hat. Er hätte es mutiger gefunden, wenn der Autor sich derart an Beethoven vergangen hätte, und dem dürften sicher einige von Ihnen zustimmen.
Sie sind also alle eingeladen, hier vorbehaltlos zum Ausdruck zu bringen, wie Sie zu den Inhalten unserer Seite stehen.
Einen schönen Sonntag noch und herzliche Grüße an alle Leserinnen und Leser,
[Lucien-Efflam Queyras de Flonzaley & Oliver Fraenzke]