Volker Tarnow
SIBELIUS
Biografie
Henschel-BärenreiterVerlag 2015
ISBN 978-3-89487-941-9 (Henschel)
ISBN 978-3-7618-2371-2 (Bärenreiter)
„Gott aber öffnete seine Tür für einen Augenblick – und sein Orchester spielte … VALSE TRISTE“ (S. 277)
Volker Tarnow, der ja schon zusammen mit Helga Schönweitz ein sehr informatives und lesenswertes Buch schrieb mit dem Titel „Das Romantische Schweden“, legt diesmal hier ein Werk über Finnland vor, besser über Finnlands bekanntesten und für das heutige Konzertleben bedeutendsten Komponisten, Jean Sibelius.
Anders als das sehr voluminöse und nicht immer einfach zu lesende Sibelius-Kompendium von Tomi Mäkelä (Breitkopf & Härtel, 2007) ist Tarnow hier eine Biographie gelungen, die sich herrlich leicht liest – auch deswegen, weil die Anmerkungen hinten einen eigenen Platz im Buch bekommen und so der Lesefluss nicht unterbrochen wird.
Nach diesen Ausführungen über Sibelius‘ Leben und dessen Begleitumstände habe ich noch mehr Lust, mich mit dem einzigartigen Werk dieses Komponisten – von dem mir bislang (abgesehen von einigen der vielgespielten Werke wie dem Violinkonzert) recht wenig bekannt war – intensiver zu befassen. Wie gut, dass da unlängst gerade bei ARTE die Aufführung der 1. Symphonie mit den Berliner Philharmoniker unter Sir Simon Rattle zu sehen war, der alle großen symphonischen Werke des Finnen bereits auf CD einspielte. Die Reihe im Fernsehen soll fortgesetzt werden – hoffentlich. Denn das Lesen der Noten, das unter anderem mit der leider sehr teuren, erst vor kurzem erschienenen Gesamtausgabe bei Breitkopf möglich gemacht wird, wird wunderbar ergänzt durch das Anschauen der Orchester-„Arbeit“ am Bildschirm.
Tarnow erzählt die Lebens- und die Zeitgeschichte mit leichter Hand, manchmal fast zu anekdotisch flott, dafür liest sich alles eingängig, und man bekommt nicht nur trockene Daten oder Fakten zur Musik, sondern auch die entsprechenden – oft feuchtfröhlichen – Hintergründe mitgeliefert. Gerade, dass Sibelius ein großer Raucher und Trinker vor dem Herrn war – eine zeitweilige Abstinenz wurde bald wiederaufgegeben – und wie die Zusammenhänge zwischen Jugendzeit, Ausbildung und Familienleben das Komponieren wieder und wieder beeinflussten und auch oft irritierten, wird so dargestellt, dass das finnische Urgestein unbändig hervortritt.
Auch die überbordende Reiselust in den frühen und mittleren Jahren, oft aus dem Zwang heraus, woanders als zu Hause gerechter beurteilt und anerkannt zu werden, nimmt entsprechenden Raum ein.
Am hervorstechendsten sind natürlich die Beschreibungen der Musik, wobei Tarnow trotz seines Studiums nicht davon ausgeht, dass die Leserin oder der Leser alle Fachausdrücke versteht, also sind sie kurz und bündig erklärt. Der Überblick über Sibelius’ Kompositionen auch im Zusammenhang mit seinen Zeit- und Landesgenossen – seien es Musiker oder Maler, Dichter oder andere Musengeküsste – ist bemerkenswert und lässt darauf schließen, dass Tarnow „seinen“ Sibelius sehr genau kennt und schätzt.
Insgesamt ein Buch, das eine ideale Lektüre zum 150. Geburtstag von Jean Sibelius am 8. Dezember 2015 bildet. (Den wir mit „meinem“ Ensemble „DIE ALTEN RÖMER“ und einigen Gästen mit oben erwähntem „VALSE TRISTE“ zu feiern vorhaben.)
[Ulrich Hermann, Dezember 2015]